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Angela Merkel und die Kobra-Plage



Berlin (ots) РIn einer indischen Provinz herrschte einst eine Kobra-Plage. Um der vielen Schlangen Herr zu werden, kam der Maharadscha auf eine scheinbar kluge Idee: Er wollte seine Untertanen motivieren, das Problem selbst zu l̦sen.


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Eine Kopfprämie wurde ausgesetzt, pro Kobra gab es Geld. Und was geschah? Verschwanden die Schlangen, weil die Menschen ihnen systematisch nachstellten? Von wegen. Das Gegenteil passierte: Immer mehr der giftigen Reptilien schlängelten umher; zugleich explodierten die Ausgaben. Die Menschen hatten sich ökonomisch verhalten: Schlangen bedeuteten eine lukrative Einnahmequelle, also wurden sie überall gezüchtet. Die an sich gute Idee mit der Prämie verkehrte sich ins Gegenteil. Es ist nicht erwiesen, ob die Kobra-Geschichte so stattgefunden hat. Aber sie dient Generationen von Soziologen, ein Phänomen moderner Gesellschaften zu illustrieren: die unerwünschten Folgen sozialen Handelns. Das Kobra-Problem ist von jeder politischen Reform bekannt: Die Hartz-Reformen sollten die Menschen aus dem Sozialhilfe-Gefängnis befreien. Doch zugleich wurde eine neue Schicht von Unterprivilegierten geschaffen, denen der Aufstieg immer noch schwerfällt. Das Elterngeld sollte mehr Babys bringen, führte aber vorwiegend zu einer Art bezahltem Urlaub. Die jüngste Gesundheitsreform schließlich wollte den Wettbewerb der Versicherer anheizen. Am Ende aber irrten hüftkranke Senioren durch die Stadt, die nicht mehr wussten, wohin sie sich wenden sollten, weil ihre Kasse just pleitegegangen war und die anderen Anbieter keine teuren Neukunden wollten. Nachsteuern ist keine Schande, sondern Pflicht. Es ist der Politik kaum vorzuwerfen, dass sie nicht alle Folgen ihrer Entscheidungen abschätzen kann. Die Welt ist zu komplex, das Verhalten der Menschen zu wenig berechenbar, als dass sich Resultate präzise absehen ließen. Unternehmen geht es im Ãœbrigen genauso: Was Top, was Flop wird, ist von zu vielen Faktoren, oft von Glück und Zufall abhängig. Lieber viele kleine Ziele setzen und die Chance offenhalten, nach- oder umzusteuern. Stets gilt: möglichst keine Versprechen für die Ewigkeit. Insofern bedeutete Angela Merkels „Politik der kleinen Schritte“ ein durchaus zeitgemäßes Regierungsprogramm. Im Wirrwarr der letzten Monate allerdings ist die Kanzlerin immer häufiger von der eigenen Vorgabe abgewichen: Ob bei Energie oder Bundeswehr, bei Europa oder Nato, immer wieder traf die Regierungschefin hektische Festlegungen, die im Nachhinein mit doppeltem Aufwand repariert oder der Realität angepasst werden mussten. Wehrpflicht abschaffen, Energiewende ausrufen, Euro retten, Libyen lassen – edle Ziele, die allerdings nicht wie einstmals vom Ende, sondern hektisch auf sofortige mediale Vermarktbarkeit hin gedacht waren. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, der Netzausbau, die Gebäudedämmung, das Steuerrecht – allein die Gesetze zur Energiewende sind so komplex, dass Heerscharen neuer Kobras in Berlin nicht überraschend, sondern selbstverständlich herumkriechen werden. Mal sehen, wie viele bis zur Bundestagswahl 2013 wieder eingesammelt sind.

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