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BFH V R 14/08 – Uneinbringliche Entgelte in der Insolvenz – Keine Beendigung der Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters


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1. Der Umsatzsteuer unterliegende Entgeltforderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen an den späteren Gemeinschuldner werden spätestens im Augenblick der Insolvenzeröffnung unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote in voller Höhe uneinbringlich.

2. Wird das uneinbringlich gewordene Entgelt nachträglich vereinnahmt, ist der Umsatzsteuerbetrag erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Das gilt auch für den Fall, dass der Insolvenzverwalter die durch die Eröffnung uneinbringlich gewordene Forderung erfüllt (Änderung der Rechtsprechung).


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AO § 157 Abs. 2
UStG 1999 § 2 Abs. 2, § 17
InsO § 103

Urteil vom 22. Oktober 2009 V R 14/08

Vorinstanz: FG Köln vom 20. Februar 2008 7 K 3972/02 (EFG 2008, 905)

Gründe

I.
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und bis wann zwischen der Einzelfirma des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) und der Firma H-GmbH eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bestanden hat und inwieweit eine im Zusammenhang mit der Insolvenz der H-GmbH erforderliche Berichtigung der Vorsteuer gemäß Â§ 17 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) gegenüber dem Kläger oder gegenüber der H-GmbH zu erfolgen hat.

2
Der Kläger ist Gesellschafter der H-GmbH und deren einziger Geschäftsführer. An diese hatte er seinen zuvor als Einzelunternehmen geführten Dachdeckereibetrieb verpachtet. Die H-GmbH war mit notariellem Vertrag vom 21. Dezember 1970 gegründet worden. Im Streitjahr 2000 betrug das Stammkapital der H-GmbH 500.000 DM. Hieran waren der Kläger mit 460.000 DM und seine Ehefrau mit 40.000 DM beteiligt. Gemäß Â§ 10 des Gesellschaftsvertrags gewährten je 100 DM eines Geschäftsanteils eine Stimme in der Gesellschafterversammlung; Beschlussfassungen bedurften der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

3
Bereits seit dem 30. April 1971 bestand ein Pachtvertrag zwischen der H-GmbH und dem Kläger und seiner Ehefrau über die in deren Eigentum stehenden Grundstücke und Gebäude.

4
Am 30. Mai 1990 schloss der Kläger mit der H-GmbH einen Mietvertrag über gewerbliche Räume betreffend das Grundstück M-Straße 42. Mietgegenstand war eine Hoffläche, ein Bürogebäude sowie eine Werkhalle. Die vermietete Fläche betrug 1 200 qm. Der Mietzins betrug aufgrund der letzten Vereinbarung zwischen dem Kläger und der H-GmbH zum 1. Januar 1993 monatlich 10.000 DM.

5
Daneben bestand ein Mietvertrag zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau als Vermietergemeinschaft und der H-GmbH über das Grundstück M-Straße 40, auf dem sich eine am 15. November 1995 fertig gestellte Werkhalle befand. Die Vermietung aufgrund des am 14. November 1995 abgeschlossenen Vertrages erfolgte ab 15. November 1995 für einen Mietzins von 4.000 DM monatlich zuzüglich Nebenkosten in Höhe von 600 DM.

6
Mit Beschluss vom 23. März 2000 aufgrund des Antrags der H-GmbH vom selben Tag ordnete das Amtsgericht B-Stadt zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse und zur Aufklärung des Sachverhalts gemäß Â§Â§ 21, 22 der Insolvenzordnung (InsO) unter anderem an, dass Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß Â§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO wirksam seien. Im Ãœbrigen war er ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen.

7
Mit Beschluss vom 28. April 2000 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der H-GmbH. Ausweislich der Bilanz zum 28. April 2000 betrugen die Verbindlichkeiten der H-GmbH aus Lieferungen und Leistungen zu diesem Zeitpunkt 540.477 DM. Es handelte sich dabei um Verbindlichkeiten aus Leistungen, die dem umsatzsteuerlichen Regelsteuersatz unterlagen.

8
Im Rahmen einer für die Monate Januar bis April 2000 beim Kläger durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Prüfer von einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zwischen dem Kläger und der H-GmbH und davon aus, dass im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung Verbindlichkeiten der H-GmbH in Höhe von brutto 450.000 DM beständen. Gemäß § 17 UStG seien daher vom Kläger Vorsteuerbeträge in Höhe von 62.068,96 DM zurückzufordern. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) folgte dem in einem nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für den Monat April 2000.

9
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in „Entscheidungen der Finanzgerichte“ 2008, 905 veröffentlicht.

10
Während des Klageverfahrens erging am 3. Juni 2004 der Umsatzsteuerjahresbescheid für 2000, in dem die Vorsteuer nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG um 16 v.H. der zum 28. April 2000 noch bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 540.477 DM, mithin um einen Betrag in Höhe von 86.476,32 DM berichtigt wurde.

11
Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FG im Wesentlichen aus, das FA sei zu Recht davon ausgegangen, dass bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 28. April 2000 zwischen dem Kläger und der H-GmbH eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bestanden habe, die Uneinbringlichkeit der gegen die H-GmbH gerichteten Forderungen aus Lieferungen und Leistungen spätestens zu diesem Zeitpunkt eingetreten sei und dass sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch gemäß Â§ 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 UStG gegen den Kläger als Organträger richte.


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