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BFH X R 14/08 – Änderung eines Steuerbescheides bei Zusammenveranlagung


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Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren die unmittelbaren Auswirkungen des rückwirkenden Wegfalls der in § 14a Abs. 4 EStG aufgeführten Begünstigungsvoraussetzung auf einen dem ursprünglichen Bescheid zugrunde liegenden einheitlichen Sachverhalt, und nicht dessen im ursprünglichen Bescheid unterschiedliche und teilweise fehlerhafte Beurteilung. An einem solchen einheitlichen Sachverhalt fehlt es dagegen in dem vom erkennenden Senat zu beurteilenden Streitfall.

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Der nachträgliche und rückwirkende Wegfall der Sozialversicherungspflicht des Klägers betrifft unmittelbar allein die Beurteilung seiner steuerlichen Verhältnisse in Bezug auf den Vorwegabzug, während es sich bei der Frage, ob und in welchem Umfang die steuerlichen Verhältnisse der Klägerin eine Kürzung des Vorwegabzugs verlangen, um einen anderen von den Verhältnissen des Klägers unabhängigen Sachverhalt handelt. Dass sich bei der Zusammenveranlagung der Kläger zur Einkommensteuer wechselseitige Folgen aus der Beurteilung der jeweiligen steuerlichen Verhältnisse ergeben können, führt nicht dazu, Fehler, die im ursprünglichen Bescheid bei der Bemessung des Höchstbetrags für Vorsorgeaufwendungen unterlaufen sind, über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO berichtigen zu können. Selbst wenn dem FA bereits bei Erlass der ursprünglichen Bescheide bekannt gewesen wäre, dass der Kläger nicht der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht unterliegt, hätte es aufgrund der Angaben in den Steuererklärungen nicht anders entschieden als in den Bescheiden vom 18. Juli 2001.

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c) Die in den Bescheiden vom 18. Juli 2001 unterbliebene Berücksichtigung der zutreffenden steuerlichen Verhältnisse der Klägerin, kann nicht über § 177 Abs. 2 AO berichtigt werden.

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Zwar ist § 177 Abs. 2 AO auch bei Änderungen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO anwendbar. Die Saldierung von materiell-rechtlichen Fehlern nach § 177 AO ist aber nur möglich, soweit die Bestandskraft eines Bescheides durch eine Änderung bereits durchbrochen ist. Der Berichtigungsrahmen darf weder überschritten noch unterschritten werden.

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Die Kläger verlangen jedoch eine darüber hinausgehende Änderung. Sie begehren, die Einkommensteuer für die Streitjahre noch niedriger als in den Änderungsbescheiden vom 18. Juli 2001 festzusetzen, was mit Hilfe von § 177 Abs. 2 AO nicht möglich ist.

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3. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Änderung der Bescheide vom 18. Juli 2001 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.

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a) Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung führen, wenn den Steuerpflichtigen am nachträglichen Bekanntwerden kein grobes Verschulden trifft.

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Die maßgebliche Tatsache besteht im Streitfall darin, dass für die Klägerin keine Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht wurden und sie auch nicht zu dem in § 10c Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG genannten Personenkreis gehörte. Im Rahmen des § 173 AO kommt einer Tatsache Bedeutung nur dann zu, wenn sie rechtserheblich ist.

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Entgegen der Auffassung der Kläger ist die erst nach Erlass der angefochtenen Bescheide vom 18. Juli 2001 dem FA bekanntgewordene Tatsache rechtserheblich. Der Umfang des Vorwegabzugs ist davon abhängig, ob für den Steuerpflichtigen Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht wurden oder ob er zu dem in § 10c Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG genannten Personenkreis gehörte. Dieser Umstand verliert nicht dadurch seine Bedeutung, dass bei einer Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26b EStG seine Wirkung durch die steuerlichen Verhältnisse des anderen Ehepartners beeinflusst werden kann. Daher war die Klägerin verpflichtet, die im Erklärungsvordruck abgefragten ergänzenden Angaben zu den Altersvorsorgeaufwendungen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend zu machen.

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b) Die Kläger trifft ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der Tatsache, dass für die Klägerin keine Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht wurden und sie auch nicht zu dem in § 10c Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG genannten Personenkreis gehörte.

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Bezugspunkt für das grobe Verschulden, das bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit vorliegt, ist die Verletzung von Mitwirkungs- und Erklärungspflichten. Wer seine Mitwirkungs- und Erklärungspflichten kennt und ihre Verletzung will oder bewusst in Kauf nimmt, oder die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen und Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt, handelt vorsätzlich bzw. grob fahrlässig. Der Steuerpflichtige muss die Steuererklärungsformulare sorgfältig lesen und ausfüllen. Bei Zweifelsfragen muss er sich um Klärung durch Rückfrage beim FA bemühen. Insoweit haben die Kläger bei der Abgabe ihrer Steuererklärungen ihre Mitwirkungs- und Erklärungspflichten hinsichtlich der den Vorwegabzug der Klägerin betreffenden Tatsachen grob schuldhaft verletzt, da sie auf eine klare Frage eine unzweifelhaft dem tatsächlichen Sachverhalt widersprechende fehlerhafte Auskunft gegeben haben. Von den auch bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung sachkundig beratenen Klägern konnte verlangt werden, dass sie eine dem tatsächlichen Sachverhalt entsprechende Angabe zu den Vorsorgeaufwendungen machen. Auch wäre den Klägern ein Verschulden des steuerlichen Beraters zuzurechnen.

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c) Das Vorbringen der Kläger, der rechtzeitig eingelegte Einspruch gegen die Änderungsbescheide vom 18. Juli 2001 schließe die Annahme groben Verschuldens aus, greift nicht. Ihm steht § 351 Abs. 1 Halbsatz 1 AO entgegen. Die Änderungsbescheide vom 18. Juli 2001 haben die nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist unanfechtbar gewordenen ursprünglichen Steuerfestsetzungen für die Streitjahre geändert. Das Begehren der Kläger geht über die vorgenommenen Änderungen hinaus und kann wie oben dargelegt seinerseits nicht auf Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Bescheiden gestützt werden.

Quelle: Bundesfinanzhof



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