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BFH VII R 39/08 – Kein wirksames Steueraussetzungsverfahren ohne Bezugsberechtigung des Empfängers


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Die Klägerin beantragt die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils sowie der angefochtenen Mineralölsteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung.


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Das HZA schließt sich im Wesentlichen der Rechtsauffassung des FG an. Für die wirksame Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens komme es allein auf den objektiven Sachverhalt an, so dass subjektive Vorstellungen über die Bezugsberechtigung keine Berücksichtigung finden könnten. Nach der inzwischen erfolgten Auswertung der justiziellen Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft X habe sich ergeben, dass sämtliche von der Klägerin belieferten Firmen zum Bezug von Mineralöl im Steueraussetzungsverfahren nicht berechtigt gewesen seien. Ein Verstoß des § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 gegen das Bestimmungslandprinzip liege nicht vor. Im Streitfall sei nicht geklärt, wo das Mineralöl verblieben sei und an welchem Ort der Verbrauch stattgefunden habe. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Regelung in § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 gegen die Warenverkehrsfreiheit verstoße. Die Entlastungsregelung des § 53 MinöStV lasse sich auf den Streitfall nicht übertragen, zumal die Klägerin trotz negativer SEED-Abfrage die Belieferung fortgesetzt habe. Die Besteuerung der Klägerin greife nicht in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen ein. Verstöße gegen den Gleichheitssatz und gegen Art. 12 und 14 GG lägen nicht vor.

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Hinsichtlich der erhobenen Verfahrensrügen weist das HZA darauf hin, dass im Zuge der durchgeführten strafprozessualen Maßnahmen keine Bezugsberechtigungen im Original sichergestellt worden seien. In Ermangelung von Originalbescheinigungen habe das FG den Sachverhalt nur anhand von Kopien ermitteln können. Zudem habe die Klägerin ihr Rügerecht verloren, da sie in der mündlichen Verhandlung keine ausdrücklichen Beweisanträge unter Bezugnahme bestimmter Akteninhalte gestellt habe. Auch die Beantragung der Vernehmung weiterer Zeugen habe die Klägerin unterlassen.

II.
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Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat zu Recht geurteilt, dass die Mineralölsteuer aufgrund der fehlenden Bezugsberechtigung der ausländischen Abnehmer nach § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 durch Entfernung des Mineralöls aus dem Steuerlager der Klägerin entstanden ist. Diesem Ergebnis steht weder Gemeinschaftsrecht noch Verfassungsrecht entgegen.

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1. Im Streitfall hat sich der Entfernung des Mineralöls aus dem Steuerlager kein weiteres Steueraussetzungsverfahren angeschlossen, das eine Steuerentstehung hätte verhindern können.

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a) Nach § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 entsteht die Steuer dadurch, dass Mineralöl im Steuergebiet aus dem Steuerlager entfernt wird, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren oder ein Zollverfahren nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 MinöStG 1993 anschließt. Aufgrund der Feststellungen des FG, nach denen das Mineralöl nach Polen verbracht worden ist, kommt im Streitfall als weiteres Steueraussetzungsverfahren nur ein innergemeinschaftliches Steuerversandverfahren in Betracht. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 MinöStG 1993 darf Mineralöl unter Steueraussetzung aus Steuerlagern im Steuergebiet in Steuerlager oder Betriebe von berechtigten Empfängern in anderen Mitgliedstaaten verbracht werden. Voraussetzung für die wirksame Eröffnung eines sich an die unversteuerte Lagerung anschließenden Steueraussetzungsverfahrens ist der Versand an Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat zum Bezug von Mineralöl unter Steueraussetzung berechtigt sind. Nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben können dies nur Steuerlagerinhaber (Art. 4 Buchst. a i.V.m. Art. 15 Abs. 1 SystemRL) oder registrierte oder nicht registrierte Wirtschaftsbeteiligte (Art. 4 Buchst. d und e i.V.m. Art. 16 SystemRL) sein. Auf das Erfordernis einer Bezugsberechtigung des Empfängers als Voraussetzung für die wirksame Eröffnung eines Steuerversandverfahrens unabhängig von den Vorstellungen des Versenders deutet der Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 SystemRL hin. Danach muss die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren im Verfahren der Steueraussetzung zwischen Steuerlagern erfolgen. Diese Bestimmung belegt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber sich von der Vorstellung hat leiten lassen, dass ein Versand unversteuerter Erzeugnisse nur zwischen bestimmten und tatsächlich bestehenden Orten möglich und von den Annahmen der Beteiligten in Bezug auf die Existenz solcher Orte unabhängig sein soll. Davon ausgehend hat Generalanwalt Colomer in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C-325/99 (Slg. 2001, I-2729) ausgeführt, dass das Verfahren der Steueraussetzung einen hermetisch geschlossenen Kreis darstellt. Dieses Verständnis schließt die Annahme eines wirksamen Steueraussetzungsverfahrens aus, wenn ein zum Bezug von unter Steueraussetzung stehenden Waren berechtigter Empfänger nicht existiert, so dass der von Colomer angesprochene Kreis nicht geschlossen werden kann. Folglich haben nach dem Sinn und Zweck von § 9 Abs. 1 MinöStG 1993, mit dem Art. 6 Abs. 1 Buchst. a SystemRL in nationales Recht umgesetzt worden ist, die subjektiven Vorstellungen des Versenders über die Existenz eines empfängerseitigen Lagers oder Herstellungsbetriebs und über die Bezugsberechtigung des jeweiligen Inhabers solcher Einrichtungen außer Betracht zu bleiben.

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b) Dass verbrauchsteuerpflichtige Erzeugnisse unter Steueraussetzung im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren nur dann befördert werden können, wenn der Empfänger Inhaber eines Steuerlagers oder berechtigter Empfänger ist, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 17. März 2000 VII B 39/99 (BFH/NV 2000, 1180) angedeutet. Dieser Auffassung hat sich der BGH ausdrücklich angeschlossen (Urteil in BGHSt 48, 52). Entgegen der Ansicht der Klägerin ist dieser BGH-Entscheidung nicht zu entnehmen, dass allein die subjektiven Vorstellungen des Versenders maßgeblich sein sollen. Nur für den Fall der Ausfuhr hat der BGH auf die Absicht des Ausführers abgestellt und die Bezugsberechtigung des im Drittland ansässigen Empfängers für die Wirksamkeit des Steueraussetzungsverfahrens für unbeachtlich gehalten. Dieser Rechtsansicht ist zuzustimmen, denn bei der Ausfuhr fungiert die Ausgangszollstelle als Empfänger, so dass es nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben einer verbrauchsteuerrechtlichen Bezugsberechtigung des ausländischen Lagerinhabers nicht bedarf. Vielmehr wird das Steueraussetzungsverfahren dadurch beendet, dass die Zollstelle die bestätigte Ausfertigung des Begleitdokuments an den Versender zurückschickt (Art. 19 Abs. 4 SystemRL).


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