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Steuerfreie Leistungen eines Orchestermusikers gegenüber seinem Orchester (BFH V R 28/08)


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Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Die Bescheinigung der Bezirksregierung X vom 23. Januar 2006 entspreche nicht den Anforderungen des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG. Denn mit ihr werde die Gleichartigkeit der Leistungen nur bescheinigt, soweit die dort genannten Künstler in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Orchesters tätig würden. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG berechtige den Unternehmer jedoch nicht zur Wahl, bestimmte Auftrittsleistungen als steuerfrei, andere hingegen –freiwillig, oder weil insoweit keine Erfüllung vergleichbarer kultureller Aufgaben stattfinde– als steuerpflichtig zu behandeln, sondern komme zwingend nur dann zur Anwendung, wenn der Einzelkünstler mit seiner Gesamttätigkeit die vergleichbaren kulturellen Aufgaben erfülle. Die Leistungen der in Rede stehenden Musiker gleichwohl als steuerfrei zu behandeln, widerspräche Zweck und Anforderungen des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG, der gleichartige Einrichtungen nur ganz oder gar nicht von der Umsatzsteuer befreie, wenn ihnen insgesamt eine den öffentlichen Einrichtungen vergleichbare kulturelle Stellung zukomme. Dass dies der Fall sei, lasse sich der vorliegenden Bescheinigung gerade nicht entnehmen.


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Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

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Der Hinweis des FA, die betreffende Bescheinigung müsse einen Hinweis auf die Gesamttätigkeit des Einzelkünstlers beinhalten, sei unzutreffend. Ein Künstler, der im privatwirtschaftlichen Bereich tätig sei, könne eine Vielzahl von unterschiedlichen Leistungen erbringen, die jeweils gesondert im Sinne der Gleichartigkeit zu prüfen seien. Im Rahmen ihrer Tätigkeit für das Orchester erbrächten die Künstler als Mitglieder des Orchesters des Klägers die gleichen Aufgaben wie ein öffentlich-rechtliches Orchester. Die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde umfasse daher alle im Orchester des Klägers mitwirkenden Künstler.

II.
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Die Revision des FA ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

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Das FG geht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Klägers nach § 13b UStG für die ihm gegenüber erbrachten Leistungen der im Ausland ansässigen Musiker seines Orchesters deswegen nicht vorlagen, weil die Leistungen der Musiker steuerfrei waren. Die Leistungen der Musiker waren zwar nicht nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG, jedoch nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei.

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1. Nach § 13b Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 UStG schuldet der Leistungsempfänger die Steuer für Werklieferungen und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall nicht vor, weil die vom Kläger bezogenen Leistungen der im Ausland ansässigen Musiker steuerfrei waren.

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2. Die Leistungen des Klägers waren nicht nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG steuerfrei.

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Nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG sind die Umsätze u.a. der Chöre, Orchester und Kammermusikensembles und der sonstigen in dieser Vorschrift genannten Einrichtungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände steuerfrei. Das Gleiche gilt für die Umsätze gleichartiger Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen (§ 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG).

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Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer eine einem Chor, einem Orchester oder einem Kammermusikensemble etc. gleichartige Einrichtung unterhält. Das Mitglied eines Chors, eines Orchesters oder eines Kammermusikensembles ist aber dem Chor, Orchester oder Kammermusikensemble in seiner Gesamtheit nicht gleichartig. Denn den Begriffen der Chöre, Orchester oder Kammermusikensembles ist es wesensimmanent, dass es sich um Einrichtungen handelt, in denen eine Mehrzahl von Personen tätig ist. Der eindeutige Wortlaut des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG lässt folglich die Einbeziehung einzelner Personen nicht zu.

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3. § 4 Nr. 20 UStG beruht gemeinschaftsrechtlich auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Richtlinie 77/388/EWG. Danach befreien die Mitgliedstaaten „bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten Einrichtungen erbracht werden“, von der Steuer.

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Der Senat braucht nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht zu entscheiden, ob und inwieweit für die Mitgliedstaaten ein Ermessen besteht, für „bestimmte kulturelle Dienstleistungen“ eine Steuerfreiheit anzuordnen und andere kulturelle Dienstleistungen von der Steuerfreiheit auszunehmen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) sind die Mitgliedstaaten jedenfalls nicht berechtigt, bei der Definition der kulturellen Dienstleistungen danach zu differenzieren, ob eine kulturelle Leistung im Bereich der Musik durch einen oder mehrere Musiker erbracht wird. Denn wie der EuGH mit Urteil vom 3. April 2003 C-144/00, Hoffmann (Slg. 2003, I-2921, BFH/NV Beilage 2003, 153) entschieden hat, können nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Richtlinie 77/388/EWG auch Leistungen einzelner Musiker steuerfrei sein. Nach Rdnr. 27 des Urteils „verbietet es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, dass Einzelkünstler, sobald der kulturelle Charakter ihrer Leistungen anerkannt ist, nicht ebenso wie kulturelle Gruppen als Einrichtungen angesehen werden können, die den Einrichtungen des öffentlichen Rechts gleichgestellt sind, die bestimmte von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe n der Sechsten Richtlinie erfasste kulturelle Dienstleistungen anbieten“. Da eine unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung von Gesangssolisten und kulturellen Gruppen durch Auslegung des Begriffs der „Einrichtung“ nach der Rechtsprechung des EuGH nicht zu rechtfertigen ist, hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Anschluss hieran zu Recht entschieden, dass „die im Rahmen der Konzertveranstaltungen erbrachten Leistungen der ausführenden Gesangssolisten gegenüber dem Veranstalter ebenso steuerfrei [sind] wie die gesamte konzertante Veranstaltung“, wenn die zuständige Kulturbehörde –wie in dem vom BGH entschiedenen Streitfall– dem Konzertveranstalter eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG erteilt (BGH-Urteil vom 18. Juni 2003 5 StR 169/00, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2003, 545, unter B.).


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