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Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages eines Verkehrsflughafens (BFH I R 56/08)


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Die Revision des FA ist unzulässig. Es fehlt an einer –auch für ein Revisionsverfahren eines Beklagten erforderlichen (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 1. Juni 2006 V R 58, 59/04, BFH/NV 2007, 454)– Beschwer des FA durch das angefochtene Urteil. Das FG hat die Klage vollen Umfangs abgewiesen und damit den Verfügungssatz des Zerlegungsbescheids unberührt gelassen. Dass das FG eine andere Begründung für das klageabweisende Urteil als das FA für seinen belastenden Verwaltungsakt gefunden hat, begründet eine Beschwer des FA nicht (z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Vor § 115 Rz 19; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 115 FGO Rz 22; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Vor §§ 115-134 FGO Rz 22).


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Das FA beruft sich insoweit zu Unrecht auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15. November 1971 GrS 7/70 (BFHE 103, 456, BStBl II 1972, 120). Die dortige Annahme, dass das FA gegen das Urteil des FG auch dann Revision einlegen kann, wenn das Urteil zwar den vom FA beim FG gemachten Ausführungen oder seinen Anträgen entspricht, der Verwaltungsakt des FA aber nicht in vollem Umfang vom FG bestätigt wurde, bezieht sich auf eine von der Antragstellung im Prozess unabhängige sog. materielle Beschwer des FA durch das FG-Urteil (s. BFH-Urteil vom 28. April 1983 IV R 122/79, BFHE 138, 366, BStBl II 1983, 566; z.B. auch Beermann in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 115 FGO Rz 40). Eine Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts zum Nachteil des FA liegt im Streitfall aber gerade nicht vor; dazu reicht eine Abweichung in der als Begründung des Verwaltungsakts (§ 157 Abs. 2 der Abgabenordnung –AO–) anzusehenden Stufenfolge der Berechnung im Zerlegungsbescheid nicht aus. Auch enthält der Tenor der angefochtenen Entscheidung keinen weiter gehenden Ausspruch (s. insoweit BFH-Urteil vom 26. November 1974 VIII R 258/72, BFHE 114, 226, BStBl II 1975, 206), der eine Beschwer des FA hätte auslösen können.

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II. Revisionen der Klägerinnen

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Das angefochtene Urteil des FG ist auf die Revisionen der Klägerinnen aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle des ursprünglich angefochtenen Zerlegungsbescheids, der Gegenstand des FG-Urteils war, ist während des Revisionsverfahrens zunächst der Änderungsbescheid vom 14. August 2009, später der Änderungsbescheid vom 15. September 2009 getreten, wobei beide Bescheide den Gegenstand dieses Rechtsstreits nach der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten nicht berührt haben. Der Änderungsbescheid vom 15. September 2009 ist gemäß Â§ 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Soweit einem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt, kann es keinen Bestand haben (vgl. z.B. Senatsurteil vom 3. August 2005 I R 94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20, m.w.N.). Dennoch bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß Â§ 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet an keinem Verfahrensmangel. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind nicht entfallen. Sie bilden unverändert die Grundlage für die Entscheidung des erkennenden Senats (dazu z.B. Senatsurteil in BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20). Diese kann in der Sache selbst ergehen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

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Die sonach fortgeführte Klage gegen den Änderungsbescheid vom 15. September 2009 ist als unbegründet abzuweisen. Dass den Klägerinnen ein Zerlegungsanteil von 0 € zugewiesen wurde, verletzt kein Bundesrecht.

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1. Da die Lärmmessstationen im Streitfall Betriebsstätten der Beigeladenen zu 1. sind, war eine Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags nach § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG 2002 vorzunehmen, an der die Klägerinnen dem Grunde nach zu beteiligen waren.

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a) Sind im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden, ist der Steuermessbetrag gemäß Â§ 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG 2002 in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen. Die Gewerbesteuer wird dann in jeder Gemeinde nach dem Teil des Steuermessbetrags erhoben, der auf sie entfällt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 GewStG 2002).

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Im Gewerbesteuergesetz wird der Betriebsstättenbegriff nicht eigenständig definiert. Es ist deshalb für gewerbesteuerliche Zwecke auf § 12 AO zurückzugreifen (z.B. BFH-Urteile vom 13. September 2000 X R 174/96, BFHE 194, 222, BStBl II 2001, 734; vom 12. Februar 2004 IV R 29/02, BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Aufl., § 2 Rz 455 ff. und § 28 Rz 4; Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG, § 28 Rz 9 ff.; Obermeier in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 2 GewStG Rz 841 ff.; Ziehr in Deloitte (Hrsg.), GewStG, 2009, § 2 Rz 462 ff.). Gemäß Â§ 12 Satz 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Nach ständiger Rechtsprechung setzt dies eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (Senatsurteil vom 3. Februar 1993 I R 80-81/91, BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462; BFH-Urteil vom 30. Oktober 1996 II R 12/92, BFHE 181, 356, BStBl II 1997, 12; Senatsurteil vom 4. Juni 2008 I R 30/07, BFHE 222, 14, BStBl II 2008, 922, m.w.N.).

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b) Diese Tatbestandsvoraussetzungen wurden von den Klägerinnen, vom FA und im angefochtenen Urteil zu Recht als im Streitfall erfüllt angesehen. Der Einwand der Beigeladenen zu 3., die Lärmmessung sei nicht die Grundlage der Unternehmenstätigkeit der Beigeladenen zu 1., greift nicht durch. Wenn in der gesetzlichen Definition gefordert wird, dass die Anlage der Tätigkeit des Unternehmens dienen muss (als unternehmensbezogenes Tätigwerden in, an oder mit der Geschäftseinrichtung, s. BFH-Urteil in BFHE 181, 356, BStBl II 1997, 12; Hofmeister in Blümich, a.a.O., § 28 GewStG Rz 11 f.), erfasst das im Streitfall auch die im Zusammenhang mit dem Flugbetrieb gesetzlich geforderte –und damit den Fortbestand der Betriebsgenehmigung sichernde– und aktiv betriebene Lärmmessung (gl.A. Offerhaus/Althof, Finanz-Rundschau –FR– 2006, 623). Die Beigeladene zu 1. ist nach § 19a Satz 1 LuftVG zur Einrichtung und zum Betrieb der Lärmmessstationen verpflichtet und hat die gewonnenen Ergebnisse nach Satz 2 fortlaufend sowohl der Genehmigungsbehörde als auch der Fluglärmkommission nach § 32b LuftVG mitzuteilen und sie regelmäßig zu veröffentlichen. Darüber hinaus besteht ein eigenbetrieblicher Veranlassungszusammenhang schon mit Blick auf die die Messergebnisse berücksichtigende Entgeltordnung für den Flugbetrieb (Berechnung der Start- und Landeentgelte) sowie seit dem Sommerflugplan des Streitjahres die Ãœberwachung der Einhaltung der sog. Lärmkontingentierung.

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2. Eine Lärmmessstation ist nicht Teil einer sog. mehrgemeindlichen Betriebsstätte i.S. des § 30, § 4 Abs. 1 Satz 2 GewStG 2002.


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