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BFH VII R 39/08 – Kein wirksames Steueraussetzungsverfahren ohne Bezugsberechtigung des Empfängers


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Schließlich seien die angefochtenen Steuerbescheide nicht deshalb rechtswidrig, weil sie gegen das Prinzip der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit verstießen. Denn dieses Prinzip könne auf die indirekten Steuern keine Anwendung finden. Auch wenn die Abwälzung der Steuer auf den Verbraucher nicht gelinge, wandle sich die Verbrauchsteuer nicht in eine unzulässige Unternehmensteuer.


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Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass das FG § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 unzutreffend ausgelegt habe. Das Rechtsstaatsprinzip, insbesondere das Gebot der Tatbestandsklarheit, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die Neutralität der Mineralölsteuer erforderten die Berücksichtigung der subjektiven Vorstellungen hinsichtlich der Bezugsberechtigung des Abnehmers. Trotz fehlender Bezugsberechtigung liege folglich ein Steueraussetzungsverfahren vor, wenn der Steuerlagerinhaber nach außen erkennbar unter Steueraussetzung liefern wolle und die vom Abnehmer vorgelegten Nachweise gefälscht seien. Die subjektive Sichtweise werde durch das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 24. Oktober 2002 5 StR 600/01 (BGHSt 48, 52) bestätigt. Das gemeinschaftsrechtliche Verbrauchsteuersystem sei durch das in Art. 90 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) festgelegte Bestimmungslandprinzip geprägt. Verbrauchsteuerpflichtige Waren seien daher nur in dem Mitgliedstaat zu besteuern, in dem sie zu gewerblichen Zwecken verbraucht würden. Folglich sei § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 gemeinschaftsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass eine Steuer nur dann mit der Entfernung aus dem Steuerlager entstehe, wenn das Mineralöl auch tatsächlich im Steuergebiet verbraucht werde. Soweit Mineralöl, das in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden sei, in Deutschland der Besteuerung unterworfen werde, stelle dies einen Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit und einen Verstoß gegen Art. 90 EG dar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass bei einer Besteuerung in Deutschland das Belastungsniveau im Bestimmungsland erheblich überschritten werde. Bei der Auslegung des § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 sei zudem der Rechtsgedanke des § 53 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) zu berücksichtigen. Danach sei der Verbraucher eigentlicher Belastungsträger der Mineralölsteuer, so dass beim Misslingen der Ãœberwälzung dem Steuerlagerinhaber eine Entlastung gewährt werden müsse. In diese Richtung weise auch das aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abzuleitende Gebot der Folgerichtigkeit. Die Verweigerung der Entlastung stelle gegenüber den von § 53 MinöStV begünstigten Mineralölhändlern eine gleichheitswidrige steuerliche Belastung dar, die zudem konfiskatorisch in die Vermögenssubstanz des Steuerlagerinhabers eingreife und daher gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip sowie das Ãœbermaßverbot und damit gegen Art. 12 und 14 GG verstoße.

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Dadurch, dass das FG die Fälschung der Berechtigungsurkunden und der auf den Rückscheinen und den Berechtigungsurkunden angebrachten Stempel angenommen habe, ohne die Originale der Urkunden in Augenschein zu nehmen, habe das FG gegen die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) und den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 FGO) verstoßen. Statt die Originalurkunden in Augenschein zu nehmen, habe sich das FG mit der Begutachtung von Kopien der Dokumente und der Vernehmung eines polnischen Zollbeamten als Zeugen begnügt. Aufgrund zu Tage getretener Widersprüche habe sich dem FG die Notwendigkeit der Beiziehung der Original-Berechtigungsurkunden aufdrängen müssen. Anträge zur Beiziehung von Akten anderer Behörden seien schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung gestellt worden. Gegen die Sachaufklärungspflicht und den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme sei auch deshalb verstoßen worden, weil das FG den stellvertretenden Direktor der Abteilung Zoll- und Verbrauchsteuerkontrolle im polnischen Finanzministerium Herrn K und Herrn J von der Zollkammer in Warschau nicht als Zeugen vernommen habe. Verfahrensfehlerhaft habe sich das FG mit den schriftlichen Stellungnahmen dieser Zeugen vom September bzw. Juli 2005 begnügt. Schriftsätzlich habe die Klägerin darauf hingewiesen, dass eine Verbrauchsteuernummer nicht in jedem Fall vergeben werde, so dass nicht alle berechtigten Empfänger in der SEED-Datei gespeichert seien. Eine Erfassung in der SEED-Datei unterbleibe bei nicht registrierten Empfängern nach Art. 16 Abs. 1 und Abs. 3 SystemRL, die nur gelegentlich bezögen. Der Mitteilung der polnischen Zollverwaltung lasse sich nicht entnehmen, in welcher Datenbank die polnischen Firmen nicht vorhanden seien und welcher Erklärungswert dieser Datenbank im Regelfall zukomme. Deshalb hätte sich dem FG die Vernehmung der Zeugen von Amts wegen aufdrängen müssen. Die Vernehmung hätte möglicherweise ergeben, dass die Abnehmer auch ohne einen Dateieintrag zum Bezug unter Steueraussetzung berechtigt gewesen seien.

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Verfahrensfehlerhaft habe das FG auch von der Vernehmung der Zeuginnen Z und K abgesehen, deren Vernehmung zu dem Ergebnis hätte führen können, dass die belieferte Firma R im streitgegenständlichen Zeitraum als berechtigter Empfänger Mineralöl bezogen habe. Stattdessen habe das FG die Nichtberechtigung der Firma R lediglich damit begründet, dass das Unternehmen seine Nichtberechtigung gegenüber der Klägerin selbst erklärt habe. Fehlerhaft sei die Annahme des FG, dass die sich auf der Berechtigungsurkunde der Firma P befindliche Verbrauchsteuernummer deshalb falsch sei, weil sie mit der Zahl 42 beginne. Der hierzu vernommene Zeuge habe diese Feststellung nur in Bezug auf die Firma F getroffen. Da Ergebnisse von justiziellen Amtshilfeersuchen nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen seien, könnten diese im Revisionsverfahren keine Berücksichtigung finden.

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Schließlich hätte das FG die Sachverhaltsermittlung auch auf die fehlende Leistungsfähigkeit der Klägerin erstrecken müssen. Dabei hätte es erkennen können, dass die Steuer konfiskatorisch in die Vermögenssubstanz der Klägerin eingreife und dass eine Besteuerung nach § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 insoweit ausgeschlossen sei.

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Insgesamt betrachtet sei das FG von einer Sachverhaltsfeststellung ausgegangen, die nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen werde. Dies sei ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO. Die dargestellten Verfahrensmängel seien erst aus den Entscheidungsgründen ersichtlich geworden, so dass eine Rüge in der mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen sei.


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