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Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gekippt


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Eine verhältnismäßige Ausgestaltung setzt weiterhin wirksame Sanktionen
bei Rechtsverletzungen voraus. Würden auch schwere Verletzungen des
Telekommunikationsgeheimnisses im Ergebnis sanktionslos bleiben mit der
Folge, dass der Schutz des Persönlichkeitsrechts angesichts der
immateriellen Natur dieses Rechts verkümmern würde, widerspräche dies
der Verpflichtung der staatlichen Gewalt, dem Einzelnen die Entfaltung
seiner Persönlichkeit zu ermöglichen und ihn vor
Persönlichkeitsrechtsgefährdungen durch Dritte zu schützen. Der
Gesetzgeber hat diesbezüglich allerdings einen weiten
Gestaltungsspielraum. Insoweit darf er auch berücksichtigen, dass bei
schweren Verletzungen des Persönlichkeitsrechts bereits nach geltender
Rechtslage sowohl Verwertungsverbote auf der Grundlage einer Abwägung
als auch eine Haftung für immaterielle Schäden begründet sein können,
und somit zunächst beobachten, ob der besonderen Schwere der
Persönlichkeitsverletzung, die in der unberechtigten Erlangung oder
Verwendung der hier in Frage stehenden Daten regelmäßig liegt,
möglicherweise schon auf der Grundlage des geltenden Rechts hinreichend
Rechnung getragen wird.

Anforderungen an die mittelbare Nutzung der Daten zur Identifizierung
von IP-Adressen:

Weniger strenge verfassungsrechtliche Maßgaben gelten für eine nur
mittelbare Verwendung der vorsorglich gespeicherten Daten in Form von
behördlichen Auskunftsansprüchen gegenüber den Diensteanbietern
hinsichtlich der Anschlussinhaber bestimmter, bereits bekannter IP
Adressen. Von Bedeutung ist hierfür zum einen, dass dabei die Behörden
selbst keine Kenntnis der vorsorglich zu speichernden Daten erhalten.
Die Behörden rufen im Rahmen solcher Auskunftsansprüche nicht die
vorsorglich anlasslos gespeicherten Daten selbst ab, sondern erhalten
lediglich personenbezogene Auskünfte über den Inhaber eines bestimmten
Anschlusses, der von den Diensteanbietern unter Rückgriff auf diese
Daten ermittelt wurde. Systematische Ausforschungen über einen längeren
Zeitraum oder die Erstellung von Persönlichkeits und Bewegungsprofilen
lassen sich allein auf Grundlage solcher Auskünfte nicht verwirklichen.
Maßgeblich ist zum anderen, dass für solche Auskünfte nur ein von
vornherein feststehender kleiner Ausschnitt der Daten verwendet wird,
deren Speicherung für sich genommen geringeres Eingriffsgewicht hat und
damit unter deutlich geringeren Voraussetzungen angeordnet werden
könnte.

Allerdings hat auch die Begründung von behördlichen Auskunftsansprüchen
zur Identifizierung von IP Adressen erhebliches Gewicht. Mit ihr wirkt
der Gesetzgeber auf die Kommunikationsbedingungen im Internet ein und
begrenzt den Umfang ihrer Anonymität. Auf ihrer Grundlage kann in
Verbindung mit der systematischen Speicherung der Internetzugangsdaten
hinsichtlich zuvor ermittelter IP Adressen die Identität von
Internetnutzern in weitem Umfang ermittelt werden.

Innerhalb des ihm dabei zustehenden Gestaltungsspielraums darf der
Gesetzgeber solche Auskünfte auch unabhängig von begrenzenden Straftaten
oder Rechtsgüterkatalogen für die Verfolgung von Straftaten, für die
Gefahrenabwehr und die Aufgabenwahrnehmung der Nachrichtendienste auf
der Grundlage der allgemeinen fachrechtlichen Eingriffsermächtigungen
zulassen. Hinsichtlich der Eingriffsschwellen ist allerdings
sicherzustellen, dass eine Auskunft nicht ins Blaue hinein eingeholt
wird, sondern nur aufgrund eines hinreichenden Anfangsverdachts oder
einer konkreten Gefahr auf einzelfallbezogener Tatsachenbasis erfolgen
darf. Ein Richtervorbehalt muss für solche Auskünfte nicht vorgesehen
werden; die Betreffenden müssen von der Einholung einer solchen Auskunft
aber benachrichtigt werden. Auch können solche Auskünfte nicht allgemein
und uneingeschränkt zur Verfolgung oder Verhinderung jedweder
Ordnungswidrigkeiten zugelassen werden. Die Aufhebung der Anonymität im
Internet bedarf zumindest einer Rechtsgutbeeinträchtigung, der von der
Rechtsordnung auch sonst ein hervorgehobenes Gewicht beigemessen wird.
Dies schließt entsprechende Auskünfte zur Verfolgung oder Verhinderung
von Ordnungswidrigkeiten nicht vollständig aus. Es muss sich insoweit
aber um auch im Einzelfall besonders gewichtige Ordnungswidrigkeiten
handeln, die der Gesetzgeber ausdrücklich benennen muss.

Verantwortlichkeit für die Ausgestaltung der Regelungen:
Die verfassungsrechtlich gebotene Gewährleistung der Datensicherheit
sowie einer den Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügenden
normenklaren Begrenzung der Datenverwendung ist ein untrennbarer
Bestandteil der Anordnung der Speicherungsverpflichtung und obliegt
deshalb gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG dem Bundesgesetzgeber. Hierzu
gehören neben den Regelungen zur Sicherheit der gespeicherten Daten auch
die Regelungen zur Sicherheit der Ãœbermittlung der Daten sowie hierbei
die Gewährleistung des Schutzes der Vertrauensbeziehungen. Dem Bund
obliegt darüber hinaus auch die Sicherstellung einer den
verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden, hinreichend
präzisen Begrenzung der Verwendungszwecke der Daten, die mit der
Speicherung verfolgt werden. Demgegenüber richtet sich die Verantwortung
für die Schaffung der Abrufregelungen selbst sowie für die Ausgestaltung
der Transparenz und Rechtsschutzbestimmungen nach den jeweiligen
Sachkompetenzen. Im Bereich der Gefahrenabwehr und der Aufgaben der
Nachrichtendienste liegt die Zuständigkeit damit weithin bei den
Ländern.

5. Zu den Bestimmungen im Einzelnen (Anwendung der Maßstäbe)
Die angegriffenen Vorschriften genügen diesen Anforderungen nicht. Zwar
ist § 113a TKG nicht schon deshalb verfassungswidrig, weil die
Reichweite der Speicherungspflicht von vornherein unverhältnismäßig
wäre. Jedoch entsprechen die Regelungen zur Datensicherheit, zu den
Zwecken und zur Transparenz der Datenverwendung sowie zum Rechtsschutz
nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Damit fehlt es an einer
dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Ausgestaltung der
Regelung insgesamt. §§ 113a, 113b TKG und § 100g StPO, soweit dieser den
Abruf der nach § 113a TKG zu speichernden Daten erlaubt, sind deshalb
mit Art. 10 Abs. 1 GG nicht vereinbar.


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