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Verfassungsmäßigkeit der ab 2005 geltenden Altersrentenbesteuerung (BFH X R 53/08)


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Die unterschiedslose Besteuerung der o.g. Alterseinkünfte von vormaligen Arbeitnehmern und von vormals Selbständigen im Gegensatz zu den Renten aus privaten nicht von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erfassten Lebensversicherungen kann damit gerechtfertigt werden, dass –jedenfalls nach Abschluss der Ãœbergangsphase– die Rentenanwartschaften in der aktiven Zeit eines Arbeitnehmers und eines Selbständigen unter vergleichbaren steuerlichen Bedingungen aus nicht versteuertem Einkommen gebildet werden können, sofern die Höchstbeträge nicht überschritten werden. In beiden Fällen handelt es sich nicht um eine Vermögensumschichtung, sondern vielmehr um einen Vermögensaufbau durch den Erwerb von Renten- bzw. Versorgungsanwartschaften, der den Steuerpflichtigen aus nicht der Besteuerung unterworfenen Mitteln ermöglicht wird (vgl. Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710).

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4. Die in dem Urteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710 nicht zu entscheidende Frage, ob die Begrenzung der steuerlichen Abzugsmöglichkeiten bis zu einem Höchstbetrag von 20 000/40 000 € in § 10 Abs. 3 EStG im Rahmen der endgültigen Regelung verfassungsrechtlich zulässig ist, hat der erkennende Senat in den Urteilen vom 18. November 2009 X R 9/07, X R 34/07, X R 45/07 und X R 6/08 sowie im Urteil vom 9. Dezember 2009 X R 28/07 (www.bundesfinanzhof.de, unter Entscheidungen) dahingehend beantwortet, dass die Begrenzung der steuerlichen Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen sowohl unter Berücksichtigung des objektiven als auch des subjektiven Nettoprinzips verfassungskonform ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in diesen Urteilen verwiesen.

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II. Auch die den Kläger treffende Ausgestaltung der Ãœbergangsregelung in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 und 4 EStG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

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Aufgabe der Ãœbergangsregelung ist es, die bestehenden unterschiedlichen Altersvorsorge- und Alterseinkünftesysteme in das System der nachgelagerten Besteuerung zu überführen. Bei der verfassungsrechtlichen Ãœberprüfung einer Ãœbergangsregelung ist im Hinblick auf die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung zum einen zu beachten, dass es sich um Regelungen für einen begrenzten Zeitraum oder um eine vorläufige Maßnahme handelt (BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, 195 f.). Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass komplexe Lebenssachverhalte zu regeln sind, bei denen dem Gesetzgeber gröbere Typisierungen und Generalisierungen zugestanden werden können, um ihm eine angemessene Zeit zur Sammlung von Erkenntnissen und Erfahrungen einzuräumen (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu BVerfG-Urteil vom 28. April 1999 1 BvL 22/95, 34/95, BVerfGE 100, 59, m.w.N.). Der weite gesetzgeberische Entscheidungsspielraum ist durch die Abwägung zwischen den Erfordernissen folgerichtiger Ausrichtung der Einkommensbesteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichten und den Notwendigkeiten einfacher, praktikabler und gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen gekennzeichnet (siehe BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, unter D.II.).

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Diese Grundsätze zugrunde gelegt, ist auch die Ãœbergangsregelung verfassungsmäßig. Sie verletzt den Kläger weder in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung (unten 1.) noch verstößt sie gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes (unten 2. und 3.). Sie führt nicht zur Ãœbermaßbesteuerung (unten 4.) und verstößt nicht –jedenfalls nicht im Falle des Klägers– gegen das Verbot der Doppelbesteuerung (unten 5.).

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1. In seinem Urteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710 (unter II.2.b.) hat der erkennende Senat entschieden, dass ein vormals selbständig tätiger Rentner weder im Verhältnis zu vormals unselbständig Tätigen noch zu ehemaligen Beamten und sonstigen Versorgungsempfängern sowie zu Beziehern von privaten Rentenversicherungen in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise besteuert wird.

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a) Der Kläger des vorgenannten Verfahrens war zwar nicht nur in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, sondern auch Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerkes, sodass sich das Senatsurteil ausführlich mit den Unterschieden der jeweiligen Beitrags- und Leistungssysteme als mögliche Rechtfertigung der gleichen steuerlichen Behandlung der Alterseinkünfte trotz unterschiedlicher steuerlicher Vorbelastung der entsprechenden Altersvorsorgeaufwendungen auseinandergesetzt hat. Entscheidend für die verfassungsrechtliche Akzeptanz der Ãœbergangsregelung war für den Senat aber nicht die Unterschiedlichkeit der Versorgungssysteme, sondern die Administrierbarkeit und Praktikabilität der steuerlichen Vorschriften, da der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zum AltEinkG darauf hingewiesen hatte, dass typischerweise auch bei zeitlich überwiegend selbständig Tätigen gemischte Rentenerwerbsbiographien vorlägen. Dies sei auch der Grund, die Leibrenten aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen nach den gleichen Grundsätzen wie die Sozialversicherungsrenten zu besteuern. Würden für diese Personengruppe abweichende oder gar individuelle Besteuerungsanteile festgelegt, käme es bei der Prüfung einer möglichen Zweifachbesteuerung auf die frühere steuerliche Behandlung von Beiträgen jedes einzelnen Steuerpflichtigen etwa der letzten 35 Jahre an. Eine derartige Ermittlungsarbeit sei von der Finanzverwaltung nicht zu leisten, da im Interesse des Verifikationsprinzips nicht allein auf die Selbsteinschätzung des Steuerpflichtigen abgestellt werden könne (BTDrucks 15/2150, S. 41).

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b) Dieses Argument mag zwar nicht die gewählte gesetzliche Regelung zwingend erfordern. Der Senat bleibt jedoch bei seiner Einschätzung in seinem Urteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, dass der vom BVerfG für die Neuregelung der Alterseinkünfte samt Ãœbergangsregelung eröffnete weite gesetzgeberische Entscheidungsspielraum im Hinblick auf die Gleichbehandlung der Altersrenten von Selbständigen und Angestellten nicht überschritten worden ist.

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aa) Der Gesetzgeber hat sich –verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden– dafür entschieden, alle Basis-Altersversorgungssysteme unterschiedslos dem System der nachgelagerten Besteuerung zu unterwerfen (siehe oben B.I.1.). Die Aufgabe der Ãœbergangsregelung ist damit, die bestehenden unterschiedlichen Altersvorsorge- und Alterseinkünftesysteme in ein System der nachgelagerten Besteuerung zu integrieren. Es liegt in ihrem Wesen, einen vorgefundenen Rechtszustand gleitend in eine neue gesetzgeberische Konzeption zu überführen (Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.b cc). Insoweit ist es entscheidend, dass die künftigen Renteneinnahmen nach Ablauf der Ãœbergangsregelung auf Altersvorsorgeaufwendungen beruhen, die grundsätzlich in vollem Umfang als Sonderausgaben abziehbar waren. Da die steuerliche Situation der Arbeitnehmer, Selbständigen und Beamten im Bereich der Altersvorsorge und der Alterseinkünfte bis zur Neuregelung im Jahr 2005 vollkommen unterschiedlich war, ist es zwangsläufig, dass unterschiedliche Zwischenschritte notwendig sind, um zu der angestrebten Neuregelung zu gelangen, in der die Besteuerung aller bestehenden Altersversorgungssysteme aufeinander abgestimmt ist (Senatsurteile vom 18. November 2009 X R 9/07, X R 34/07, X R 45/07 und X R 6/08, und vom 9. Dezember 2009 X R 28/07, a.a.O.).



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