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Anspruch auf Kindergeld für ein arbeitsloses, behindertes Kind (BFH III R 50/07)


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b) Ein behindertes Kind kann sowohl wegen der Behinderung als auch wegen der allgemeinen ungünstigen Situation auf dem Arbeitsmarkt oder wegen anderer Umstände (z.B. mangelnder Mitwirkung bei der Arbeitsvermittlung, Ablehnung von Stellenangeboten) arbeitslos und damit außerstande sein, sich selbst zu unterhalten. Ein Anspruch auf Kindergeld besteht nur dann, wenn die Behinderung nach den Gesamtumständen des Einzelfalles in erheblichem Umfang mitursächlich dafür ist, dass das Kind nicht seinen (gesamten) Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten kann (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BFH/NV 2009, 638, unter II.1.b c, m.w.N.).


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c) Nicht ursächlich ist die Behinderung in der Regel bei einem Grad der Behinderung von weniger als 50. Bei einem Grad der Behinderung von 50 –wie im Streitfall– oder mehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeschlossen erscheint. Ist im Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch oder im Feststellungsbescheid das Merkmal „H“ (hilflos) eingetragen, kann grundsätzlich eine Ursächlichkeit angenommen werden (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BFH/NV 2009, 638, unter II.1.b, m.w.N.).

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d) Als Indiz dafür, ob das Kind seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten kann, kommen Feststellungen in ärztlichen Gutachten –der Reha/SB-Stelle der Agentur für Arbeit oder eines vom Gericht beauftragten ärztlichen Sachverständigen– in Betracht, in welchem Umfang das Kind nach Art und Schwere seiner Behinderung in der Lage ist, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BFH/NV 2009, 638, unter II.2.a, m.w.N.).

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e) Ein Indiz für eine Vermittelbarkeit des behinderten Kindes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kann z.B. auch eine –nicht behinderungsspezifische– Berufsausbildung sein (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BFH/NV 2009, 638, unter II.2.d).

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f) Steht das behinderte Kind der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit zur Verfügung und kann die Agentur in einem mittelfristigen Zeitraum keine Stellenangebote benennen oder hat sich das behinderte Kind mittelfristig mehrfach erfolglos beworben, wird dies in der Regel gegen dessen Vermittelbarkeit sprechen und somit dafür, dass die Behinderung in erheblichem Umfang mitursächlich war für die mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BFH/NV 2009, 638, unter 2.e).

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2. Die Entscheidung über die Mitursächlichkeit hat das FG als Tatsacheninstanz unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles und unter Abwägung der für und gegen eine Mitursächlichkeit sprechenden Indizien zu treffen. Das Urteil des FG, das vor dem Grundsatzurteil des Senats in BFHE 223, 365, BFH/NV 2009, 638 ergangen ist, war aufzuheben, weil das FG bei seiner Entscheidung nicht alle zu berücksichtigenden Umstände und Indizien in seine Würdigung einbezogen hat. Es hat daher nicht in der gebotenen Gesamtwürdigung geprüft, ob die Behinderung in erheblichem Umfang mitursächlich dafür war, dass T keinen Arbeitsplatz gefunden hat. Insbesondere reicht die pauschale Feststellung allein nicht aus, T hätte bei einer Anstellung mit einer Arbeitszeit von 20 Wochenstunden in ihrem erlernten Beruf mit dem Arbeitslohn ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

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Kommt das FG bei erneuter Würdigung des Sachverhalts nach den Kriterien des Senatsurteils in BFHE 223, 365, BFH/NV 2009, 638 zu dem Ergebnis, die Behinderung sei nicht in erheblichem Umfang mitursächlich dafür gewesen, dass T keine Arbeit gefunden hat, hat es zu ermitteln, wie hoch der tatsächliche Lebensbedarf (Grundbedarf und behinderungsbedingter Mehrbedarf) von T gewesen ist und ob der in der Regel für eine Tätigkeit von 20 Wochenstunden gezahlte Arbeitslohn ausgereicht hätte, um den gesamten Lebensbedarf von T zu finanzieren.

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Nimmt das FG dagegen eine –einen Kindergeldanspruch begründende– erhebliche Mitursächlichkeit an, hat es zu prüfen, ob der Kläger auch nach der Heirat von T im Februar 2003 noch zum Bezug von Kindergeld berechtigt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs würde dem Kläger wegen der vorrangigen Unterhaltspflicht des Ehepartners Kindergeld nur zustehen, wenn dessen Einkünfte für den vollständigen Unterhalt des Kindes nicht ausgereicht hätten (Senatsurteil vom 19. April 2007 III R 65/06, BFHE 218, 70, BStBl II 2008, 756, m.w.N.). Entgegen der Ansicht des FG lässt allein die Heirat des Kindes den Kindergeldanspruch nicht zwingend entfallen.

Quelle: Bundesfinanzhof


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