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BFH XI R 39/08 – EuGH-Vorlage zum Anwendungsbereich der mehrwertsteuerrechtlichen "Sonderregelung für Reisebüros"


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23 Eine solche Auffassung liefe nämlich den Zwecken des Artikels 26 der Richtlinie zuwider. Wie bereits ausgeführt, passt Artikel 26 die Mehrwertsteuervorschriften dem besonderen Wesen der Tätigkeit von Reiseveranstaltern an. Diese Veranstalter bieten, um den Wünschen der Kundschaft zu entsprechen, sehr unterschiedliche Ferien- und Reiseformen an, die es dem Reisenden erlauben, nach seinen Vorstellungen Beförderungs-, Unterkunfts- und sonstige Leistungen zu kombinieren, die diese Veranstalter erbringen können. Würden vom Anwendungsbereich des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie Leistungen eines Reiseveranstalters ausgeschlossen, die nur die Unterkunft und nicht die Beförderung des Reisenden umfassten, so führte das zu einer komplexen steuerlichen Regelung, in der die anwendbaren Mehrwertsteuervorschriften davon abhingen, welche Bestandteile die dem Reisenden angebotenen Leistungen umfassten. Eine solche Steuerregelung widerspräche den Zielen der Richtlinie.

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24 Dass ein Reiseveranstalter einem Reisenden nur eine Ferienwohnung zur Verfügung stellt, ist somit kein hinreichender Grund dafür, diese Leistung vom Anwendungsbereich des Artikels 26 der Richtlinie auszuschließen. Wie der Gerichtshof im Ãœbrigen in seinem Urteil vom 26. Februar 1992 in der Rechtssache C-280/90 (Hacker, Slg. 1992, I-1111) zur Auslegung des Artikels 16 Nr. 1 des Ãœbereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ausgeführt hat, kann die vom Reiseveranstalter erbrachte Leistung selbst dann mehr als eine Leistung umfassen, wenn nur die Unterkunft erbracht wird, da neben die Vermietung der Wohnung noch Leistungen wie die Unterrichtung und Beratung treten, durch die der Reiseveranstalter für Ferien- und Wohnungsbuchungen eine große Auswahl anbietet. Somit besteht kein Grund solche Leistungen vom Anwendungsbereich des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie auszuschließen, soweit der Eigentümer oder Nutznießer der Wohnung, mit dem der Veranstalter einen Vertrag geschlossen hat, selbst mehrwertsteuerpflichtig ist, wie es Artikel 26 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie vorschreibt.“

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b) Diesen Ausführungen vermag der Senat nicht mit hinreichender Sicherheit den –im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung des § 25 UStG zu berücksichtigenden– Anwendungsbereich von Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zu entnehmen.

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aa) Einerseits könnten die Ausführungen in Randnr. 23 des Urteils Van Ginkel in Slg. 1992, I-5723, UR 1995, 302 bedeuten, dass eine Einzelleistung eines Reisebüros oder Reiseveranstalters nur dann unter Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG fällt, wenn sie in einer der Kernleistungen der von dieser Bestimmung erfassten Wirtschaftsteilnehmer, nämlich entweder in einer Beförderungsleistung oder in einer Unterbringungsleistung (z.B. Vermietung einer Ferienwohnung), besteht.

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bb) Andererseits spricht die Begründung in Randnr. 21 des Urteils Van Ginkel in Slg. 1992, I-5723, UR 1995, 302 dafür, dass Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG –unabhängig von der Art der erbrachten Leistung und deren Bezug zu einer Reise– bereits dann anwendbar ist, wenn das Reisebüro oder der Reiseveranstalter im eigenen Namen und nicht als Vermittler handelt.

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Dafür lässt sich auch das EuGH-Urteil vom 13. Oktober 2005 Rs. C-200/04 –IST– (Slg. 2005, I-8691, BFH/NV Beilage 2006, 34) anführen, in dem es zum Anwendungsbereich von Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG in Randnr. 34 heißt:

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„34. Zwar enthält dieser Artikel keine Definition des Reisebegriffs. Doch ist es für seine Anwendung nicht erforderlich, dass die Bestandteile der Reisen vorher näher angegeben werden. Er ist nämlich anwendbar, sofern der betreffende Wirtschaftsteilnehmer die Eigenschaft eines Wirtschaftsteilnehmers im Sinne der Sonderregelung für Reisebüros besitzt, dass er im eigenen Namen auftritt und dass er für seine Umsätze Lieferungen und Leistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch nimmt. Insbesondere ist bei den nach Artikel 26 der Sechsten Richtlinie zu besteuernden Umsätzen eines Wirtschaftsteilnehmers das einzige relevante Kriterium für die Anwendung dieses Artikels der Haupt- oder Hilfscharakter der Reiseleistung.“

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cc) Die Klärung dieser Zweifel, wie der Anwendungsbereich des Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zu bestimmen ist, ist dem EuGH vorbehalten.

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3. Die Anrufung des EuGH beruht auf Art. 234 Satz 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.

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4. Die Aussetzung des Revisionsverfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung.

Quelle: Bundesfinanzhof



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