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BFH V R 18/08 – Vorlage an den EuGH: Steuerpflichtige Leistung des Forderungskäufers beim Erwerb zahlungsgestörter Forderungen


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bb) Demgegenüber fehlt es nach den Verhältnissen des Streitfalls an einer von den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarung eines Entgelts für eine steuerpflichtige Leistung des Forderungserwerbers. Ein Entgelt für die nach dem EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 (Rdnr. 49 Satz 1) dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegende und nach diesem Urteil auch steuerpflichtige Entlastung von der Einziehung der Forderungen und dem Risiko ihrer Nichterfüllung könnte sich aber aus der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Nennwert der Forderungen oder aus der Differenz zum „wirtschaftlichen Wert“ der Forderungen, wie ihn die Parteien aus steuerrechtlichen Gründen im Kaufvertrag geregelt haben, ergeben.

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(1) Zweifelhaft ist, ob stets eine entgeltliche Leistung anzunehmen ist, wenn eine Forderung mit einem Abschlag auf den Nennwert der Forderung verkauft wird, so dass jeder (endgültige) Forderungsverkauf, bei dem der Forderungserwerber die (nunmehr ihm gehörende) Forderung einzieht und bei dem der Kaufpreis für die Forderungen niedriger ist als der Nennwert, zu einer entgeltlichen Leistung des Forderungserwerbers an den Forderungsverkäufer führt. Wäre dies zutreffend, läge auch beim Verkauf von Forderungen mit einem sehr hohen Ausfallrisiko eine entgeltliche Leistung des Erwerbers vor. Wäre dabei als Entgelt die volle Differenz zwischen Kaufpreis und Nennwert der Forderungen anzusehen, könnte dies dazu führen, dass die für die Leistung des Forderungserwerbers geschuldete Steuer den Kaufpreis für die Forderung übersteigt. Wird z.B. eine Forderung mit einem Nennwert von 100 € aufgrund ihres Ausfallrisikos für 10 % ihres Wertes verkauft, beträgt der Kaufpreis 10 €, während sich aus der Anwendung des im Streitjahr in Deutschland geltenden Steuersatzes von 16 % eine Steuerschuld von 14,40 € ergäbe (= Differenz zwischen Nennwert und Kaufpreis 90 € x 16 %).

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(2) Zweifel, ob im Streitfall die Differenz zwischen dem Kaufpreis (8.034.883 €) und dem Nennwert der Forderungen (15.500.915,16 €) in vollem Umfang als Entgelt für eine Leistung des Forderungserwerbers an den Forderungsverkäufer anzusehen ist, ergeben sich auch aus der Rechtsprechung des EuGH. Danach unterliegt eine Dienstleistung nur dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen ihr und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich aus einem Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die von dem Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 3. März 1994 C-16/93, Tolsma, Slg. 1994, I-743 Rdnr. 13 f.).

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In der Rechtssache MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 rechtfertigte sich die Annahme eines Gegenwerts für die durch den Forderungserwerber erbrachte Leistung daraus, dass die Parteien Gebühren als Gegenwert für die durch den Forderungserwerber erbrachte Leistung ausdrücklich vereinbart hatten. Der Senat bezweifelt nicht, dass von einem Gegenwert auch dann auszugehen ist, wenn anstelle vereinbarter „Gebühren“ ein „Abschlag“ auf den Nennwert der Forderungen vereinbart wird, der aber wie in der Rechtssache MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 ganz oder überwiegend auf der vom Forderungserwerber zu erbringenden Leistung beruht.

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Demgegenüber ergibt sich der im Streitfall vereinbarte Abschlag aus einer Vielzahl von Umständen, die bei der Bemessung des Kaufpreises für die Ãœbertragung der Forderungen von Bedeutung waren. Hierzu gehörte z.B. die u.U. unterschiedliche Einschätzung hinsichtlich der Bonität der Schuldner und der Werthaltigkeit der für die Forderungen gestellten Sicherheiten, denen gerade bei dem im Streitfall vorliegenden Verkauf zahlungsgestörter Forderungen große Bedeutung zukommt, des Weiteren der Zeitpunkt der faktischen Durchsetzbarkeit der Forderungen sowie die hierfür anfallenden Kosten. Die Differenz zwischen Nennwert und Kaufpreis der Forderungen beruht vorrangig auf der Beurteilung der Werthaltigkeit der Forderungen und damit auf einem Umstand, dem in der Rechtssache MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 keine Bedeutung zukam. Umstände, die mit der Einziehung der Forderungen durch den Erwerber zusammenhängen, sind im Streitfall für die Bemessung des Abschlags auf den Kaufpreis der Forderungen von nur untergeordneter Bedeutung.

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(3) Zweifelhaft ist weiter, ob die Differenz zwischen dem von den Parteien vereinbarten wirtschaftlichen Wert der Forderungen (8.956.101 €) und dem Kaufpreis (8.034.883 €) –mit oder ohne Berücksichtigung des von den Parteien angenommenen Zinsanteils (556.293 €)– ein Entgelt für den Forderungseinzug ist.

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Fraglich ist bereits, ob der im BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737, IV Tz. 11. f. vorausgesetzte wirtschaftliche Nennwert auf einer für die Besteuerung unbeachtlichen Fiktion beruht. Damit die Parteien eines Vertrages, bei dem der Käufer an einem Kauf zu einem möglichst niedrigen Kaufpreis und bei dem der Verkäufer an einem Verkauf zu einem möglichst hohen Kaufpreis interessiert ist, einen übereinstimmenden und auch zutreffenden wirtschaftlichen Wert für die zu verkaufenden Forderungen festlegen, müssten sie der jeweiligen Gegenseite ihre eigene wirtschaftliche Kalkulation offenlegen und würden damit ihre kaufmännische Verhandlungsposition schwächen. Dies erscheint wirklichkeitsfremd und führt allenfalls zu einer Schätzung von Einziehungskosten durch die Vertragsparteien, wobei der Finanzverwaltung eine Ãœberprüfung dieser Schätzung kaum möglich sein dürfte.

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Darüber hinaus muss es sich bei dem Entgelt i.S. von Art. 2 Nr. 1 und Art. 11 der Richtlinie 77/388/EWG um einen subjektiven, den im konkreten Fall tatsächlich erhaltenen Wert, nicht aber um einen nach objektiven Maßstäben geschätzten Wert handeln (EuGH-Urteil vom 15. Mai 2001 C-34/99, Primback, Slg. 2001, I-3833, Rdnr. 24). Die nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung erforderliche Vereinbarung eines „voraussichtlich realisierbaren Teils der abgetretenen Forderungen“ (BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737, IV Tz. 11. f.) führt zu einer Bestimmung des Entgelts nach den vermuteten Einziehungskosten und damit zu einer nach „objektiven“ Maßstäben vorzunehmenden Schätzung. Im Ãœbrigen ist fraglich, ob bei einer Regelung, die die Parteien eines Vertrages aus rein steuerrechtlichen Gründen wie denen des BMF-Schreibens in BStBl I 2004, 737, IV Tz. 11. f. treffen, von einer subjektiven, d.h. vertraglichen Vereinbarung eines Entgelts auszugehen ist.

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