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BFH VII R 39/08 – Kein wirksames Steueraussetzungsverfahren ohne Bezugsberechtigung des Empfängers


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Kein wirksames Steueraussetzungsverfahren ohne Bezugsberechtigung des Empfängers
1. Die wirksame Eröffnung eines innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahrens, mit dem verbrauchsteuerpflichtige Erzeugnisse unter Steueraussetzung in einen anderen Mitgliedstaat befördert werden können, setzt eine Zulassung des Empfängers als Steuerlagerinhaber oder berechtigter Empfänger voraus.


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2. Wird an einen Nichtberechtigten geliefert, entsteht die Mineralölsteuer nach § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 mit der Entfernung des Mineralöls aus dem Steuerlager, ohne dass es darauf ankommt, dass das Mineralöl im Steuergebiet verbraucht wird.

3. Die Regelung der Steuerentstehung in § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 verstößt weder gegen das Bestimmungslandprinzip noch gegen verfassungsrechtliche Vorgaben.

4. Die Rechtsprechung des EuGH und des BFH zu den Voraussetzungen für eine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung und zum Gutglaubensschutz kann nicht auf verbrauchsteuerrechtliche Sachverhalte übertragen werden.

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12, 14
EG Art. 28, 90
Richtlinie 92/12/EWG Art. 6 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1, Art. 22
MinöStG 1993 § 9 Abs. 1
MinöStV § 53
FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1

Urteil vom 10. November 2009 VII R 39/08

Vorinstanz: FG Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Januar 2007 3 K 395/06

Gründe

I.
1
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die mit Mineralölen handelt und über ein als Steuerlager zugelassenes Tanklager verfügt, belieferte im Zeitraum vom Juli 2004 bis zum Mai 2005 u.a. insgesamt acht Firmen mit Sitz in Polen mit unversteuertem Gasöl der Pos. 2710 1941 der Kombinierten Nomenklatur. Auf entsprechende Anfragen der Klägerin vom Februar, März und Juni 2005 teilte das Hauptzollamt Stuttgart, das in Deutschland für entsprechende Auskünfte im Verfahren SEED (System of Exchange of Excise Data) zuständig ist, der Klägerin mit, dass ihre Angaben zu insgesamt sechs der belieferten Firmen nicht bestätigt werden könnten. Dieser Befund wurde auch von einer amtlichen Auskunft des stellvertretenden Direktors der Abteilung Zoll- und Verbrauchsteuerkontrolle im Ministerium der Finanzen der Republik Polen vom September 2005 bestätigt. Danach hatte mit Ausnahme eines Unternehmens keine der mit unversteuertem Dieselkraftstoff belieferten Firmen im Lieferzeitraum ein eigenes Zolllager oder die verbrauchsteuerrechtliche Stellung eines berechtigten Empfängers. Aufgrund der fehlenden Berechtigung der polnischen Unternehmen, Mineralöl unter Steueraussetzung zu empfangen, ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt –HZA–) von einer Entstehung der Mineralölsteuer mit der Entfernung des Mineralöls aus dem Steuerlager der Klägerin nach § 9 Abs. 1 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) aus. Entsprechend setzte das HZA mit zwei Steuerbescheiden für das nach Polen gelieferte Mineralöl die Mineralölsteuer fest. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

2
Auch die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Mineralölsteuer nach § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 mit der Entfernung des Mineralöls aus dem Steuerlager in Deutschland entstanden sei, da die jeweiligen Abnehmer keine Bezugsberechtigung besessen hätten. Maßgeblich sei allein der objektive Tatbestand der Berechtigung des Empfängers, verbrauchsteuerpflichtige Waren unter Steueraussetzung zu beziehen. Unbeachtlich seien dagegen die subjektiven Vorstellungen des Versenders. Deshalb könne ein Steueraussetzungsverfahren nicht rechtswirksam durch Lieferung an einen nur vermeintlich Bezugsberechtigten eröffnet werden. Dies gelte auch dann, wenn der versendende Steuerlagerinhaber den Empfänger gutgläubig und unverschuldet für bezugsberechtigt halte. Die Mitteilungen der polnischen Zollverwaltung und der Zollkammer in Warschau über die nicht vorhandene Zulassung der Abnehmer als berechtigte Empfänger könnten nicht in Zweifel gezogen werden. Darüber hinaus sei das FG aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund der glaubwürdigen Aussage des Zeugen B, davon überzeugt, dass die auf den polnischen Berechtigungsurkunden angebrachten Stempel gefälscht seien. Nur ein einziges von der Klägerin beliefertes Unternehmen habe eine Bezugsberechtigung gehabt. Allerdings habe dieses Unternehmen seine wirtschaftliche Tätigkeit bereits am 20. Februar 2004 mit der Folge eingestellt, dass es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr im Besitz einer Bezugsberechtigung gewesen sei. Da es nach der Ãœberzeugung des Gerichts auf die subjektiven Vorstellungen hinsichtlich der Bezugsberechtigung des jeweiligen Handelspartners nicht ankomme, seien die von der Klägerin angebotenen Zeugenbeweise nicht zu erheben gewesen.

3
Die Erhebung der Mineralölsteuer verstoße nicht gegen das gemeinschaftsrechtliche Bestimmungslandprinzip. Eine Steuer könne sowohl nach Art. 6 der Richtlinie 92/12/EWG (SystemRL) des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 76/1) mit der Entfernung aus dem Steuerlager, als auch nach Art. 7, 9 oder 10 SystemRL im Bestimmungsland entstehen. Eine doppelte Besteuerung werde durch das in Art. 22 SystemRL und das in § 24 MinöStG 1993 vorgesehene Entlastungsverfahren vermieden. Dies setze allerdings die Einhaltung des dafür vorgeschriebenen Verfahrens voraus. Im Streitfall komme es folglich nicht darauf an, ob das gesamte aus dem Steuerlager entfernte Mineralöl tatsächlich nach Polen verbracht und dort verbraucht worden sei, weshalb eine weitere Beweiserhebung hierzu nicht erforderlich sei. Entscheidend für die Steuerentstehung und die Erhebungskompetenz Deutschlands sei allein die Ãœberführung in den freien Verkehr im Steuergebiet.


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