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BFH Urteil VIII R 79/06 IT-Projektleiter als freier Beruf


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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es schließt sich den Ausführungen im angegriffenen Urteil an.

II.
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Die Revision ist begründet. Der Senat entscheidet gemäß Â§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache und gibt der Anfechtungsklage statt. Die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide sind rechtwidrig. Der Kläger unterhielt in den Streitjahren keinen Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 EStG), sondern er war freiberuflich tätig.


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1. Eine freiberufliche Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG übt auch aus, wer einem dem Ingenieurberuf ähnlichen Beruf nachgeht. Der ähnliche Beruf muss dem Beruf des Ingenieurs sowohl hinsichtlich der erforderlichen Berufsausbildung als auch hinsichtlich der tatsächlich entfalteten Tätigkeit im Wesentlichen gleichen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteil vom 9. Februar 2006 IV R 27/05, BFH/NV 2006, 1270, m.w.N.).

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a) Nach den von den Beteiligten nicht angegriffenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG verfügte der Kläger als Autodidakt über Kenntnisse und Fähigkeiten, die in Breite und Tiefe denen eines Diplom-Informatikers entsprachen. Er erfüllte damit die in der Rechtsprechung konkretisierten Anforderungen an eine vergleichbare Berufsausbildung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 VIII R 27/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2009, 898).

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b) Der Kläger war in den Streitjahren auch wie ein Ingenieur tätig. Die für seinen Beruf prägenden Tätigkeiten waren mit für den Beruf eines Informatik-Ingenieurs typischen Tätigkeiten im Wesentlichen vergleichbar. Welche Aufgaben für den Beruf des Ingenieurs i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG typisch sind, bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung und unterliegt insoweit umfassender revisionsrechtlicher Nachprüfung. Hingegen ist die Feststellung, ob die vom Steuerpflichtigen tatsächlich entfaltete Tätigkeit in diesem Sinne ingenieurtypisch geprägt ist, Aufgabe des FG (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), an dessen tatsächliche Feststellungen der BFH grundsätzlich gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO).


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aa) Eine Tätigkeit als Ingenieur zeichnet sich dadurch aus, dass sie durch die Wahrnehmung von für den Ingenieurberuf typischen Aufgaben geprägt wird. Zu den Aufgaben eines Ingenieurs gehört es, auf der Grundlage naturwissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse und unter Berücksichtung wirtschaftlicher Belange technische Werke zu planen, zu konstruieren und ihre Fertigung zu überwachen (BFH-Urteil vom 5. Juni 2003 IV R 34/01, BFHE 202, 336, BStBl II 2003, 761, m.w.N.). Typisch für den Beruf des Ingenieurs sind aber auch überwachende, kontrollierende und rein beratende Tätigkeiten, soweit sie nicht auf bloße Absatzförderung gerichtet sind (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1270). Kernbereiche des Ingenieurberufs sind danach Forschung und Lehre, Entwicklung, Konstruktion, Planung, Fertigung, Montage, Inbetriebnahme und Instandhaltung, Vertrieb, Beratung, Versuchs- und Prüfungswesen, technische Verwaltung und Betriebsführung, Produktions- und Prozesssteuerung, Sicherheit, Patent- und Normenwesen (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juni 1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584; vom 7. September 1989 IV R 156/86, BFH/NV 1991, 359; Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl., Stichwort „Ingenieur“; www.wikipedia.de, Stichwort „Ingenieur“, Abschn. Berufsbild).

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bb) Auf dem Gebiet der EDV und der Informationstechnik gehören zu den Tätigkeiten von Ingenieuren nicht nur die Entwicklung und Konstruktion von Hard- und Software. Die Tätigkeit eines Ingenieurs umfasst auch die Entwicklung von Betriebssystemen und ihre Anpassung an die Bedürfnisse des Kunden, die rechnergestützte Steuerung, Ãœberwachung und Optimierung industrieller Abläufe, den Aufbau, die Betreuung und Verwaltung von Firmennetzwerken und -servern, die Anpassung vorhandener Systeme an spezielle Produktionsbedingungen und Organisationsstrukturen sowie die Bereitstellung qualifizierter Dienstleistungen, wie etwa Benutzerservice und Schulung. Informatik-Ingenieure arbeiten u.a. auch in der Netz- und Systemadministration, sie beurteilen die Leistungsfähigkeit von Rechnernetzen oder bewerten die Energieeffizienz bestehender Systeme (zum Ganzen: Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit, abrufbar unter www.berufenet.arbeitsagentur.de, Berufe „Ingenieur – Elektrotechnik/technische Informatik“ und „Ingenieurinformatik“).


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cc) Für die tatsächliche Ausübung eines ähnlichen Berufs gilt nichts anderes. Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob eine vergleichbare Tätigkeit auch vorliegt, wenn die Berufstätigkeit des Steuerpflichtigen nicht in jeder Hinsicht derjenigen eines Ingenieurs entspricht und welche Anforderungen in diesem Fall an die erforderliche Ähnlichkeit zu stellen sind.



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