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Begrenzung der Leiharbeit РMehr Mitbestimmung РMindestl̦hne РSozialer Arbeitsmarkt


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Das SPD-Präsidium hat auf seiner heutigen Sitzung folgenden Beschluss gefasst:

I. Der Arbeit gerecht werden.
Die Gerechtigkeits- und Moralvorstellungen, die aus der Erfahrung der Arbeit erwachsen, prägen unsere Kultur und das politische Denken.


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Das gilt besonders für die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Von der Arbeit her entwickeln wir unsere politischen Forderungen. Von der Arbeit her bilden wir unser Verständnis der Welt.

In einer so sehr auf Arbeit gegründeten Gesellschaft ist die seit Anfang der achtziger Jahre hohe Zahl Arbeit suchender Bürgerinnen und Bürger, nicht nur für die von diesem Schicksal betroffenen Bürgerinnen und Bürger bedrückend, sondern auch eine moralische Katastrophe.

Eine demokratische Marktwirtschaft darf sich deshalb niemals mit der Arbeitslosigkeit von Millionen ihrer Bürgerinnen und Bürger abfinden.

Es ist das Verdienst sozialdemokratischer Arbeitsmarktreformen – nicht nur in Deutschland – seit der Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts, den Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit aufgenommen zu haben.
Aktivierung Arbeit suchender Bürgerinnen und Bürger und die Ãœberwindung verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit standen im Mittelpunkt der Konzepte.

In Deutschland waren die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und die Einbeziehung der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger in die Arbeitsförderung richtige Weichenstellungen. Auch die Neuausrichtung der ehemaligen Bundesanstalt für Arbeit,

die Intensivierung der Vermittlung und die Hilfe aus einer Hand haben sich bewährt. Die Begrenzung der weit verbreiteten Praxis der frühen Verrentung war eine vernünftige Anpassung an die steigende Lebenserwartung.

Auch wenn die Arbeitslosigkeit in vielen Ländern zurück ging, ist doch unübersehbar, dass die überall eingeleiteten Reformen gerade bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Akzeptanzprobleme stießen. In den skandinavischen Ländern, sicher auch wegen der anderen Gewichtung der Reformschwerpunkte, weniger als in Deutschland.

Sucht man nach den Ursachen dieser Ablehnung wird schnell deutlich, dass die Skepsis Vieler gerade jenen Bestandteilen der Reformen galt und gilt, die, weil eindimensional auf das Ziel der Aktivierung ausgerichtet, mit den Gerechtigkeits- und Moralvorstellungen unserer Arbeitskultur nicht in Einklang stehen. Wer arbeitet, will ordentlich zurechtkommen und ein gutes und sicheres Leben führen können. Wer willens ist, seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu verdienen, will sich auf hinreichende gesellschaftliche Solidarität verlassen können, wenn dies aus Gründen, für die er nichts kann, nicht gelingt. Und so haben einige Veränderungen ein kulturell tief verankertes Gerechtigkeitsverständnis der deutschen Bevölkerung verletzt, demzufolge die Lebensleistung einer Erwerbsbiografie auch im Sozialsystem angemessen zu berücksichtigen ist. Und sicher wären die anstrengenden Bestandteile der Arbeitsvermittlungsreform besser akzeptiert worden, wenn sie von vorneherein mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn verbunden gewesen wäre. Gerade weil das Ziel, eine von der Arbeit aller getragene Zukunft zu eröffnen, nicht aufgegeben werden darf, kann die SPD sich selbst nicht schonen. Sie muss solche Fehler erkennen und auch Korrekturen vorschlagen.

Eine weitere – globale – Entwicklung der letzten Zeit darf nicht übersehen werden. Die Einkommen der Arbeitnehmermittelschichten sind überall in Westeuropa, Nordamerika, Japan, Australien/Neuseeland unter Druck geraten. Viele müssen mit nur mäßig steigenden oder sogar sinkenden Löhnen zurechtkommen. Diese Entwicklung hat – wenn auch nicht ausschließlich – ökonomische Ursachen. Sie erzeugt anhaltenden Verdruss. Und das bekamen und bekommen auch sozialdemokratisch geprägte Regierungen zu spüren, wo es ihnen nicht gelingt, diesen Trend umzukehren.

Nach drei Jahrzehnten, die von einem Ãœberangebot an Arbeitskräften geprägt waren, stehen nun in Deutschland drei Jahrzehnte bevor, die vor allem durch einen Mangel an ausreichend qualifizierten Arbeitskräften geprägt sein werden. Das liegt an langfristigen demografischen Veränderungen. Viele Beschäftigte erreichen das Rentenalter. Und es treten nicht genügend Junge in das Arbeitsleben ein. Allerdings ist damit keineswegs ausgemacht, dass die immer noch hohe Massenarbeitslosigkeit von alleine verschwindet. Vielmehr droht Deutschland zugleich ein den Wohlstand der Nation gefährdender Mangel geeigneter Arbeitskräfte und eine fortgesetzt hohe Zahl nicht genügend qualifizierter Arbeitsloser. Denn die Zahl der Arbeitsplätze, die für Arbeitsuchende mit geringer Qualifikation in Betracht kommen, nimmt ab. Die Zahl der gering Qualifizierten aber keineswegs. Eher umgekehrt.

Doch die veränderten Rahmenbedingungen der kommenden Zeit bieten auch die große Chance, die Massenarbeitslosigkeit und die von ihr ausgehende Bedrohung der Moral einer auf Arbeit gegründeten Gesellschaft zu überwinden. Voraussetzung ist jedoch, dass die Anstrengungen zur Qualifizierung der in Deutschland lebenden Bevölkerung dramatisch gesteigert werden. Die Jungen müssen mindestens mit Schulabschluss und einer Berufsausbildung in das Arbeitsleben starten. Viele müssen studiert haben. Viele derjenigen, die schon im Arbeitsleben stehen, müssen ihre berufliche Qualifikation verbessern. Dann kann es gelingen, dass der künftige Bedarf unserer Volkswirtschaft nach qualifizierter Arbeit gedeckt werden kann, und dass die Zahl der gering qualifizierten Arbeitskräfte das Angebot an solchen Arbeitsplätzen nicht wie heute übersteigt.

Eine solche Trendwende ist möglich. Aber nur, wenn nicht nur die Arbeit, sondern auch diejenigen geschätzt werden, die arbeiten. Und wenn von denen, die arbeiten, die Rede ist, geht es keineswegs nur um Arbeitnehmer/innen, um Arbeiter/innen und Angestellte, sondern auch um viele Selbständige, Freelancer, um Ingenieurinnen, Manager und viele aus den Leistungseliten. Es geht um eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren. Es geht um die Ãœberwindung der nach wie vor bestehenden Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern. Es geht um die ungenutzten Talente vieler Migrant/innen. Wir brauchen eine neue Kultur der Arbeit.


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Das ist ein sozialdemokratisches Projekt. Es hat ein klares Programm: Der Arbeit gerecht werden!

Klar ist auch: Das Ziel Vollbeschäftigung ist alleine mit arbeitsmarktpolitischen Mitteln nicht erreichbar. Wie und wo Arbeitsplätze entstehen können, wird in einer Zukunftswerkstatt mit diesem Schwerpunkt verhandelt. Und es bestehen auch vielfältige Schnittstellen zwischen Arbeitsmarktpolitik und Fragen der Bildung und der Situation von Kindern und Jugendlichen in unserem Land.

II. Warum wir etwas ändern müssen.
Der deutsche und der europäischen Arbeitsmarkt sind unfair geworden. Globaler Wettbewerb und die Wirtschafts- und Finanzkrise bringen die Arbeitsmärkte unter Druck. Weltweit steigt die Arbeitslosigkeit wieder an, auch in Deutschland, und Armutslöhne breiten sich aus. 20 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten in Deutschland im sogenannten „Niedriglohnsektor“. Ãœber 5 Millionen Menschen arbeiten für weniger als 8 Euro pro Stunde. Mindestens 1,2 Millionen arbeiten für weniger als 5 Euro pro Stunde. Und mindestens 1,3 Millionen Menschen müssen nach der Arbeit noch staatliche Unterstützung erhalten, weil ihre Löhne zu niedrig sind, um wenigstens das gesetzliche Existenzminimum abzusichern (sogenannte „Aufstocker“). Unter diesen Menschen im „Niedriglohnsektor“ wächst die Zahl von qualifizierten Arbeitskräften.


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