Onlinerechner:   Vergleiche: Steuersparprogramme:


Verfassungsmäßigkeit der ab 2005 geltenden Altersrentenbesteuerung (BFH X R 53/08)


Seiten: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10


62
4. Die Besteuerung der Renteneinkünfte des Klägers mit dem Besteuerungsanteil gemäß Â§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG anstatt mit einem Ertragsanteil verstößt nicht gegen das Verbot der Ãœbermaßbesteuerung.

63
a) Der Kläger weist zwar zu Recht auf den Beschluss des BVerfG vom 18. Januar 2006 2 BvR 2194/99 (BVerfGE 115, 97) hin, in dem dargelegt wird, dass die Finanzverfassung –mit Ausnahme der speziellen Regelung in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG zur Vermeidung einer „Ãœberbelastung“ der Steuerpflichtigen bei der Verteilung der Umsatzsteuer– keine materiellen Steuerbelastungsgrenzen enthalte, die Regelung des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG aber zeige, dass die Vermeidung einer Ãœberbelastung der Steuerpflichtigen –gleichsam selbstverständlich– als verfassungsgerechter Grundsatz zu gelten habe.

64
Es sei grundsätzlich nicht zu beanstanden, hohe Einkommen auch hoch zu belasten, soweit beim betroffenen Steuerpflichtigen nach Abzug der Steuerbelastung ein –absolut und im Vergleich zu anderen Einkommensgruppen betrachtet– hohes, frei verfügbares Einkommen bleibe, das die Privatnützigkeit des Einkommens sichtbar mache. Sei Letzteres gewährleistet, liege es weitgehend im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, die Angemessenheit im Sinne vertikaler Steuergerechtigkeit selbst zu bestimmen. Auch wenn dem Ãœbermaßverbot keine zahlenmäßig zu konkretisierende allgemeine Obergrenze der Besteuerung entnommen werden könne, dürfe allerdings die steuerliche Belastung auch höherer Einkommen für den Regelfall nicht so weit gehen, dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt werde und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck komme (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97, m.w.N.).

65
b) Nach diesen Grundsätzen kann beim Kläger eine Ãœbermaßbesteuerung im Streitjahr nicht festgestellt werden. Die Summe der Einkünfte des zusammen mit seiner Frau veranlagten Klägers beträgt im Streitjahr … €, wobei Renteneinkünfte des Klägers und seiner Frau in Höhe von insgesamt 16.626 € und steuerfreie Halbeinkünfte des Klägers in Höhe von … € sowie seiner Ehefrau in Höhe von … € nicht in die Besteuerung einbezogen wurden. Der Kläger und seine Frau hatten bei einem zu versteuernden Einkommen von … € eine Einkommensteuer in Höhe von … € und einen Solidaritätszuschlag in Höhe von … € zu zahlen. Das bedeutet eine prozentuale Steuerbelastung von 24,4 % bzw. 25,7 % unter Einbeziehung des Solidaritätszuschlags. Setzt man dagegen nicht das zu versteuernde Einkommen, sondern die gesamten erzielten Einkünfte in Höhe von … € in Relation zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag, beträgt die Steuerbelastung 13,3 %, mit Solidaritätszuschlag 14,04 %. Bei dieser steuerlichen Belastung erscheint es ausgeschlossen, dass sie den wirtschaftlichen Erfolg des Klägers grundlegend beeinträchtigen könnte.

66
c) Soweit der Kläger eine Ãœbermaßbesteuerung damit begründet, dass er auf die steuerliche Belastung der von ihm beispielsweise dargestellten Vorsorgeaufwendungen des Jahres 1986 verweist und zu dem Ergebnis kommt, dass „sich insgesamt ein Steueranteil aus der Angelegenheit Rente von 177,6 % ergibt“ (vgl. den Schriftsatz an das FG vom 5. Juni 2006), ist darauf hinzuweisen, dass eine behauptete steuerliche (Ãœber-)Belastung des Jahres 1986 in diesem Verfahren nicht zu überprüfen ist, während die steuerliche Belastung des Jahres 2005 –wie gerade dargestellt– keine Veranlassung gibt, eine Verletzung des Ãœbermaßverbots anzunehmen.

67
5. Wenn der Kläger dagegen geltend macht, eine Ãœbermaßbesteuerung sei dadurch zu vermeiden, dass die steuerlichen Verhältnisse in der Beitragszeit mit den steuerlichen Verhältnissen in der Rentenbezugszeit so aufeinander abgestimmt sein müssten, dass eine Ãœbermaßbesteuerung nicht entstehe, fordert er nicht die Vermeidung des Ãœbermaßverbots, sondern die Einhaltung des Verbots der Doppelbesteuerung.

68
In seinem Beschluss in BVerfGE 105, 73 (unter D.II) hatte das BVerfG verlangt, dass in jedem Fall die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen seien, dass eine doppelte Besteuerung vermieden werde.

69
a) Nach den dem Urteil des FG zugrunde liegenden Zahlen, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, hat der Kläger für den Zeitraum 1956 bis zum 31. März 1996 Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 291.111 DM –inklusive Arbeitgeberanteile– erbracht. In den Jahren 1996 bis zum Streitjahr 2005 hat der Kläger Renteneinkünfte in Höhe von 438.911 DM erzielt; die der Besteuerung unterworfenen Ertragsanteile bzw. Besteuerungsanteile betrugen insgesamt 128.665 DM, sodass 310.246 DM steuerfrei blieben. Damit übersteigt die Summe der vom Kläger steuerfrei bezogenen Rentenanteile die Summe der aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge bei weitem, selbst wenn –wie vom FG zu seinen Gunsten unterstellt– sämtliche Beiträge zur Rentenversicherung aus versteuertem Einkommen erbracht worden wären (siehe dazu aber Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.c cc).

70
b) Ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbesteuerung kann im Falle des Klägers damit nur dann angenommen werden, wenn –wie vom Kläger befürwortet– bei der Berechnung der jeweiligen Steuerentlastung bzw. Steuerbelastung nicht das Nominalwertprinzip zugrunde gelegt wird, sondern die zwischenzeitlich eingetretenen Wertveränderungen der Beitragszahlungen berücksichtigt werden, die dazu geführt haben, dass –vereinfacht ausgedrückt– monatliche Beiträge in Höhe von 119 DM im Jahr 1956 ebenso wie monatliche Beiträge in Höhe von 1.450 DM im Jahr 1995 den selben Prozentsatz an der späteren Rente finanzieren.

71
aa) Das BVerfG hat die „doppelte Besteuerung“ weder begrifflich noch rechnerisch konkretisiert und damit auch zur Frage der Anwendbarkeit des Nominalwertprinzips nicht Stellung genommen.

72
Der 1. Senat des BVerfG hat zwar die Nominalwertbetrachtung für die Berechnung der Kapitalrückzahlungsanteile im Jahr 1980 abgelehnt (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 54, 11, 27 ff.). Demgegenüber hat der 2. Senat des BVerfG in seinem Rentenurteil in BVerfGE 105, 73, 93 dargelegt, dass es der ökonomischen Logik einer Ertragsanteilsbesteuerung entspreche, wenn die nominellen Werte der geleisteten Beiträge in ihrer Relation zu den nominellen Werten der Rentenbezüge zugrunde gelegt würden. Es ist damit davon auszugehen, dass der 2. Senat des BVerfG die in diesem Urteil formulierte Forderung, das Verbot der Doppelbesteuerung strikt zu beachten, auf der Basis der Anwendung des Nominalwertprinzips aufgestellt hat.



Kommentieren ist momentan nicht möglich.

Links: