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Vorrang eines Auskunftsersuchens gemäß Â§ 93 AO gegenüber Vorlageverlangen nach § 97 AO (BFH II R 57/08)


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a) § 97 Abs. 2 Satz 1 AO dient der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Finanzbehörden müssen einen Sachverhalt in erster Linie durch die Einholung von Auskünften aufklären. Das Vorlageverlangen ist lediglich hilfsweise zulässig, weil Aufklärungsmaßnahmen Eingriffscharakter haben und deshalb unter mehreren Alternativen das mildeste Mittel auszuwählen ist. Der Gesetzgeber ist insoweit in § 97 Abs. 2 Satz 1 AO in Ausgestaltung des verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes der Erforderlichkeit davon ausgegangen, dass die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 93 AO regelmäßig das weniger belastende Mittel als die Verpflichtung zur Vorlage von Urkunden ist (vgl. Schuster in Hübschmann/Hepp/ Spitaler –HHSp–, § 97 AO Rz 18). Diese Annahme beruht –wie § 107 Satz 1 AO zeigt– nicht etwa auf einem vom Gesetzgeber unterstellten geringeren kostenmäßigen Aufwand der um Auskunft ersuchten Person, sondern auf der Vorstellung, dass ein Auskunftsersuchen mit Blick auf die Preisgabe persönlicher oder personenbezogener Daten weniger stark in die Persönlichkeitssphäre der um Auskunft ersuchten Person eingreift als ein Herausgabeverlangen.


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b) Entsprechend den vorgenannten Erwägungen hat der Gesetzgeber § 97 Abs. 2 Satz 1 AO als Sollvorschrift abgefasst, weshalb die Finanzbehörde in der Regel nach ihr verfahren muss und nur in atypischen Fällen von ihr abweichen darf. Dabei ist am Zweck der Vorschrift zu messen, ob ein atypischer Fall vorliegt (vgl. BFH-Urteile vom 27. Oktober 1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, 235, BStBl II 1982, 141; vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198). Die Vorlage von Urkunden ohne vorheriges Auskunftsersuchen kann gefordert werden, wenn das Vorliegen steuerrelevanter Tatsachen nur durch die Vorlage eines Schriftstückes beweisbar oder eine Auskunft zur Wahrheitsfindung untauglich ist. Da es sich bei der Subsidiaritätsklausel in § 97 Abs. 2 Satz 1 AO um eine Vorschrift im Interesse und zugunsten des Vorlagepflichtigen handelt, berechtigt allerdings allein die Tatsache, dass die Vorlage einer Urkunde in der Sache das geeignetste Aufklärungsmittel ist, die Finanzbehörde nicht dazu, von vornherein von einem Auskunftsersuchen abzusehen und sofort die Urkundenvorlage zu verlangen (Schuster in HHSp, § 97 AO Rz 18). Dies stellt –entgegen der Annahme des FG– keine „Förmelei“ dar, sondern ergibt sich aus dem Schutzcharakter des § 97 Abs. 2 Satz 1 AO. Es ist deshalb Aufgabe des FA, das Vorliegen eines atypischen und das unmittelbare Vorlageverlangen rechtfertigenden Falles darzulegen.

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c) Im Streitfall liegt kein atypischer Fall i.S. des § 97 Abs. 2 Satz 1 AO vor, der das unmittelbare Vorlageverlangen des FA rechtfertigen könnte. Das FA hat die Vornahme von Zuschätzungen bei der Besteuerung der A als erforderlich angesehen, wenn A nicht aufgrund regelmäßiger Abhebungen von dem Konto bei der Klägerin genügend Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hatten. Der aufzuklärende Sachverhalt ist danach nicht so gelagert, dass es um die Sichtung solcher steuererheblicher Kontenbewegungen gegangen wäre, die nicht durch eine Auskunft klärbar gewesen wären. Vielmehr wäre es dem FA möglich gewesen, die Klägerin im Wege eines Auskunftsverlangens dazu aufzufordern, zur Frage regelmäßiger Abhebungen Stellung zu nehmen. Insoweit hätte die Frage, ob A in dem entsprechenden Zeitraum regelmäßige Barabhebungen von dem Konto vorgenommen hat und welche Höhe diese ggf. aufgewiesen haben, zur Aufklärung des Sachverhalts ausgereicht. Es wäre der Klägerin unter Heranziehung ihrer Kontounterlagen möglich gewesen, diese Fragen zu beantworten.


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d) Es ist nicht erkennbar, dass bei der Klägerin mit unzureichenden oder unrichtigen Angaben in einer Auskunft zu rechnen gewesen wäre (vgl. zur entsprechenden Richtigkeitsannahme Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 107 Rz 3). Im Ãœbrigen wäre es an der Klägerin gewesen, darüber zu entscheiden, ob sie das Auskunftsverlangen ggf. freiwillig durch die Vorlage von Kontoauszügen beantworten wolle.

Quelle: Bundesfinanzhof



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