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Kein Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben nach verwaltungsintern getroffener Feststellung "erbschaftsteuerfrei" (BFH VII R 19/09)


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b) Ein Recht auf Auskünfte aus den Verwaltungsakten des FA außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens kann auch nicht aus einem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des FA hergeleitet werden.


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Die AO enthält –anders als andere Verfahrensordnungen wie z.B. § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und § 147 der Strafprozessordnung– keine Regelung, nach der ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung geklärt hat, ist ein solches Einsichtsrecht weder aus § 91 Abs. 1 AO und dem hierzu ergangenen Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) noch aus § 364 AO und dem dazu ergangenen AEAO abzuleiten. Allerdings geht der BFH in ständiger Rechtsprechung –ebenso wie die Finanzverwaltung in Nr. 4 AEAO zu § 91 AO– davon aus, dass dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Behörde zusteht (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juni 2003 VII B 138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790, m.w.N.).

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Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Herausgabe der gewünschten Kopien scheitert bereits an der Voraussetzung, dass er nicht während eines Verwaltungsverfahrens geltend gemacht worden ist. Denn das in der Prüfung einer Erbschaftsteuerpflicht liegende Verwaltungsverfahren war jedenfalls mit der Feststellung „steuerfrei“ beendet. Ebenso wie beim Anspruch nach § 364 AO geht es auch bei dem hier geprüften Akteneinsichtsrecht um die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs der Verfahrensbeteiligten. Nach Abschluss des Verfahrens fehlt es auch hier an dem für dieses Verfahren erforderlichen Interesse an der Kenntnis der Unterlagen.

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c) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann sie sich auch nicht auf einen sich aus Treu und Glauben ergebenden Auskunftsanspruch berufen.

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aa) Die Pflicht, Treu und Glauben zu genügen (§ 242 BGB), erstreckt sich, weil auf einem allgemeinen Rechtsgedanken beruhend, auch auf das öffentliche Recht (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Januar 1993 8 C 46/91, BVerwGE 92, 8, m.w.N.). Sie ist dementsprechend auch im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt (vgl. BFH-Urteile vom 8. Februar 1996 V R 54/94, BFH/NV 1996, 733; vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990, unter II.1., und vom 8. Februar 1995 I R 127/93, BFHE 177, 332, BStBl II 1995, 764, unter II.C.4., jeweils m.w.N.) und verlangt die Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des anderen Beteiligten im Steuerrechts-(Steuerpflicht-, Steuerschuld-)Verhältnis. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist unmittelbar aus der Gerechtigkeitsidee ableitbar und aus sich heraus Rechtsquelle (BFH-Urteil in BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990).

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Ein Steuerrechtsverhältnis zwischen FA und Erbschaftsteuerpflichtigen besteht aber nach Abschluss des Besteuerungsverfahrens nicht mehr. Doch selbst wenn man in Nachwirkung eines abgeschlossenen Verfahrens gewisse Verpflichtungen des FA aus Treu und Glauben gegenüber den ehemals Verfahrensbeteiligten anerkennen könnte, ergäbe sich daraus im Streitfall kein Anspruch der Klägerin. Denn ein –auf Festsetzung von Erbschaftsteuer gerichtetes– Steuerrechtsverhältnis mit der Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt bestanden. Das Verwaltungsverfahren befand sich im Zeitpunkt der mit Stempelaufdruck auf der „Mitteilung über Sterbefall“ intern getroffenen Feststellung „steuerfrei“ noch im Stadium der Vorprüfung, ob überhaupt ein Besteuerungsverfahren einzuleiten war. Das FA hat dementsprechend auch keine Steuererklärung von einem der am Erbfall Beteiligten gemäß § 31 ErbStG verlangt.

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bb) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus der Rechtsprechung des BGH. Danach gebieten es Treu und Glauben, dem Anspruchsberechtigten einen Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (BGH-Urteil vom 6. Februar 2007 X ZR 117/04, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 2007, 1806, m.w.N.).

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Der BGH hatte, wie schon das Reichsgericht in der Grundsatzentscheidung vom 4. Mai 1923 II 310/22 (RGZ 108, 1), über Auskunftsansprüche gegen einen auf Schadenersatz Verklagten im Hinblick auf das Bestehen und den Umfang des Schadenersatzanspruchs zu entscheiden. Die rechtliche Sonderverbindung zwischen Auskunftsberechtigtem und -verpflichtetem, aus der dem Auskunftsberechtigten Ansprüche zustehen könnten, sah der BGH in dem den Schadenersatzanspruch begründenden Rechtsverhältnis, wenn die Auskunft Voraussetzung für die schlüssige Darlegung des Schadenersatzanspruchs ist.

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Ãœbertragen auf den Streitfall setzte ein auf Treu und Glauben gründender Auskunftsanspruch der Klägerin gegenüber dem FA eine rechtliche Sonderverbindung zwischen ihnen voraus, in deren Rahmen die Klägerin zur Wahrung ihrer Rechte auf die Auskunft angewiesen ist. Eine solche Sonderverbindung bestand im Zeitpunkt der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nicht. Wie bereits erörtert, begründete die Prüfung der Erbschaftsteuerpflicht durch das FA nach dem Tod des Vaters der Klägerin keinerlei Rechtsbeziehung zwischen FA und der Klägerin, die als Sonderverbindung im Sinne der BGH-Rechtsprechung angesehen werden könnte.

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Außerdem benötigt die Klägerin die gewünschten Unterlagen nicht zur Wahrung von Rechten gegenüber dem FA, sondern im Erbschaftsstreit mit ihren Brüdern. Es liegt auf der Hand, dass selbst aus einer bestehenden abgabenrechtlichen „Sonderverbindung“ keine Treuepflicht zur Unterstützung verfahrensfremder Zwecke abzuleiten ist.

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cc) Nach alledem kommt es nicht darauf an, dass sich die Klägerin die erforderlichen Informationen möglicherweise nicht selbst auf zumutbare Weise beschaffen kann (vgl. Palandt/ Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl., § 261 Rz 12, MünchKommBGB/Krüger, 5. Aufl., § 260 Rz 18 f.) und dass die Auskunft vom FA „unschwer“ erteilt werden könnte (BGH-Urteil in NJW 2007, 1806, m.w.N.).

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Auch die Frage, ob das FA der Klägerin möglicherweise ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse, etwa das Steuergeheimnis gemäß Â§ 30 AO bezüglich der steuerlichen Verhältnisse des Erblassers auch über dessen Tod hinaus entgegenhalten könnte, bedarf hiernach keiner Erörterung.

Quelle: Bundesfinanzhof


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