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V R 61/03 BFH Urteil Wasseranschluss


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2. Das FG ist (stillschweigend) davon ausgegangen, dass der Kläger –als juristische Person des öffentlichen Rechts (Zweckverband)– mit dem Legen der Hausanschlüsse als Unternehmer tätig geworden ist.

Das ist zutreffend und ergibt sich nach nationalem Recht aus § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes –KStG– (vgl. den Vorlagebeschluss des Senats in BFHE 212, 168, BStBl II 2006, 149, unter II.1. a) und gemeinschaftsrechtlich aus Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 i.V.m. Anhang D Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, wie der EuGH in dem in dieser Sache ergangenen Urteil entschieden hat (Leitsatz 1). Insoweit besteht unter den Beteiligten auch kein Streit.

3. Das FG ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass auf die streitigen Hausanschlussleistungen des Klägers der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist.

a) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in der im Streitjahr 2000 geltenden Fassung ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb der in der Anlage bezeichneten Gegenstände.

Nr. 34 der Anlage zum UStG (jetzt: Anlage 2 zum UStG) lautet:
„Wasser, ausgenommen
– Trinkwasser, einschließlich Quellwasser und Tafelwasser, das in zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen in den Verkehr gebracht wird,
– Heilwasser und
– Wasserdampf (aus Unterposition 2201 9000)“.

§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG geht zurück auf § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967 i.V.m. Nr. 29 der Anlage zum UStG 1967, wonach für Wasser generell der ermäßigte Steuersatz galt (vgl. dazu und zur Entwicklung der Steuerermäßigung: BFH-Urteil vom 24. August 2006 V R 17/04, BFHE 215, 307, BStBl II 2007, 146).

b) Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG für die „Lieferungen von Wasser“ steht im Einklang mit Art. 12 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Anhang H Kategorie 2 der Richtlinie 77/388/EWG, wonach „Lieferungen von Wasser“ mit einem ermäßigten Satz besteuert werden dürfen.

c) Der EuGH hat in dem im vorliegenden Verfahren ergangenen Urteil entschieden, dass Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Anhang H Kategorie 2 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen sind, dass unter den Begriff „Lieferungen von Wasser“ das Legen eines Hausanschlusses fällt, das wie im Streitfall in der Verlegung einer Leitung besteht, die die Verbindung des Wasserverteilungsnetzes mit der Wasseranlage eines Grundstücks ermöglicht (Leitsatz 2, Satz 1).

aa) Zur Begründung hat der EuGH in Rdnr. 40 seines Urteils ausgeführt, da der Hausanschluss, wie sich aus Rdnr. 34 des Urteils ergebe, für die Wasserversorgung der Allgemeinheit unentbehrlich sei, falle er unter den Begriff „Lieferungen von Wasser“ in Anhang H Kategorie 2 der Richtlinie 77/388/EWG. In
Rdnr. 34 des Urteils heißt es, es stehe fest, dass ohne den Hausanschluss dem Eigentümer oder Bewohner des Grundstücks kein Wasser bereitgestellt werden könnte; der Anschluss sei also für die Wasserbereitstellung unentbehrlich.

bb) Der EuGH verwendet somit zur Begründung seiner Entscheidung nicht Begriffe wie „Hauptleistung“ oder „unselbständige Nebenleistung“, sondern subsumiert das Legen des Hausanschlusses unter den Begriff „Lieferungen von Wasser“. Davon gehen die Beteiligten des vorliegenden Rechtstreits zu Recht übereinstimmend aus (vgl. auch Wagner, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht –UVR– 2008, 189 f.).

cc) Da der nationale Gesetzgeber in § 12 Abs. 2 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG ebenfalls den Begriff „Lieferungen von Wasser“ verwendet und dieser Begriff gemeinschaftsrechtlich ausgelegt werden muss, fällt das Legen eines Hausanschlusses somit unter den Begriff „Lieferungen von Wasser“ im Sinne dieser Vorschrift, so dass auf diese Leistung der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist (zutreffend Tehler, EU-Umsatzsteuer-Berater 2008, 38).

Ob –was das BMF geltend macht– dieses Ergebnis dem historischen Willen des Gesetzgebers des UStG 1967 widerspricht, ist unerheblich. Im Ãœbrigen wurde in der überkommenen Rechtspraxis in der Bundesrepublik bis zum BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1185 das Legen von Hausanschlüssen als Nebenleistung zur (steuerbegünstigten) Lieferung von Wasser angesehen (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 206, 496, UR 2005, 315, unter II. 2. b und c; BMF-Schreiben in BStBl I 1983, 567, 581).

d) Allerdings hat der EuGH ferner entschieden, die Mitgliedstaaten könnten konkrete und spezifische Aspekte der „Lieferungen von Wasser“ –wie das im Streitfall fragliche Legen eines Hausanschlusses– mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz belegen, vorausgesetzt, sie beachteten den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liege (Leitsatz 2, Satz 2). Diese Ausführungen rechtfertigen aber keine andere Entscheidung des vorliegenden Streitfalls.

aa) Nimmt man diese Aussage des EuGH wörtlich, kommt ihr im Streitfall (bereits) deshalb keine Bedeutung zu, weil das FA das Legen eines Hausanschlusses nicht im Sinne von Leitsatz 2 Satz 2 des EuGH-Urteils „mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz belegen“ will, sondern –in Ãœbereinstimung mit den BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1185 und in BStBl I 2004, 638, 676– mit dem Regelsteuersatz. Im vorliegenden Streitfall geht es mithin –gewissermaßen umgekehrt– darum, dass das Verlegen der Hausanschlüsse vom FA mit dem Regelsteuersatz besteuert worden ist, während die Wasserlieferungen mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern sind.



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