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BFH V R 18/08 – Vorlage an den EuGH: Steuerpflichtige Leistung des Forderungskäufers beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen


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12. Bei zahlungsgestörten Forderungen gilt Folgendes: Berücksichtigt die vertragliche Vereinbarung einen für die Wirtschaftsbeteiligten erkennbaren und offen ausgewiesenen kalkulatorischen Teilbetrag für tatsächlich eintretende oder von den Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erwartete Forderungsausfälle, kann dieser bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage entsprechend in Abzug gebracht werden, da der Wesensgehalt dieser Leistung insoweit nicht im Factoring besteht. Bemessungsgrundlage für die Leistung des Factors beim Kauf solcher zahlungsgestörten Forderungen ist die Differenz zwischen dem im Abtretungszeitpunkt nach Ansicht der Parteien voraussichtlich realisierbaren Teil der dem Factor abzutretenden Forderungen (wirtschaftlicher Nennwert) und dem Betrag, den der Factor seinem Anschlusskunden als Preis für diese Forderungen zahlt, abzüglich der in dem Differenzbetrag enthaltenen Umsatzsteuer (§ 10 UStG).

Der wirtschaftliche Nennwert entspricht regelmäßig dem Wert, den die Beteiligten der Forderung tatsächlich beimessen, einschließlich der Vergütung für den Einzug der Forderung und der Delkrederegebühr oder vergleichbarer Zahlungen, die der Factor für das Risiko des Forderungsausfalls erhält und die als Gegenleistung für eine Leistung des Factors anzusehen sind.“

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2. Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts
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Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG bestimmt:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt; …“

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Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG regelt:
„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.“

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Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG bestimmt:
„(1) Die Besteuerungsgrundlage ist:
a) bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen … alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll …“

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Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG ordnen an:
„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer: …
d) die folgenden Umsätze: …
2. die Vermittlung und die Ãœbernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien sowie die Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber,
3. die Umsätze – einschließlich der Vermittlung – im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Ãœberweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen, …“

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3. Zur ersten Vorlagefrage
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In dem vom Senat zu entscheidenden Rechtsstreit kommt es darauf an, ob die Klägerin als Forderungserwerber gegenüber dem Forderungsverkäufer eine oder mehrere Leistungen gegen Entgelt erbrachte, die nach Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Insoweit ist neben den Bestimmungen der Richtlinie 77/388/EWG insbesondere das EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen.

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a) Der EuGH hat im Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 entschieden, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der Forderungen unter Ãœbernahme des Ausfallrisikos aufkauft und seinen Kunden dafür Gebühren berechnet, eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der Art. 2 und Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG ausübt, und daher gemäß Art. 17 dieser Richtlinie zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (erster Leitsatz). Nach dem Wortlaut des EuGH-Urteils MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 (Rn. 49 Satz 1) reicht es für das Vorliegen einer vom Forderungskäufer erbrachten Leistung aus, dass er den Forderungsverkäufer „von der Einziehung der Forderungen und dem Risiko ihrer Nichterfüllung entlastet“.

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b) Der Senat hat Zweifel, ob Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 dahingehend auszulegen sind, dass der Forderungserwerber beim Verkauf zahlungsgestörter Forderungen eine Leistung gegen Entgelt an den Forderungsverkäufer erbringt.

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aa) Dem EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 lag ein Vorabentscheidungsersuchen des Senats zugrunde, bei dem der Forderungserwerb zu einem Kaufpreis erfolgte, der dem Nennwert der Forderungen nach Abzug einer Factoringgebühr von 2 % und einer Delkrederegebühr von 1 %, jeweils bezogen auf den Nennwert der Forderungen, entsprach. Die gemäß Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG erforderliche Entgeltlichkeit der Forderungseinziehung ergab sich in der Rechtssache MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 somit daraus, dass der Erwerber der Forderung berechtigt war, eine Factoring- und eine Delkrederegebühr in Höhe von insgesamt 3 % des Nennwerts der übertragenen Forderungen einzubehalten.

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