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Feststellungsbescheid über eine bestandskräftige Steuerfestsetzung im Insolvenzverfahren (BFH VII R 48/07)


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b) Wird die angemeldete Forderung gemäß Â§ 178 Abs. 1 Satz 1 InsO vom Insolvenzverwalter oder von einem anderen Gläubiger bestritten, hat im Regelfall der Gläubiger gemäß Â§ 179 Abs. 1 InsO die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben. Liegt für die Forderung indes ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, obliegt es nach § 179 Abs. 2 InsO dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen. Die Vorschrift entspricht § 146 Abs. 6 der Konkursordnung (KO). Danach war der Widerspruch gegen eine Forderung, für welche ein mit der Vollstreckungsklausel versehener Schuldtitel, ein Endurteil oder ein Vollstreckungsbefehl vorlag, vom Widersprechenden zu verfolgen.

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Ein im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits ergangener Steuerbescheid ist ein vollstreckbarer Schuldtitel i.S. des § 179 Abs. 2 InsO (Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 10. August 1993 VII B 46/91, BFH/NV 1994, 293, zu § 146 KO; ebenso Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rz 424). Steuerbescheide sind titulierte Forderungen i.S. des § 179 Abs. 2 InsO, da ihre Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit durch die Einlegung von Rechtsmitteln grundsätzlich nicht gehemmt wird (vgl. § 361 Abs. 1 AO und § 69 Abs. 1 FGO) und sie daher wie diese vollstreckbar sind (§ 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1, § 254 Abs. 1 AO).

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c) Die Betreibenspflicht des Widersprechenden nach § 179 Abs. 2 InsO bedeutet aber nicht, dass der Gläubiger gehindert ist, seinerseits die Feststellung seiner Forderung zu verfolgen, wenn der Insolvenzverwalter an seinem Widerspruch festhält. Nach der zu den entsprechenden Vorschriften des § 146 Abs. 6 KO und des § 11 Abs. 3 Satz 2 der Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bleibt es dem Gläubiger unbenommen, im Klagewege die Feststellung seiner titulierten Forderung zur Konkurstabelle durchzusetzen. Der Senat teilt die Auffassung, dass diese Regelungen dem Gläubiger, der einen Titel erwirkt hat, nur die Verpflichtung abnehmen, ein Verfahren zu betreiben, ihm aber nicht die Befugnis dazu entziehen (vgl. BGH-Urteil vom 29. Juni 1998 II ZR 353/97, BGHZ 139, 132; ebenso MünchKomm-InsO/Schumacher, 2. Aufl., § 179 Rz 43).

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d) Die Feststellung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis erfolgt nicht nach § 180 Abs. 1 InsO im ordentlichen Verfahren, sondern ist gemäß § 185 Satz 1 InsO vom FA als zuständiger Verwaltungsbehörde vorzunehmen. Der Erlass eines Feststellungsbescheids kommt nach § 185 Satz 1 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO „erforderlichenfalls“ in Betracht. Bei Widerspruch des Insolvenzverwalters gegen einen bestandskräftigen Steuerbescheid kann einem Feststellungsbescheid mangelnde Erforderlichkeit nicht entgegengehalten werden. Denn durch die Regelungen in § 179 Abs. 2 InsO wird ebenso wenig wie in § 146 Abs. 6 KO und § 11 Abs. 3 Satz 2 GesO ausgesprochen, dass ein Titel automatisch zur Teilnahme an der Verteilung berechtigt. Dem FA als Vollstreckungsgläubiger muss die Möglichkeit verbleiben, die durch das Bestreiten verursachte Ungewissheit über sein Recht zu beenden (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 139, 132).

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Das BFH-Urteil vom 23. Februar 2005 VII R 63/03 (BFHE 209, 23, BStBl II 2005, 591) in dem der Senat den Erlass eines Feststellungsbescheids bei Vorliegen eines Steuerbescheids für rechtswidrig erklärt hat, steht dem nicht entgegen. In jenem Verfahren hatte der Insolvenzverwalter nicht der Feststellung einer bestandskräftigen, sondern der einer angefochtenen Steuerfestsetzung zur Tabelle widersprochen. Nach Auffassung des Senats war dort für die gesonderte Geltendmachung des Steueranspruchs als Insolvenzforderung durch Feststellungsbescheid gemäß Â§ 251 Abs. 3 AO neben einem fortzuführenden Rechtsbehelfsverfahren kein Raum, weil Gegenstand der Einspruchsentscheidung in einer solchen Konstellation nicht nur die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Bescheids, sondern auch die rechtmäßige Beanspruchung einer Steuerforderung als Insolvenzforderung ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. November 1987 V R 133/81, BFHE 151, 345, BStBl II 1988, 199). Liegt demgegenüber bei Verfahrenseröffnung nach §§ 164, 168 AO eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung vor, die zu einem Schuldtitel i.S. des § 179 Abs. 2 InsO führt, ist der Feststellungsstreit bei Steuerforderungen in der Weise auszutragen, dass das FA das Bestehen der angemeldeten Forderungen durch Bescheid feststellt (§ 185 Satz 1 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO). Gegenstand des Feststellungsbescheids ist nicht die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Steuerbescheids. Sein Regelungsinhalt geht vielmehr dahin, dass dem Steuergläubiger eine bestimmte Steuerforderung als Konkurs- bzw. Insolvenzforderung zusteht (so schon BFH-Urteil in BFHE 151, 345, BStBl II 1988, 199). Im Rahmen dieser Feststellung ist die Begründetheit des vom Insolvenzverwalter erhobenen Widerspruchs zu prüfen. Anders als im Fall eines fortzuführenden Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahrens besteht hier nicht die Gefahr, dass zwei voneinander unabhängige Rechtsbehelfsverfahren über dieselben Steuerforderungen betrieben und der Schuldner zwei parallel zu führenden Verfahren ausgesetzt wird (vgl. auch Abschn. 60 Abs. 7 der Vollstreckungsanweisung).

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2. Das Urteil des FG entspricht nicht den vorstehenden Grundsätzen und verstößt daher gegen § 251 Abs. 3 AO. Ist im Feststellungsbescheid über die rechtmäßige Beanspruchung einer Steuerforderung als Insolvenzforderung und über die wirksame Anmeldung zur Tabelle zu entscheiden, ist der Erlass eines Feststellungsbescheids auch dann erforderlich, wenn der Bestreitende wie im Streitfall seinen Widerspruch auf die von ihm behauptete Unwirksamkeit der Forderungsanmeldung durch das FA stützt.

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3. Die Sache ist spruchreif, da der Senat in der Sache selbst entscheiden kann. Das FA hat in dem von ihm erlassenen Feststellungsbescheid die Wirksamkeit der Forderungsanmeldung zu Recht bejaht, so dass das Urteil des FG, soweit es diesen Bescheid aufgehoben hat, seinerseits aufzuheben und die Klage abzuweisen war.

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Das ursprünglich für die Besteuerung der GmbH zuständige Finanzamt J war gemäß Â§ 29 AO auch für die Anmeldung nach § 174 InsO zuständig. Nach § 29 AO ist bei Gefahr im Verzug für unaufschiebbare Maßnahmen jede Finanzbehörde örtlich zuständig. Dies setzt voraus, dass die Zuständigkeit entweder nicht sofort eindeutig zu klären ist oder eine sonst nicht zu bewältigende Notsituation vorliegt (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2001 III R 13/00, BFHE 197, 12, BStB1 II 2002, 406). Im Streitfall bestand eine derartige Notsituation, da das AG mit Beschluss vom 1. März 2006 zur Abgabe der Forderungsanmeldung bis zum 18. April 2006 aufgefordert hatte. Unter diesen Umständen war das Finanzamt J für die Forderungsanmeldung örtlich zuständig, da bei einer Abgabe an das FA die naheliegende Gefahr einer verspäteten Forderungsanmeldung bestand.

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Auf die Frage einer analogen Anwendung des § 127 AO auf Anmeldungen nach § 174 InsO kommt es daher ebenso wenig an wie auf die erst mit Wirkung zum 29. Dezember 2007 eingeführte Zuständigkeitsregelung für Insolvenzfälle nach § 26 Satz 3 AO.

Quelle: Bundesfinanzhof


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