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Verfassungsmäßigkeit der ab 2005 geltenden Altersrentenbesteuerung (BFH X R 53/08)


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(3) Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Regelungen des AltEinkG um einen vollständigen –vom BVerfG selbst geforderten– Systemwechsel der Besteuerung der Altersvorsorge und der Alterseinkünfte handelt. Die dem Steuergesetzgeber zustehende Gestaltungsfreiheit umfasst dann von Verfassungs wegen die Befugnis, neue Regeln einzuführen, ohne durch Grundsätze der Folgerichtigkeit an frühere Grundentscheidungen gebunden zu sein (BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08, BVerfGE 122, 210, m.w.N.); entsprechend ist dann auch das besondere Vertrauen des Steuerpflichtigen weniger schutzwürdig (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, unter B.III.4.c cc). Dieser Aspekt gilt umso mehr, als durch die gesetzliche Neuregelung der Besteuerung der Alterseinkünfte eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung aufgehoben werden sollte und erst das neue System eine verfassungskonforme Rechtslage herstellt.

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ddd) Der Einzelne kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn das Vertrauen auf den Fortbestand einer ihm günstigen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen darf (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 105, 17, m.w.N.).

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Der Kläger wusste bereits seit dem Jahr 1980, dass die für ihn günstige Ertragsanteilsbesteuerung seiner künftigen Renten rechtlich umstritten war. Die verfassungsrechtliche Ãœberprüfung des Umfangs der steuerlichen Begünstigung der Rentner aufgrund der Ertragsanteilsbesteuerung ihrer Renten gegenüber den pensionierten Beamten, die ihre Altersbezüge grundsätzlich voll zu versteuern hatten, hatte bereits im Jahr 1980 zu dem Ergebnis geführt, dass die steuerliche Begünstigung ein Ausmaß erreicht hatte, das eine Korrektur notwendig machte (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 54, 11, unter B.III.). Der Gesetzgeber war verpflichtet, eine Neuregelung in Angriff zu nehmen, wobei es seine Sache war, in welcher Weise und mit welchen gesetzgeberischen Mitteln er die eingetretenen Verzerrungen beseitigen wollte.

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In seinem Beschluss in BVerfGE 86, 369 hat das BVerfG ebenfalls die Notwendigkeit einer Neuregelung betont, jedoch darauf hingewiesen, dass die vom Gesetzgeber für die Angleichung der Vorschriften über die steuerliche Behandlung von Renten und Ruhegehältern zur Verfügung stehende Zeit noch nicht abgelaufen sei. Angesichts der sachlichen und rechtlichen Schwierigkeiten, die der Gesetzgeber bei der Neuregelung der steuerlichen Behandlung sämtlicher in Deutschland bestehender Formen der Alterssicherung –einschließlich der der selbständigen Berufe– zu bewältigen habe, und angesichts der Probleme, die schon der Vergleich dieser Normensysteme nach Voraussetzungen, Finanzierungsformen und wirtschaftlichen Folgen aufwerfe, sei ein größerer zeitlicher Spielraum des Gesetzgebers gerechtfertigt.

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Dass das BVerfG nach weiteren zehn Jahren in dem Urteil in BVerfGE 105, 73 die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen nach § 19 EStG und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG seit dem Jahr 1996 als mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ansah, kam daher nicht unerwartet, sondern war nur die folgerichtige Konsequenz seiner bisherigen Rechtsprechung.

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Wenn auch zugunsten des Klägers zu berücksichtigen ist, dass er als Selbständiger nicht unmittelbar zu der Gruppe der Steuerpflichtigen gehört, deren verfassungswidrige steuerliche Begünstigung in den gerade genannten Verfahren Streitgegenstand war, so ist auf der anderen Seite zu bedenken, dass seine Renteneinkünfte genauso wie die beanstandeten Renteneinkünfte der Arbeitnehmer nur mit dem Ertragsanteil zu besteuern waren und sich der Tenor des Urteils des BVerfG in BVerfGE 105, 73 auf die Besteuerung aller Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezog. Zudem hatte das BVerfG bereits im Urteil in BVerfGE 86, 369 zum Ausdruck gebracht, „dass die künftige Regelung die steuerliche Behandlung sämtlicher in Deutschland bestehender Formen der Alterssicherung – einschließlich der der selbständigen Berufe – zum Gegenstand haben müsse“. Der Kläger konnte damit nicht davon ausgehen, dass seine künftigen Rentenbezüge weiterhin unverändert einer Ertragsanteilsbesteuerung unterliegen würden, sondern musste im Gegenteil damit rechnen, dass auch seine Altersbezüge Teil einer umfassenden Neuregelung sein würden.

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3. Ein besonderer Vertrauenstatbestand des Klägers, der bereits seit 1996 Rentenbezieher ist, ergibt sich nicht aus der Gesetzesformulierung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 2 EStG a.F., wonach als Ertrag des Rentenrechts für die gesamte Dauer des Rentenbezugs der Unterschied zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem Betrag gilt, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kapitalwerts der Rente auf ihre voraussichtliche Laufzeit ergibt.

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Diese gesetzliche Formulierung beruhte auf der Neuregelung der Besteuerung der Leibrenten durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl I 1954, 373), mit der der Gesetzgeber die Besteuerung privater Leibrenten auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt hatte. Nach der Neuregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG a.F. waren Leibrenten nicht mehr als wiederkehrende Leistungen in voller Höhe steuerpflichtig, sondern nur noch insoweit, als in den einzelnen Bezügen Einkünfte aus Erträgen des Rentenrechts enthalten waren. Ãœberlebte der Empfänger der Leibrente die voraussichtliche Laufzeit der Rente, wären aufgrund der Erschöpfung des Rentenstammrechts die weiteren Bezüge des Berechtigten (nach Ansicht des Gesetzgebers) in vollem Umfang Ertrag des Stammrechts gewesen. Mit Rücksicht auf die sozialen Härten, die die volle Besteuerung der Leibrenten im fortgeschrittenen Lebensalter, in dem die Berechtigten oft nur geringe Einkünfte hatten, hätte mit sich bringen können, wurde bei der Neuregelung der Ertrag des Stammrechts und damit die Steuerlast auf die gesamte Laufzeit der Rente verteilt. Der Ertrag des Stammrechts sollte nur, aber auch stets, pro rata temporis besteuert werden (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern, BTDrucks 2/481, S. 86 ff.). Dieses Anliegen wurde durch die Formulierung „für die gesamte Dauer des Rentenbezugs“ entsprechend gesetzlich normiert.

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Ein weitergehender Vertrauenstatbestand wurde dadurch nicht geschaffen, was sich auch daraus ableiten lässt, dass eine Erhöhung der Ertragsanteile für Leibrenten i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG a.F., wie z.B. im Jahr 1982 mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1982 durch Art. 26 Nr. 9 und 27 2. HStruktG, verfassungsmäßig nicht zu beanstanden war. Das BVerfG hat die Erhöhung der Ertragsanteile –auch soweit sie sog. Altverträge betraf– mit den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Grundsätzen des Rückwirkungsverbots und des Vertrauensschutzes als vereinbar angesehen (Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 23. Oktober 1987 1 BvR 573/86, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 1988, 649). Gegenüber dem gewichtigen öffentlichen Interesse, die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte zurückzuführen, wiege das Interesse des Steuerpflichtigen an der Beibehaltung der bisherigen niedrigen Ertragsanteile geringer, zumal die Ertragsanteile ohnehin aus Vereinfachungsgründen und zur Vermeidung sozialer Härten in einem grob pauschalierten Verfahren festgelegt worden seien. Es entspreche der Systematik der Rentenbesteuerung und sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber auch bei Altverträgen den –erhöhten– Ertragsanteil auf das Lebensjahr des Rentenberechtigten bei Beginn des erstmaligen Rentenbezuges und nicht auf das Lebensjahr bei Inkrafttreten der Neuregelung abstelle; die Anpassung der Rechnungsgrößen sei nicht mit einer Erhöhung der Rente gleichzusetzen (BVerfG-Beschluss in HFR 1988, 649, 650). Diese Erwägungen gelten entsprechend für den Fall, in dem der Gesetzgeber im Rahmen seiner neuen Konzeption die Ertragsanteilsbesteuerung aufgegeben hat und zur nachgelagerten Besteuerung übergegangen ist.



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