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Verfassungsmäßigkeit der ab 2005 geltenden Altersrentenbesteuerung (BFH X R 53/08)


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In Bezug auf die Anwendung der Öffnungsklausel sei die Auffassung des FG nicht zwingend, es sei der Zeitraum maßgeblich, in dem die Zahlungen erfolgt seien, und nicht der, für den die Nachzahlungen erbracht würden. Es biete sich gerade in diesem Fall an, in dem der Staat im Jahr 1972 die Möglichkeit der Nachzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen für jedermann eröffnet habe, auf die Zeiträume abzustellen, für die die Nachzahlungen erbracht worden seien. Der Gesetzgeber erlaube zudem in Ausnahmefällen –wie z.B. in § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG in Bezug auf Ausgaben für eine langjährige Nutzungsüberlassung– eine Zuordnung der Ausgaben zu dem Veranlagungszeitraum, für den sie geleistet worden seien. Auch sei die Angemessenheit des Zeitraums problematisch und zu fragen, mit welcher Begründung der Gesetzgeber gerade auf diesen Zeitraum abgestellt habe.

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Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG vom 14. Oktober 2008 14 K 2406/06 E aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 18. April 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2006 dergestalt zu ändern, dass die Renteneinkünfte statt mit 11.298 € (50 % der Rentenbezüge) nur mit 6.100 € (27 % der Rentenbezüge) seinem Einkommen zugerechnet werden.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

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Der Kläger sei weder in seinen Rechten durch eine Doppelbesteuerung verletzt noch liege im Streitfall ein Verstoß gegen den Vertrauensgrundsatz vor.

B.
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Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

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Das FG hat zu Unrecht die Anwendung der Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG bei der Besteuerung der Renteneinkünfte des Klägers abgelehnt. Ein Teil der Renteneinkünfte des Klägers ist gemäß Â§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG mit dem Ertragsanteil gemäß Â§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG zu versteuern (unten III.). Im Ãœbrigen sind die Vorschriften zur Besteuerung der Alterseinkünfte in Gestalt des AltEinkG sowohl im Hinblick auf ihre endgültige Ausgestaltung als auch in Bezug auf die getroffene Ãœbergangsregelung verfassungsmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (unten I. und II.).

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I. Mit Urteil vom 26. November 2008 X R 15/07 (BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710) hat der erkennende Senat entschieden, dass der Gesetzgeber durch die endgültige Ausgestaltung der Besteuerung des gesamten Komplexes der Alterseinkünfte nach dem Konzept der nachgelagerten Besteuerung eine folgerichtige und den Gleichheitssatz nicht verletzende Regelung geschaffen hat.

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1. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung des AltEinkG den im BVerfG-Beschluss vom 24. Juni 1992 1 BvR 459/87, 1 BvR 467/87 (BVerfGE 86, 369) erteilten und im Rentenurteil in BVerfGE 105, 73 konkretisierten Gesetzgebungsauftrag zutreffend so verstanden, dass eine gleichheitsgerechte Besteuerung der Altersbezüge nur möglich ist, wenn bei der Neuregelung die Besteuerung aller bestehenden Altersversorgungssysteme aufeinander abgestimmt wird (BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169; vgl. hierzu auch Abschlussbericht der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen –Sachverständigenkommission–, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen –BMF–, Bd. 74, S. 9 f.). Die zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Regelungen des AltEinkG beschränken sich nicht auf die Besteuerung der Beamtenpensionen und der Renten nichtselbständig Tätiger aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die Verfahrensgegenstand des Urteils des BVerfG in BVerfGE 105, 73 waren, sondern umfassen den gesamten Komplex der Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen auf der Grundlage des von der Sachverständigenkommission erarbeiteten Drei-Schichten-Modells (vgl. auch den Abschlussbericht der Sachverständigenkommission, a.a.O., S. 13 ff.).

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2. Mit seinem Konzept der nachgelagerten Besteuerung hat der Gesetzgeber die Grundsätze der Besteuerung von auf Altersvorsorgeaufwendungen beruhenden Leibrenten von Grund auf neu geregelt. Der Gesetzgeber hat sich dabei im Rahmen der Besteuerung solcher Leibrenten im Grundsätzlichen von dem Gedanken gelöst, dass bei Leistungen durch Versorgungseinrichtungen, die auf dem Versicherungsprinzip beruhen, die Ertragsanteilsbesteuerung als steuersystematisch gerechtfertigt angesehen wurde (siehe dazu Senatsurteil in BFHE 235, 445, BStBl II 2009, 710; P. Fischer, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft 24, 463, 488; ders., Betriebs-Berater 2003, 873, 874 f.; ders. in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 22 Rz 27 f.). Rentenzuflüsse, also die zeitlich gestreckte Auszahlung der Versicherungssumme, können jetzt, auch soweit sie auf eigenen Beitragszahlungen des Steuerpflichtigen zur Rentenversicherung beruhen, über den Ertragsanteil hinaus der Besteuerung unterworfen werden. Nach der gesetzlichen Neuregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG werden die Zuflüsse aus dem Vermögen, das aus Beiträgen aufgebaut wurde, die die Steuerbelastung des Steuerpflichtigen in der Beitragsphase gemindert haben, und die mit diesem Vermögen verbundenen Wertsteigerungen vom Gesetzgeber als steuerpflichtiges Einkommen angesehen. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710 entschieden, dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum nicht dadurch überschritten wird, dass in Abweichung zu den bislang geltenden Grundsätzen der Ertragsanteilsbesteuerung nach Ablauf des Ãœbergangszeitraums eine vollständige Besteuerung der Rentenleistungen angeordnet wird, zumindest solange die Beitragsleistungen „steuerfrei“ gestellt werden.

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Dass ggf. auch eine Besteuerung bestimmter Alterseinkünfte nach dem früher geltenden Konzept der Ertragsanteilsbesteuerung weiterhin verfassungsrechtlich möglich gewesen wäre, ändert daran nichts, da der Gesetzgeber dem Konzept der Vereinheitlichung der Altersvorsorgesysteme den Vorzug gegeben hat.

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3. Die Grundentscheidung des Gesetzgebers, die in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG genannten Leibrenten trotz einer unterschiedlichen Berücksichtigung der steuerlichen Belastung der jeweiligen Altersvorsorgeaufwendungen der nachgelagerten Besteuerung zu unterwerfen, verletzt nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG).



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