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BFH X R 14/08 – Änderung eines Steuerbescheides bei Zusammenveranlagung


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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

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Das FA bringt vor, entgegen der Auffassung der Kläger stehe die begehrte Bereinigung des Rechtsfehlers nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem rückwirkenden Ereignis, das zur Änderung der ursprünglichen Steuerbescheide geführt habe. Die Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheide aus, weil die Kläger am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsache grobes Verschulden treffe.

II.
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Die Revision ist unbegründet. Die Kläger können weder nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO noch nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO eine Änderung der angefochtenen Bescheide vom 18. Juli 2001 mit dem Inhalt verlangen, dass ihnen der ungekürzte Vorwegabzug zusteht, auch wenn weder beim Kläger noch bei der Klägerin die Voraussetzungen für eine Kürzung des Vorwegabzugs nach § 10 Abs. 3 Satz 2 EStG gegeben waren.

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1. Materiell-rechtlich werden der Vorwegabzug und seine Kürzung in § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG geregelt.

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a) Der Vorwegabzug soll Steuerpflichtigen, die die Kosten ihrer Zukunftssicherung allein aufbringen müssen, einen gewissen Ausgleich dafür schaffen, dass bei Arbeitnehmern der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge zur Zukunftssicherung übernimmt und dass dieser Anteil zur gesetzlichen Sozialversicherung steuerfrei bleibt. Zur Verwirklichung dieses Zwecks wird der Vorwegabzug zunächst allen Steuerpflichtigen in voller Höhe gewährt; anschließend erfolgt in einem zweiten Schritt jedoch eine Kürzung des Vorwegabzugs bei den Personen, die nach der Wertung des Gesetzgebers einer solchen Begünstigung ganz oder teilweise nicht bedürfen (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 16. Oktober 2002 XI R 61/00, BFHE 200, 540, BStBl II 2003, 183, m.w.N.). Das ist vor allem davon abhängig, ob der Steuerpflichtige Einnahmen aus einem aktiven nichtselbstständigen Beschäftigungsverhältnis bezogen hat und ob ihm im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses besondere Vorteile in Gestalt arbeitgeberfinanzierter Ansprüche auf Altersversorgung oder auf Zukunftssicherung zugute gekommen sind, die einen Ausschluss von der mit einem ungekürzten Vorwegabzug verbundenen Begünstigung rechtfertigen. Sind Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht oder Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ohne eigene Beitragsleistung erworben worden, ist ein weiterer Vorwegabzug nicht geboten (vgl. BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 71/00, BFHE 200, 544, BStBl II 2003, 343).

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b) In welcher Höhe dem Steuerpflichtigen der Vorwegabzug zusteht, ist für jeden Steuerpflichtigen isoliert zu ermitteln. Das gilt auch im Falle der Zusammenveranlagung nach § 26b EStG. Zwar kann die Zusammenveranlagung zur Folge haben, dass bei Vorliegen eines Grundes zur Kürzung des Vorwegabzugs bei nur einem der beiden Ehegatten bei entsprechender Höhe seiner/ ihrer Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit der Vorwegabzug in der beiden zustehenden Höhe entfällt (Senatsurteil vom 4. März 1998 X R 109/95, BFH/NV 1998, 1466). Daraus folgt jedoch nicht, dass die Ermittlung der Höhe des Vorwegabzugs bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten ein einheitlich zu betrachtender Sachverhalt ist. Zunächst ist auf die steuerlichen Verhältnisse des einzelnen Steuerpflichtigen abzustellen.

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aa) Auf die Person des Klägers bezogen durfte das FA beim Erlass der ursprünglichen Steuerbescheide den Vorwegabzug aufgrund seiner steuerlichen Verhältnisse in voller Höhe kürzen, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt mit Zahlungen aufgrund gesetzlicher Sozialversicherungspflicht belastet war und die Höhe seiner Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit die volle Kürzung rechtfertigten. Mit dem Wegfall der Sozialversicherungspflicht war allerdings der Grund für die Kürzung des Vorwegabzugs entfallen. Rückblickend gab es in den Streitjahren keinen Grund, den Vorwegabzug aufgrund der steuerlichen Verhältnisse des Klägers zu kürzen. Daraus ergab sich für das FA nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO die Pflicht, die ursprünglichen Bescheide insofern zu korrigieren, als die Kürzung des Vorwegabzugs nicht länger von den steuerlichen Verhältnissen des Klägers abhängig war. Dem tragen die Bescheide vom 18. Juli 2001 Rechnung.

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bb) Auf die Person der Klägerin bezogen war das FA sowohl beim Erlass der ursprünglichen Bescheide wie der Bescheide vom 18. Juli 2001 nach seinem damaligen Kenntnisstand ebenfalls zur Kürzung des Vorwegabzugs berechtigt. Die Klägerin gehörte nach ihren Angaben in den Steuererklärungen zu dem Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG, bei dem eine Kürzung des Vorwegabzugs vorgesehen ist. Dass entgegen den Angaben der Klägerin für sie tatsächlich keine vorwegabzugsschädliche Anwartschaft auf eine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beiträge bestand, begründet zwar die Fehlerhaftigkeit der betroffenen Bescheide, rechtfertigt jedoch nicht deren Änderung.

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2. Die Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufgrund der rückwirkenden Änderung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers zwingt nicht dazu, beim Erlass der Änderungsbescheide die Folgen der später als fehlerhaft erkannten Angaben der Klägerin über ihre steuerlichen Verhältnisse zu beseitigen.

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a) Zwar waren die ursprünglichen Bescheide nach dieser Vorschrift zu ändern, nachdem die Sozialversicherungspflicht des Klägers mit Wirkung in die Vergangenheit weggefallen war. Aber dieses rückwirkende Ereignis betrifft trotz der Zusammenveranlagung der beiden Kläger allein die steuerlichen Verhältnisse des Klägers. Seine Wirkung auf die Ermittlung des Höchstbetrags der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen der zusammen veranlagten Kläger ist lediglich ein Reflex. Diese nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderte Beurteilung des Vorwegabzugs beim Kläger hat keinen rückwirkenden Einfluss auf die Beurteilung des Vorwegabzugs bei der Klägerin. Daran scheitert das Begehren der Kläger, ihren Veranlagungen den ungekürzten Vorwegabzug zugrunde zu legen.

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b) Entgegen der Auffassung der Kläger ergibt sich aus dem BFH-Urteil vom 23. November 2000 IV R 85/99 (BFHE 193, 75, BStBl II 2001, 122) nichts Gegenteiliges.



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