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Guido Westerwelle im Interview (Deutschlandfunk)


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Berlin (pressrelations) – WESTERWELLE im Deutschlandfunk „Interview der Woche“

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem Deutschlandfunk folgendes „Interview der Woche“.


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Die Fragen stellte SABINE ADLER:

Frage: Herr Westerwelle, haben Sie sich heute schon entschuldigt?

WESTERWELLE: Haben Sie auch einen Grund, warum ich das tun sollte, wenn Sie diese Frage stellen?

Frage: Zum Beispiel bei den Langzeitarbeitslosen, die sich möglicherweise düpiert fühlen angesichts der Debatte jetzt um die Hartz IV-Nachbesserung?

WESTERWELLE: Wir haben als FDP beispielsweise durchgesetzt, dass diejenigen, die Hartz IV beziehen, künftig von dem, was sie sich fürs Alter zurückgelegt haben, auch mehr behalten dürfen. Wir haben das sogenannte Schonvermögen verdreifacht. Damit haben wir in den ersten Tagen unserer Regierungszeit als FDP mehr soziale Sensibilität gezeigt als die SPD in den gesamten letzten elf Jahren. Und ich bleibe dabei, dass, wer vorsorgt fürs Alter, nicht bestraft, sondern auch belohnt werden muss.

Frage: Reichen Ihnen die Baustellen, die Konflikte, die Sie zum Beispiel innerhalb der Koalition haben, nicht aus?

WESTERWELLE: Mir geht es um die Sache. Und ich finde, es ist geradezu eine zynische Debatte, wenn diejenigen, die in Deutschland arbeiten, die aufstehen, die fleißig sind, sich mittlerweile dafür entschuldigen müssen, dass sie von ihrer Arbeit auch etwas behalten möchten. Denn wir können nicht nur eine Debatte führen über die Bezieher von staatlichen Leistungen, sondern wir müssen endlich auch an diejenigen denken, die hart arbeiten, die haben auch Familien zu versorgen. Und mehr und mehr werden diejenigen, die arbeiten in Deutschland, zu den Deppen der Nation. Das akzeptiere ich nicht. Ich finde es geradezu skandalös, dass eine Kellnerin, wenn sie zwei Kinder hat und wenn sie verheiratet ist, im Schnitt 109 Euro weniger zur Verfügung hat, als wenn sie beispielsweise Hartz IV beziehen würde. Das kann so nicht weitergehen. Und deswegen bleibe ich dabei mit aller Entschiedenheit: Wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet. Und wenn man das sagt und dafür kr itisiert wird, dann ist das wirklich eine ziemlich sozialistische Entwicklung in dieser Republik.

Frage: Es wird gar nicht bestritten, dass es ein Lohnabstandsgebot geben soll. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Woche bescheinigt, dass die Hartz IV-Regelsätze für Kinder nicht erlauben, dass sie menschenwürdig aufwachsen können. Das wäre für die Bürgerrechtspartei FDP eigentlich ja auch ein Thema. Sie könnten sich auch für die Rechte der Kinder stark machen …

WESTERWELLE: Erstens habe ich keinen einzigen Ton zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes kritisch gesagt, sondern ganz im Gegenteil. Ich habe eine sehr positive Haltung dazu, dass vor allen Dingen die Rolle der Kinder in unserer Gesellschaft gestärkt wird. Sondern ich habe ja die Debatte kritisiert nach dem Motto: Jetzt hat Karlsruhe entschieden, und dann haben ja die Oppositionsparteien ausgerufen, damit sei das gesamte Thema „Faire Steuern für die Mittelschicht“ erledigt, das könne jetzt die FDP beerdigen, man müsse dieses Geld jetzt voll einsetzen, um auch die Sozialausgaben weiter zu erhöhen. Und das sehe ich sehr kritisch. Ich habe als Mitglied der Bundesregierung auch großen Wert darauf gelegt, dass gleich zu Beginn dieses Jahres von den Maßnahmen, die wir beschlossen haben, vor allen Dingen die Familien profitieren. Von den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung haben am allermeisten die Familien profitiert. Wir haben das Kindergeld pro Kind um 20 Euro erhöht , das sind immerhin auch im Monat empfindliche Beträge. Und wir haben die Kinderfreibeträge auch entsprechend erhöht. Das zeigt doch, dass wir, auch dass ich ganz persönlich, der Auffassung bin: Familien, die Rolle von Kindern – das muss im Mittelpunkt von Politik stehen.

Frage: Was bedeutet das jetzt für die Nachbesserung der Hartz IV-Regelsätze für Kinder, wie geht Ihre Partei damit um?

WESTERWELLE: Dass wir natürlich dieses Urteil sehr genau auswerten. Ich glaube, dass wir ohnehin einen völligen Neuanfang brauchen in unserem Sozialstaat. Der Sozialstaat muss treffsicherer werden, wir müssen vor allen Dingen denen mehr helfen, die sich selbst nicht helfen können, insbesondere den Kindern. Aber wir müssen genau so auch hinzufügen: Wer jung ist, wer gesund ist, wer keine eigenen Angehörigen zu versorgen hat – und wenn dem dann zumutbare Arbeit angeboten wird, dann muss er sie auch annehmen und muss auch für das, was er bekommt, eine Gegenleistung erbringen. Ich glaube, wir müssen aber auch Sozialpolitik umfassender diskutieren, nicht nur als eine Frage von Regelsätzen. Sondern für mich ist die beste Sozialpolitik immer noch die Bildungspolitik, und da haben wir in Deutschland mittlerweile geradezu dekadente Erscheinungen. Dass hier in Berlin demnächst die Gymnasiumsplätze nicht mehr nach Noten oder nach Leistung oder nach Bewertung vergeben werden sollen, sond ern zu fast einem Drittel, wenn Mangel da ist, per Losverfahren, ist ein himmelschreiender Skandal gegen die junge Generation. Und wenn ich mir die Einheitsschule in Hamburg ansehe, wenn ich mir ansehe, dass die Eltern nicht mehr die Schulform wählen können, nicht mehr wählen sollen die Schulform für ihre Kinder, dann ist das ein Skandal. Wenn man die Kinder so schlecht behandelt, wenn man Losverfahren einführt für Schulplätze, dann sind das Erscheinungen, die man nur noch als dekadent bezeichnen kann. Dagegen wende ich mich mit aller Entschiedenheit. Es muss auch ein junger Mensch die Chance des Aufstiegs haben. Und es wird jedem jungen Menschen die Chance des Aufstiegs genommen, wenn er gewissermaßen ein Lotterielos wird. Das ist auch in meinen Augen klar verfassungswidrig, dagegen wende ich mich mit aller Entschiedenheit. Und ich bin selber erst auf der Realschule gewesen, ich bin ein Glückskind von Bildung als Bürgerrecht, ich durfte später aufs Gymnasium. Mein Vater war der erste, der studiert hat in seiner Familie. Und deswegen werde ich immer Bildung als die zentrale Frage des sozialen Aufstiegs auch verfechten.


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