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Voraussetzungen für steuerlich beachtliches Treuhandverhältnis (BFH I R 12/09)


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aa) Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses sind weder im Zivilrecht noch für das Steuerrecht gesetzlich bestimmt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung führt jedoch nicht jede als „Treuhandvertrag“ bezeichnete Vereinbarung zum Vorliegen eines steuerlich anzuerkennenden Treuhandverhältnisses (Senatsurteil vom 20. Januar 1999 I R 69/97, BFHE 188, 254, BStBl II 1999, 514). Ein solches ist vielmehr nur dann gegeben, wenn die mit der rechtlichen Eigentümer- bzw. Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht so zu Gunsten des Treugebers eingeschränkt ist, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als „leere Hülle“ erscheint (Senatsurteil in BFHE 188, 254, 258, BStBl II 1999, 514, 516). Der Treugeber muss das Treuhandverhältnis beherrschen, und zwar nicht nur nach den mit dem Treuhänder getroffenen Absprachen, sondern auch bei deren tatsächlichem Vollzug (BFH-Urteile vom 15. Juli 1997 VIII R 56/93, BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152). Es muss zweifelsfrei erkennbar sein, dass der Treuhänder ausschließlich für Rechnung des Treugebers handelt (Senatsurteil vom 28. Februar 2001 I R 12/00, BFHE 194, 320, 323 f., BStBl II 2001, 468, 470).

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Wesentliches und im Grundsatz unverzichtbares Merkmal einer solchen Beherrschung ist eine Weisungsbefugnis des Treugebers –und damit korrespondierend die Weisungsgebundenheit des Treuhänders– in Bezug auf die Behandlung des Treuguts (Senatsurteil in BFHE 188, 254, 258, BStBl II 1999, 514, 516). Zudem muss der Treugeber berechtigt sein, jederzeit die Rückgabe des Treuguts zu verlangen (BFH-Urteil in BFHE 183, 518, 527, BStBl II 1998, 152, 156, m.w.N.), wobei die Vereinbarung einer angemessenen Kündigungsfrist unschädlich ist (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1992 XI R 45/88, BFHE 170, 487, 492, BStBl II 1993, 538, 540). Die Vereinbarung eines Treuhandentgelts ist nicht notwendige Bedingung, kann aber ein Anzeichen für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses sein (BFH-Urteil in BFHE 183, 518, 527, BStBl II 1998, 152, 156). Schließlich kommt bei der Frage nach der Durchführung einer Treuhandvereinbarung der bilanziellen Behandlung des Treuguts indizielle Bedeutung zu (BFH in BFHE 183, 518, 527, BStBl II 1998, 152, 156; Schmieszek in Beermann/Gosch, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 39 AO Rz 36.1).

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bb) Im Streitfall steht dem Vorliegen eines Treuhandverhältnisses i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO zum einen entgegen, dass die Kommunen der Klägerin keine Weisungen dazu erteilen konnten, wie die mit den E-AG-Aktien verbundenen Rechte auszuüben waren. Ein solches Weisungsrecht war nach den maßgeblichen Verträgen ausdrücklich ausgeschlossen. Es wird nicht in ausreichender Weise dadurch ersetzt, dass die Kommunen in der Gesellschafterversammlung der Klägerin auf ein bestimmtes Vorgehen hinwirken konnten. Denn entsprechende Anweisungen an die Organe der Klägerin konnte zwar die Gesellschafterversammlung mit der dafür notwendigen Mehrheit beschließen; die einzelne Kommune war insoweit aber der Mehrheitsentscheidung unterworfen und konnte in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der Klägerin nicht durchsetzen, dass bestimmte ihr selbst zuzuordnende Anteile von der Klägerin ggf. anders als nach Maßgabe des Gesellschafterbeschlusses zur Geltung gebracht wurden. In diesem Punkt hatte die Klägerin mithin gegenüber einer jeden Kommune eine autonome Entscheidungsbefugnis, was dagegen spricht, ihre zivilrechtliche Stellung in Bezug auf die E-AG-Aktien als „leere Hülle“ anzusehen. Auf die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang entsprechende Interessenkonflikte in der Praxis tatsächlich aufgetreten sind, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

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Der Streitfall ist in diesem Punkt nicht mit demjenigen vergleichbar, der Gegenstand des BFH-Urteils in BFHE 170, 487, BStBl II 1993, 538 war. Dort ging es um die Beteiligung an einer KG, deren Kommanditanteile von einer Treuhänderin gehalten wurden; die Treugeber waren in einer GbR verbunden und hatten vermittels dieser GbR ihre Beteiligungen an der KG zum Gegen-stand des Treuhandvertrags gemacht. Der BFH hat im Urteilsfall die Eigenschaft der Kommanditisten als Mitunternehmer der KG nicht daran scheitern lassen, dass diese ihre Gesellschafterrechte nur im Rahmen der GbR ausüben konnten. Das ist aber schon deshalb gerechtfertigt, weil die einzelnen Treugeber innerhalb der KG keine bessere Stellung gehabt hätten, wenn sie sich unmittelbar in GbR –und ohne Einschaltung eines Treuhänders– an dieser beteiligt hätten. Dieser Gedanke kann im Streitfall nicht durchgreifen.

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Das Fehlen einer Weisungsbefugnis der Kommunen ist für die Frage nach dem Vorliegen eines steuerrechtlich anzuerkennenden Treuhandverhältnisses ungeachtet dessen von Bedeutung, dass die Kommunen berechtigt waren, ihre Verträge mit der Klägerin unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten zu kündigen. Das FG weist zwar zu Recht darauf hin, dass auf diese Weise jede einzelne Kommune in die Lage versetzt wurde, im Fall einer Missachtung ihrer Wünsche das Vertragsverhältnis kurzfristig zu beenden und die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über die ihr zustehenden E-AG-Aktien zu erlangen. Es mag auch richtig sein, dass eine Kommune im Einzelfall hätte versuchen können, unter Hinweis auf diese Möglichkeit die Klägerin zu einem bestimmten Umgang mit ihren Gesellschafterrechten zu bewegen. Daraus kann aber entgegen der Ansicht des FG nicht abgeleitet werden, dass die vertraglich bestimmte Weisungsfreiheit der Klägerin „ausgehöhlt“ gewesen und unter diesem Gesichtspunkt unbeachtlich sei. Denn eine solche Handhabung würde dazu führen, dass die für ein Treuhandverhältnis notwendige Weisungsgebundenheit durch das Vorliegen einer kurzfristigen Kündigungsmöglichkeit ersetzt würde. Das wäre mit der Rechtsprechung des BFH, die das Vorliegen beider Momente verlangt, nicht vereinbar.

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cc) Zudem hat die Klägerin auch vom wirtschaftlichen Ergebnis her die E-AG-Aktien nicht ausschließlich für Rechnung der Kommunen gehalten. Zwar mag es zutreffen, dass nach den vertraglichen Vereinbarungen jede Steigerung und jedes Absinken des Werts der E-AG-Aktien nur den Kommunen zum Vorteil bzw. zum Nachteil gereichte, da diese von der Klägerin nur eine Ãœbertragung der ihnen zustehenden Aktien verlangen konnten. Die Revision weist aber zu Recht darauf hin, dass nach den Feststellungen des FG der Klägerin die Differenz zwischen den von der E-AG gezahlten Dividenden und den an die Kommunen zu zahlenden Entgelten in Höhe einer „marktüblichen Darlehensverzinsung“ verblieben ist und dass es sich dabei um von Jahr zu Jahr schwankende Beträge handelte. Der Klägerin stand mithin nicht nur ein festes oder ein an Wert oder Ertrag der Aktien bemessenes Treuhandentgelt zu; vielmehr wirkte sich insbesondere dann, wenn der Dividendenertrag hoch und das Marktzinsniveau niedrig war, dieses Verhältnis ausschließlich zu ihren Gunsten aus. Insoweit ähnelte das Verhältnis zwischen ihr und den Kommunen demjenigen bei einem fremdfinanzierten Erwerb von Wertpapieren. Dass für den umgekehrten Fall des nicht ausreichenden Dividendenertrags die Zahlungspflicht der Klägerin gegenüber den Kommunen auf die tatsächlich erwirtschafteten Mittel begrenzt war, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung die Kommunen als die „wahren“ Gesellschafter der E-AG anzusehen sind. Dessen bedürfte es aber für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO.



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