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Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gekippt


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Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit einer vorsorglich anlasslosen
Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten setzt voraus, dass diese
eine Ausnahme bleibt. Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht
total erfasst und registriert werden darf, gehört zur
verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, für
deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und
internationalen Zusammenhängen einsetzen muss. Durch eine vorsorgliche
Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten wird der Spielraum für
weitere anlasslose Datensammlungen auch über den Weg der Europäischen
Union erheblich geringer.

4. Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Ausgestaltung der Regelung (Maßstäbe)
Angesichts des besonderen Gewichts einer vorsorglichen
Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung ist diese nur dann mit Art.
10 Abs. 1 GG vereinbar, wenn ihre Ausgestaltung besonderen
verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Es bedarf insoweit
hinreichend anspruchsvoller und normenklarer Regelungen zur
Datensicherheit, zur Begrenzung der Datenverwendung, zur Transparenz und
zum Rechtsschutz.

Anforderungen an die Datensicherheit:
Angesichts des Umfangs und der potentiellen Aussagekraft der mit einer
solchen Speicherung geschaffenen Datenbestände ist die Datensicherheit
für die Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Vorschriften von großer
Bedeutung. Erforderlich sind gesetzliche Regelungen, die ein besonders
hohes Maß an Sicherheit jedenfalls dem Grunde nach normenklar und
verbindlich vorgeben. Dabei steht es dem Gesetzgeber frei, die
technische Konkretisierung des vorgegebenen Maßstabs einer
Aufsichtsbehörde anzuvertrauen. Der Gesetzgeber hat dabei jedoch
sicherzustellen, dass die Entscheidung über Art und Maß der zu
treffenden Schutzvorkehrungen nicht letztlich unkontrolliert in den
Händen der jeweiligen Telekommunikationsanbieter liegt.

Anforderungen an die unmittelbare Datenverwendung:
Angesichts des Gewichts der Datenspeicherung kommt eine Verwendung der
Daten nur für überragend wichtige Aufgaben des Rechtsgüterschutzes in
Betracht.

Für die Strafverfolgung folgt hieraus, dass ein Abruf der Daten
zumindest den durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer auch
im Einzelfall schwerwiegenden Straftat voraussetzt. Welche
Straftatbestände hiervon umfasst sein sollen, hat der Gesetzgeber
abschließend mit der Verpflichtung zur Datenspeicherung festzulegen.

Für die Gefahrenabwehr ergibt sich aus dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass ein Abruf der vorsorglich
gespeicherten Telekommunikationsverkehrsdaten nur bei Vorliegen einer
durch bestimmte Tatsachen hinreichend belegten, konkreten Gefahr für
Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die
Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder zur Abwehr einer gemeinen
Gefahr zugelassen werden darf. Diese Anforderungen gelten, da es auch
insoweit um eine Form der Gefahrenprävention geht, gleichermaßen für die
Verwendung der Daten durch die Nachrichtendienste. Eine Verwendung der
Daten von Seiten der Nachrichtendienste dürfte damit freilich in vielen
Fällen ausscheiden. Dies liegt jedoch in der Art ihrer Aufgaben als
Vorfeldaufklärung und begründet keinen verfassungsrechtlich hinnehmbaren
Anlass, die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden
Voraussetzungen für einen Eingriff der hier vorliegenden Art
abzumildern.

Verfassungsrechtlich geboten ist als Ausfluss des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überdies, zumindest für einen engen
Kreis von auf besondere Vertraulichkeit angewiesenen
Telekommunikationsverbindungen ein grundsätzliches Ãœbermittlungsverbot
vorzusehen. Zu denken ist hier etwa an Verbindungen zu Anschlüssen von
Personen, Behörden und Organisationen in sozialen oder kirchlichen
Bereichen, die grundsätzlich anonym bleibenden Anrufern ganz oder
überwiegend telefonische Beratung in seelischen oder sozialen Notlagen
anbieten und die selbst oder deren Mitarbeiter insoweit anderen
Verschwiegenheitsverpflichtungen unterliegen.

Anforderungen an die Transparenz der Datenübermittlung:
Der Gesetzgeber muss die diffuse Bedrohlichkeit, die die als solche
nicht spürbare Datenspeicherung und verwendung für die Bürger erhalten
können, durch wirksame Transparenzregeln auffangen. Hierzu zählt der
Grundsatz der Offenheit der Erhebung und Nutzung von personenbezogenen
Daten. Eine Verwendung der Daten ohne Wissen des Betroffenen ist
verfassungsrechtlich nur dann zulässig, wenn andernfalls der Zweck der
Untersuchung, dem der Datenabruf dient, vereitelt wird. Für die
Gefahrenabwehr und die Wahrnehmung der Aufgaben der Nachrichtendienste
darf der Gesetzgeber dies grundsätzlich annehmen. Demgegenüber kommt im
Rahmen der Strafverfolgung auch eine offene Erhebung und Nutzung der
Daten in Betracht. Eine heimliche Verwendung der Daten darf hier nur
vorgesehen werden, wenn sie im Einzelfall erforderlich und richterlich
angeordnet ist. Soweit die Verwendung der Daten heimlich erfolgt, hat
der Gesetzgeber die Pflicht einer zumindest nachträglichen
Benachrichtigung vorzusehen. Diese muss gewährleisten, dass diejenigen,
auf die sich eine Datenabfrage unmittelbar bezogen hat, wenigstens im
Nachhinein grundsätzlich in Kenntnis zu setzen sind. Ausnahmen hiervon
bedürfen der richterlichen Kontrolle.

Anforderungen an den Rechtsschutz und an Sanktionen:
Eine Ãœbermittlung und Nutzung der gespeicherten Daten ist grundsätzlich
unter Richtervorbehalt zu stellen. Sofern ein Betroffener vor
Durchführung der Maßnahme keine Gelegenheit hatte, sich vor den
Gerichten gegen die Verwendung seiner Telekommunikationsverkehrsdaten
zur Wehr zu setzen, ist ihm eine gerichtliche Kontrolle nachträglich zu
eröffnen.


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