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Voraussetzungen für steuerlich beachtliches Treuhandverhältnis (BFH I R 12/09)


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Sind Aktien Gegenstand eines „Treuhandvertrags“, so sind auf sie entfallende Dividenden nur dann steuerlich dem „Treugeber“ zuzurechnen, wenn dieser sowohl nach den mit dem „Treuhänder“ getroffenen Absprachen als auch bei deren tatsächlichem Vollzug das Treuhandverhältnis in vollem Umfang beherrscht (Bestätigung der BFH-Rechtsprechung).

AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2
EStG 1997 § 20 Abs. 2a, § 36 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 2 und 3
FGO § 40 Abs. 2
Urteil vom 24. November 2009 I R 12/09
Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 16. Dezember 2008 6 K 923/06 (EFG 2009, 547)

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob Aktien steuerlich der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zuzurechnen sind. Streitjahre sind 2000 und 2001.

2
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Gesellschafter ausschließlich Kommunen sind. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Wahrnehmung der kommunal- und gesellschaftsrechtlich zulässigen Interessenvertretung, insbesondere die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der kommunalen Aktionäre in einer AG (E-AG). Die E-AG ist ein Energieversorgungsunternehmen (EVU); die Klägerin soll ihre Gesellschafter bei der Sicherung einer wirtschaftlichen und ökologischen Energieversorgung unterstützen.

3
Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 des Kommunalvermögensgesetzes (KVG) hatte jede mit Strom oder Fernwärme versorgte Kommune im Gebiet des Art. 3 des Einigungsvertrags vom 31. August 1990 einen Anspruch auf Ãœbertragung von Aktien an dem die Versorgung betreibenden regionalen EVU. Damaliger Energieversorger der an der Klägerin beteiligten Kommunen war die S-AG, deren Rechtsnachfolgerin die E-AG ist. Den Gesellschaftern der Klägerin standen rund 26 % der Aktien der S-AG zu; nach einer Fusion von vier regionalen EVU zur E-AG beträgt ihr Anteil an der E-AG nunmehr rund 6 %.

4
Im Jahr 1996 schlossen die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) und die Klägerin einen „Vertrag zur treuhänderischen Ãœbertragung der Rechte an und aus den Aktien an der S-AG“. Nach der Präambel dieses Vertrages sollte die Klägerin die Aktien an der S-AG treuhänderisch für 428 Städte und Gemeinden halten. Ferner heißt es dort, dass durch die Ãœbertragung der Aktien an der S-AG auf die Klägerin die vom Einigungsvertrag und vom KVG geschaffene Rechtsposition der einzelnen Kommunen nicht berührt werde. Die Klägerin sollte die ihr abgetretenen Rechte nur treuhänderisch für die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 KVG anspruchsberechtigten Kommunen wahrnehmen; anderslautende Vereinbarungen zwischen der Klägerin und einzelnen Kommunen wurden aber ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Weiter verpflichtete sich die Klägerin, die ihr übertragenen Aktien auf schriftliches Verlangen der Kommunen auf diese zu übertragen. Die Gewinnausschüttungen sollten den Kommunen zustehen.

5
Am 16. September 1999 schlossen 141 Kommunen mit der Klägerin jeweils als „Treuhandvertrag“ bezeichnete Verträge. Diese enthielten u.a. folgende Regelungen:

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a) In der Präambel wird auf die Restitutions- und Kommunalisierungsansprüche der Kommunen nach § 4 KVG sowie darauf verwiesen, dass die Gesellschafter der Klägerin einen Anspruch gegen die BvS auf Ãœbertragung von Anteilen an der S-AG hatten. Weiter wird darauf verwiesen, dass die BvS diese Anteile inzwischen auf die Klägerin übertragen habe, „welche seither die vorgenannten Aktien treuhänderisch für die BvS“ halte. Schließlich wird erläutert, dass den Kommunen nach den Restitutions- und Kommunalisierungsvorschriften ein Anspruch gegen die Klägerin auf Ãœbertragung der Anteile an der E-AG zustehe.

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b) Nach § 1 hält die Klägerin die Aktien treuhänderisch für die Kommunen. Das Treuhandverhältnis ist auf 10 Jahre befristet und soll sich auf 15 Jahre verlängern, sofern ein Beteiligter dies spätestens ein Jahr vor Fristablauf fordert.

8
c) Nach § 2 Abs. 1 darf die Klägerin als Treuhänder alle Gesellschaftsrechte ausüben. Die Kommunen sind von der Ausübung dieser Rechte ausgeschlossen und nicht berechtigt, Weisungen in Bezug auf das Stimmrecht zu erteilen. Die Erträge der Aktien stehen nach § 2 Abs. 2 der Klägerin zu. Diese hat keinen Anspruch auf eine Vergütung und auf Aufwendungsersatz (§ 2 Abs. 3) und muss sich jeder Verfügung über die Aktien enthalten (§ 2 Abs. 4). Die Kommunen sind nicht verpflichtet, die Klägerin von Verpflichtungen freizustellen, die aus der Führung der Treuhand entstehen (§ 2 Abs. 6).

9
d) Als Gegenleistung für die Einräumung des Treuhandverhältnisses erhalten die Kommunen ein jährliches Entgelt in Höhe einer marktüblichen Darlehensverzinsung. Ferner heißt es im Vertrag, dass zur Begrenzung des wirtschaftlichen Risikos der Klägerin der jährliche Entgeltanspruch der Kommunen nicht entstehe, soweit das über den Betrag des Stammkapitals hinaus vorhandene Vermögen der Klägerin zur Erfüllung aller Entgeltansprüche aus den Treuhandverhältnissen nicht ausreiche.

10
e) Das Treuhandverhältnis endet mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin, mit der Abtretung der treuhänderisch für die Kommunen gehaltenen Aktien an einen Dritten und wenn Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung in die treuhänderisch gehaltenen Aktien ausgebracht werden (§ 5 Abs. 1 des Treuhandvertrags). Für diesen Fall tritt die Klägerin die Aktien bereits im Treuhandvertrag an die Kommunen ab, und zwar aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der Beendigung der Treuhand. Nach § 5 Abs. 2 des Vertrags kann das Treuhandverhältnis von jedem Beteiligten mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden; § 5 Abs. 3 sieht vor, dass das Treuhandverhältnis nach seiner Beendigung nach den vertraglichen und gesetzlichen Regelungen abgewickelt wird.

11
f) Nach § 6 Abs. 1 des Vertrags verzichten die Kommunen für die Dauer des Treuhandverhältnisses auf die Geltendmachung ihrer in der Präambel genannten Ansprüche. Nach § 6 Abs. 2 verzichten die Kommunen mit der vertragsgerechten Beendigung des Treuhandverhältnisses (vgl. § 5) endgültig auf die in der Präambel genannten Ansprüche.

12
Im April 2000 nahm die E-AG eine Gewinnausschüttung für das Geschäftsjahr 1999 vor. Die E-AG stellte für die auf die Treuhand-Aktien entfallende Dividende der Klägerin eine Steuerbescheinigung nach § 44 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 (KStG 1999) aus; danach beliefen sich die steuerpflichtige Bruttodividende auf 889.063,24 € (1.738.856,56 DM), die anrechenbare Körperschaftsteuer auf 266.718,97 € (521.656,97 DM) und die Kapitalertragsteuer auf 155.586,07 € (304.299,90 DM).



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