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Keine doppelte Energiesteuerentlastung für Betreiber von Bodenstromaggregaten – Umsetzung von Richtlinienvorschriften in nationales Recht (BFH VII R 48/08)


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1. Nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die bei der Stromerzeugung verwendeten Energieerzeugnisse von der Energiesteuer zu befreien. Es steht den Mitgliedstaaten jedoch frei, diese Erzeugnisse aus umweltpolitischen Gründen der Besteuerung zu unterwerfen, wobei die im Anhang I der EnergieStRL festgelegten Mindeststeuersätze nicht eingehalten werden müssen. Ferner können die Mitgliedstaaten Vorschriften zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung der Steuerbefreiung und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und -vermeidung oder Missbrauch erlassen. Gemäß Art. 28 Abs. 1 EnergieStRL waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, die zur Umsetzung der EnergieStRL erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bis spätestens 31. Dezember 2003 zu erlassen und dies der Europäischen Kommission mitzuteilen.


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Wie der EuGH entschieden hat, entfaltet Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL in Bezug auf die danach zu gewährende Steuerbefreiung unmittelbare Wirkung, so dass sich ein Einzelner zur Erwirkung einer Steuererstattung vor den nationalen Gerichten für den Zeitraum, in dem der betreffende Mitgliedstaat die Richtlinie nicht fristgerecht in sein innerstaatliches Recht umgesetzt hat, unmittelbar auf diese Bestimmung berufen kann. Grundsätzlich ergibt sich damit aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL ein unmittelbarer Anspruch auf Entsteuerung des zur Stromerzeugung eingesetzten Energieerzeugnisses.

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Zu beachten ist allerdings, dass Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 EnergieStRL die für kleine Stromerzeuger vorgesehene Steuerbefreiung davon abhängig macht, dass die zur Erzeugung des Stroms eingesetzten Energieerzeugnisse besteuert werden. Dies gilt unbeschadet des Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL. Mit dem Begriff „unbeschadet“ wird zum Ausdruck gebracht, dass der allgemeine Befreiungstatbestand des Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL durch die speziellere Regelung des Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 EnergieStRL verdrängt wird. Zu einer doppelten Steuerentlastung, die im Widerspruch zu den Zielen des Gemeinschaftsrechtsakts stünde, soll es nicht kommen. Macht ein Mitgliedstaat von der Möglichkeit Gebrauch, kleine Stromerzeuger von der Energiesteuer zu befreien, hat er dafür Sorge zu tragen, dass unter Beachtung der Mindeststeuerbeträge eine Input-Besteuerung erfolgt.

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2. Im Streitfall steht dem von der Klägerin erhobenen Vergütungsanspruch der Umstand entgegen, dass kleine Stromerzeuger im Streitjahr eine Rechtslage vorgefunden haben, nach der Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 Satz 2 EnergieStRL als ordnungsgemäß umgesetzt zu gelten hat.

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a) Es trifft zwar zu, dass die Bundesrepublik Deutschland, wie der EuGH in seinem Urteil in Slg. 2008, I-5999 ausgeführt hat, nach Ablauf der in Art. 28 Abs. 1 EnergieStRL festgelegten Frist keine spezifischen innerstaatlichen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht getroffen hat. Tatsächlich wurde ein Verbrauchsteuergesetz zur Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erst am 15. Juli 2006 erlassen. Das Gesetz zur Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen und zur Änderung des Stromsteuergesetzes (BGBl I, 1534) ist am 1. August 2006 in Kraft getreten. Jedoch geht es im Streitfall nicht um die ordnungsgemäße Umsetzung eines Gemeinschaftsrechtsakts im Ganzen. Vielmehr ist allein streiterheblich, ob im Streitjahr in Deutschland hinsichtlich der Besteuerung zur Stromerzeugung in Kleinanlagen verwendete Energieerzeugnisse eine richtlinienkonforme Rechtslage bestand und der Steuerpflichtige dies klar erkennen konnte.

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b) Bis zum Inkrafttreten des EnergieStG sah das Mineralölsteuergesetz (MinöStG 1993) keine Steuerbefreiung für das zur Stromerzeugung verwendete Gasöl der Pos. 2710 KN vor. Vielmehr wurde das zur Verstromung eingesetzte Energieerzeugnis je nach seinem Schwefelgehalt mit 485,70 € bzw. 470,40 € je 1000 Liter besteuert. Dies ergab sich ohne weiteres aus den mineralölsteuerrechtlichen Bestimmungen, denen ein entsprechender Befreiungstatbestand nicht zu entnehmen war. Allerdings kam die Klägerin als Kleinerzeuger von Strom –auch ohne förmliche Einzelerlaubnis– in den Genuss der in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG vorgesehenen Steuerbefreiung für Strom, der in Anlagen mit einer Nennleistung von bis zu zwei Megawatt erzeugt wird. Aus einer Zusammenschau dieser gesetzlichen Regelungen war ohne weiteres eine Rechtslage erkennbar, die Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 EnergieStRL entsprach.

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c) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht, dass die Richtlinienbestimmungen förmlich und wortgetreu in einer ausdrücklichen besonderen Gesetzesvorschrift wiedergegeben werden (EuGH-Urteil vom 17. Oktober 1991 C-58/89, Slg. 1991, I-4983, m.w.N.). Erforderlich ist jedoch, dass sich die Richtlinienvorschriften in den nationalen Bestimmungen so genau und eindeutig wiederfinden, dass dem Erfordernis der Rechtssicherheit in vollem Umfang Genüge getan wird (EuGH-Urteil vom 28. Februar 1991 C-131/88, Slg. 1991, I-825). Enthält das nationale Recht bereits Bestimmungen, die der umzusetzenden Richtlinie entsprechen, bedarf es insoweit keines förmlichen Umsetzungsakts mehr. Der Erlass neuer Rechtsvorschriften ist dann nicht erforderlich i.S. des Art. 28 Abs. 1 EnergieStRL, so dass das dort vorgegebene Verfahren entbehrlich ist. Nach Auffassung des Senats ist dem Gebot der Rechtssicherheit dadurch Genüge getan, dass die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer durch einfache Lektüre der nationalen Energiesteuervorschriften (StromStG und MinöStG 1993) ohne unzumutbare Anstrengungen sowohl die Voraussetzungen der Stromsteuerbefreiung für Kleinerzeuger als auch den Ausschluss einer Mineralölsteuerbefreiung für die bei der Stromerzeugung eingesetzten Energieerzeugnisse hätten erkennen können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Adressatenkreis dieser Regelungen nicht um private Verbraucher, sondern um gewerbliche Betreiber ortsfester Anlagen zur Stromerzeugung handelt, die am Markt operieren und geschäftserfahren sind.

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3. Auch aus dem Umstand, dass die Klägerin im Streitjahr mit einer höheren Abgabe belastet wurde, als dies bei einer ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie als Ganzes unter Ausschöpfung der durch sie eröffneten Gestaltungsfreiräume der Fall gewesen wäre, lässt sich der begehrte Vergütungsanspruch –evtl. gekürzt um eine fiktiv anzunehmende Stromsteuerbelastung– nicht ableiten.


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