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BFH VII R 9, 10/09- Vorlage an den EuGH zur Besteuerung von Flugbenzin


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c) Aus der Entstehungsgeschichte der Regelung lassen sich für beide Auffassungen Argumente gewinnen. Vorgängervorschrift zu Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96/EG war der im Wortlaut identische Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 der Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle –Richtlinie 92/81/EWG– (ABlEG Nr. L 316/12). Die in der Richtlinie 92/81/EWG getroffene Regelung geht auf Vorschläge der Europäischen Kommission aus den Jahren 1973 und 1991 zurück. Den ursprünglichen Ansatz, den Mitgliedstaaten die Besteuerung von Luftfahrtbetriebsstoffen freizustellen, gab die Europäische Kommission 1973 auf. In der Gesamtmitteilung zur Vollendung des Binnenmarktes vom 20. Juli 1987 (KOM (87) 320) wies sie darauf hin, dass Kerosin vor allem als Treibstoff für Flugmotoren (Turboprob und Turbojet) verwendet werde und in der Regel im gewerblichen Verwendungsbereich verbrauchsteuerfrei sei. In ihrem Vorschlag zur Harmonisierung der Steuerstruktur (ABlEG Nr. C 92 vom 31. Oktober 1973) schlug sie daher die Einführung einer gemeinschaftsweiten Freistellung vor. Für die nicht steuerfreie Verwendung in Privatflugzeugen sollten gleiche Steuersätze für Kerosin und Benzin zur Anwendung kommen.


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An dieser Auffassung hielt die Kommission bis zur Verabschiedung der Richtlinie 92/81/EWG fest. In der Begründung des 1991 vorgelegten Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle (KOM (90) 434 endg.) bekräftigte die Kommission die Absicht, die gegenwärtige Befreiung für Öllieferungen für internationale kommerzielle Flüge auf den gesamten kommerziellen Flugverkehr auszudehnen. Dies bedeute eine Gleichbehandlung von Flügen zwischen allen beliebigen Punkten innerhalb der Gemeinschaft, was dem schrankenlosen Binnenmarkt entspreche. Dagegen sollten Treibstofflieferungen für den privaten Flugverkehr aufgrund der bestehenden Praxis steuerpflichtig sein. Die in Art. 8 Abs. 1 Buchst. d des Vorschlags gewählte Formulierung, nach der eine Befreiung für „Mineralöllieferungen zur Verwendung als Treibstoff für die Luftfahrt im Gegensatz zur privaten Vergnügungsluftfahrt“ angeordnet wurde, fand schließlich weitgehend Eingang in den im Oktober 1993 vom Rat verabschiedeten Richtlinientext. Allerdings wurde bei nachfolgenden Ãœbersetzungen der Begriff „Vergnügungsluftfahrt“ durch den Begriff „nichtgewerbliche Luftfahrt“ ersetzt.

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d) Auch dem 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/96/EG lassen sich Argumente für und gegen eine enge Auslegung des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie entnehmen. Durch den Hinweis auf bestehende internationale Verpflichtungen werden internationale Luftverkehrsabkommen und insbesondere das Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt vom 7. Dezember 1944 (Chicagoer Abkommen) in Bezug genommen. Mitgliedstaaten sollte demnach ermöglicht werden, in Erfüllung dieser Abkommen und zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit Luftfahrtunternehmen weiterhin von der Mineralölbesteuerung auszunehmen. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Chicagoer Abkommen nicht auf Luftfahrtunternehmen beschränkt ist. Auch stehen Unternehmen, die kein Luftverkehrsgewerbe betreiben, aber dennoch Flugzeuge zur Erreichung des Unternehmenszwecks einsetzen, ebenfalls in einem Wettbewerb zu in anderen Mitgliedstaaten ansässigen und international operierenden Unternehmen. Schließlich lässt sich dem Wortlaut des 23. Erwägungsgrundes entnehmen, dass nur die Luftfahrt zu privaten Vergnügungszwecken von der Befreiung ausgenommen werden soll. Der verwendete Begriff ist damit enger als die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG gewählte Formulierung.

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e) Im Gegensatz zur deutschen Fassung des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 der Richtlinie 2003/96/EG gibt die englische und französische Fassung der Befreiungsvorschrift den Wortlaut des 1991 beratenen Entwurfs unverändert wieder. Danach erstreckt sich die Steuerbegünstigung auf „energy products supplied for use as fuel for the purpose of air navigation other than in private pleasure-flying“. Nach der französischen Fassung sind von der Energiesteuer befreit „les produits énergétiques fournis en vue d’une utilisation comme carburant ou combustible pour la navigation aérienne autre que l’aviation de tourisme privée“. Diese Sprachfassungen könnten darauf hindeuten, dass insbesondere die Sportfliegerei in den Blick des Gemeinschaftsgesetzgebers genommen wurde. Eine Steuerbefreiung käme danach nicht in Betracht für Flüge, die zur Erholung und zum Vergnügen durchgeführt werden und die keinen Bezug zu einer Erwerbstätigkeit aufweisen. Andere –erwerbsbezogene– Flüge wären als zu kommerziellen Zwecken durchgeführte Flüge von der Steuer zu befreien. Bei dieser weiten Auslegung von Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG, die auch freiberuflich Tätige (z.B. Rechtsanwälte oder Ärzte) erfasst, stünde die vom deutschen Gesetzgeber vorgenommene Beschränkung der zu gewährenden Mineralölsteuerbefreiung auf Luftfahrtunternehmen nicht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht.

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f) Auf ein Verständnis des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 der Richtlinie 2003/96/EG, nach dem die Befreiung unabhängig davon zu gewähren ist, ob die Energieerzeugnisse von luftverkehrsrechtlich zugelassenen Luftfahrtunternehmen verwendet werden, könnte schließlich die Rechtsprechung des EuGH zur vergleichbaren Vorschrift des Art. 8 Abs. 1 Buchst. c Satz 1 der Richtlinie 92/81/EWG (jetzt Art. 14 Abs. 1 Buchst. c Satz 1 der Richtlinie 2003/96/EG) hinweisen. In Bezug auf die Steuerbefreiung für Schiffsbetriebsstoffe hat der EuGH entschieden, dass unter „Schifffahrt in Meeresgewässern der Gemeinschaft (einschließlich Fischerei); … ausgenommen … die private nichtgewerbliche Schifffahrt“ jede Form der Schifffahrt unabhängig vom Zweck der jeweiligen Fahrt zu verstehen sei, wenn sie zu kommerziellen Zwecken erfolge. Hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber bestimmte Arten kommerzieller Schifffahrt von der Befreiung ausnehmen wollen, hätte er dies ausdrücklich festlegen müssen (EuGH-Urteil vom 1. April 2004 C-389/02 –Deutsche See-Bestattungs-Genossenschaft–, Slg. 2004, I-3537). Allerdings wurde in dem entschiedenen Fall das Bestattungsschiff selbst zur Erreichung des mit ihm verfolgten kommerziellen Zwecks eingesetzt. Der EuGH hatte keinen Anlass darüber zu entscheiden, ob ein nur mittelbarer Zusammenhang des Einsatzes eines Schiffes mit der kommerziellen Tätigkeit eines Unternehmens zur Erlangung der Steuerbefreiung als ausreichend erachtet werden kann.


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