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Widerstreitende Steuerfestsetzung bei Gewinnfeststellungsbescheiden (BFH IV R 99/06)


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Angesichts der tatbestandlichen Gleichstellung des Inhaltsadressaten des Gewinnfeststellungsbescheides mit dem Steuerschuldner i.S. des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO kann die Klägerin nicht mit ihrem Einwand durchdringen, dass der Personengesellschaft nach der Rechtsprechung eine begrenzte Steuerrechtsfähigkeit zukommt (Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, und vom 11. April 2005 GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679). Die Personengesellschaft/Gemeinschaft ist Steuerrechtssubjekt bei der Qualifikation und der Ermittlung der Einkünfte. Subjekt der Einkünfteerzielung ist hingegen der Gesellschafter/Gemeinschafter (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617). Anders als bei der Gewerbesteuer oder Umsatzsteuer verbleibt es daher bei der Steuerschuldnerschaft des Gesellschafters/Gemeinschafters für die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer. Diesem sind deshalb die einheitlich und gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen zuzurechnen (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO).

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cc) Erkennbarkeit liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige durch sein eigenes Verhalten das FA veranlasst hat, einen Sachverhalt nicht bei ihm, sondern bei einem Anderen zu erfassen. Bei der Frage der Erkennbarkeit muss sich der Steuerpflichtige zudem das Handeln seines steuerlichen Beraters zurechnen lassen (BFH-Urteil vom 21. Februar 1989 IX R 67/84, BFH/NV 1989, 687).

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dd) Ausgehend von diesen Grundsätzen lagen die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 AO für den Erlass der Gewinnfeststellungsbescheide hinsichtlich der Gewinne aus der Grundstückvermietung vor.

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aaa) Das FA hat die Gewinne aus der Grundstücksvermietung nur deshalb nicht als gewerbliche Einkünfte bei der Klägerin gesondert und einheitlich festgestellt, weil es angenommen hat, dass das Grundstück steuerlich dem (Sonder-)Betriebsvermögen der KG zuzuordnen sei. Diese Annahme des FA war für die Gesellschafter der Klägerin schon deshalb erkennbar, da sie das FA selbst veranlasst hatten, die Gewinne aus der Grundstücksvermietung nicht bei der Klägerin, sondern bei der KG als gewerbliche Einkünfte zu erfassen. So wurde das Grundstück in den Jahresabschlüssen der KG betreffend die Streitjahre (ausgehend von der damaligen Rechtsprechung des BFH) als notwendiges (Sonder-)Betriebsvermögen behandelt und die Mieteinnahmen als Sonderbetriebseinnahmen der Gesellschafter der KG erfasst. Auf diese steuerliche Behandlung ist in den jeweiligen Bilanzberichten der KG ausdrücklich hingewiesen worden. Auch sind entsprechende Sonderbilanzen gefertigt worden. Die in den Jahresabschlüssen der KG getroffene Zuordnungsentscheidung ist den Gesellschaftern der Klägerin aufgrund der bestehenden Beteiligungsidentität auch zuzurechnen.

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bbb) Der Rechtmäßigkeit der Gewinnfeststellungsbescheide steht auch nicht entgegen, dass sie zu einem Zeitpunkt erlassen worden sind, als die als fehlerhaft erkannten Gewinnfeststellungsbescheide der KG noch nicht bestandskräftig aufgehoben waren. Anders als bei der Änderung gemäß Â§ 174 Abs. 4 AO (dazu unter b) enthält § 174 Abs. 3 AO keine Regelung dazu, in welcher Reihenfolge die Änderungsbescheide zu erlassen sind (ebenso Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 37).

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b) Ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 174 Abs. 3 AO auch hinsichtlich der Erfassung der Darlehenszinsen vorlagen, kann dahinstehen, denn jedenfalls konnte sich das FA auf § 174 Abs. 4 AO stützen.

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aa) Dass das FA sich auch bezüglich der Erfassung der Darlehenszinsen nur auf § 174 Abs. 3 AO gestützt hat, ist insoweit ohne Bedeutung. Denn maßgeblich ist nicht, auf welche Norm sich das FA berufen hat, sondern ob es überhaupt eine Norm gibt, die den Erlass eines Bescheides gestattet. Die Angabe der Norm ist lediglich Bestandteil der Begründung des Bescheides, deren Fehlerhaftigkeit den Bescheid nicht rechtswidrig macht (BFH-Urteil vom 30. August 2007 IV R 50/05, BFHE 218, 564, BStBl II 2008, 129).

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bb) Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Die Vorschrift regelt die Folgerungen aus einer vorherigen Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides auf Antrag des Steuerpflichtigen zu dessen Gunsten. Erst die Aufhebung oder Änderung löst –„nachträglich“– die Rechtsfolge des § 174 Abs. 4 AO aus, dass ein anderer Bescheid erlassen oder geändert werden kann (BFH-Urteil vom 24. April 2008 IV R 50/06, BFHE 220, 324, BStBl II 2009, 35). § 174 Abs. 4 AO gilt sinngemäß auch für Feststellungsbescheide (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO).

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aaa) Anzuknüpfen ist an die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide der KG betreffend die Streitjahre. Diese beruhten auf der Annahme, dass die Darlehen dem (Sonder-)Betriebsvermögen der Beigeladenen bei der KG und deshalb auch die Zinserlöse als Sonderbetriebseinnahmen bei der KG zu erfassen waren. Diese Beurteilung stellte sich im dagegen von der KG angestrengten Klageverfahren als unrichtig heraus. Die angefochtenen Bescheide dienen mithin dazu, die richtigen steuerlichen Folgen aus dem bei der KG fehlerhaft berücksichtigten Sachverhalt nunmehr bei der Klägerin zu ziehen.

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bbb) Der Erlass der angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide erfolgte auch nachträglich i.S. des § 174 Abs. 4 AO.

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Zwar lagen die Voraussetzungen nach § 174 Abs. 4 AO zu dem Zeitpunkt noch nicht vor, als die vorliegend angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide erlassen wurden. Denn zu diesem Zeitpunkt war das die Gewinnfeststellungsbescheide der KG abändernde Urteil des FG noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Bei Erlass der vorliegend angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide (3. August 2004) bestand daher noch kein Widerstreit. Dies steht der Anwendung des § 174 Abs. 4 AO aber deshalb nicht entgegen, weil das Urteil bis zur Entscheidung über den Einspruch über die Gewinnfeststellungsbescheide der Klägerin in Rechtskraft erwachsen ist.

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Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bei einer Anfechtungsklage ist nämlich grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, vorliegend also den Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung, abzustellen. Lagen zu diesem Zeitpunkt die Tatbestandsvoraussetzungen vor, ist ein vorheriger Mangel der angefochtenen Bescheide durch die Einspruchsentscheidung geheilt (BFH-Urteil in BFHE 220, 324, BStBl II 2009, 35, m.w.N.).



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