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BFH VII R 43/08 Insolvenzanfechtung der Zahlung der Organgesellschaft auf die Steuerschuld des Organträgers


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1. Eine sog. Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO kommt im Streitfall nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist eine unentgeltliche Leistung, sofern sie innerhalb von vier Jahren vor Insolvenzeröffnung vorgenommen worden ist, anfechtbar. Eine unentgeltliche Leistung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), der sich der Senat anschließt, auch in der Zuwendung an einen Dritten, wenn dessen Forderung gegen den Schuldner nicht werthaltig war. War nämlich die Forderung nicht werthaltig, verliert der Dritte mit dem Erlöschen dieser Forderung durch die Zahlung des späteren Insolvenzschuldners (§ 47 AO i.V.m. § 267 BGB) wirtschaftlich nichts, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann (vgl. BGH-Urteile vom 16. November 2007 IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228; vom 5. Februar 2004 IX ZR 473/00, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht –ZInsO– 2004, 499, m.w.N.).

Im Streitfall bestand nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) eine Organschaft, d.h. die Organgesellschaft war finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes –UStG–). Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG ist der Organträger Schuldner der auf die Umsätze der Organschaft entfallenden Umsatzsteuer. Eine Zahlung auf eine fremde Schuld liegt damit vor. Sie war aber keine unentgeltliche Leistung. Zwar enthält das FG-Urteil keine Feststellungen zur Leistungsfähigkeit des Organträgers. Da das FA aber selbst keine Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Organträgers hat und dessen Vorbringen im Revisionsverfahren zu entnehmen ist, dass er nicht insolvent ist, kann der Senat hiervon ausgehen. Die Tilgung der fremden Schuld ist deshalb als entgeltliche Leistung nicht nach § 134 InsO anfechtbar.

2. Eine Anfechtung nach § 132 oder § 133 InsO scheitert daran, dass das FA nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG zur Zeit der Zahlung weder die Zahlungsunfähigkeit der Organgesellschaft noch eine eventuelle Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Organträgers gekannt hat.

3. Der Kläger ist zur Anfechtung der Leistung der Organgesellschaft auf die Steuerschuld des Organträgers auch nicht gemäß Â§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO berechtigt.

a) Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt hat, die er nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

aa) Durch die Zahlung der Organgesellschaft am 27. Februar 2003, einen Tag vor Eröffnung ihres Insolvenzverfahrens, hat das FA die vom Organträger für den Voranmeldungszeitraum Februar 2003 geschuldete Umsatzsteuer erhalten. Zu diesem Zeitpunkt hatte das FA die Steuer noch nicht zu beanspruchen, sie wurde gemäß § 18 Abs. 1 UStG erst am 10. des Folgemonats fällig. Dem FA ist dadurch Befriedigung gewährt worden, denn durch die Zahlung ist die Steuerschuld –vorbehaltlich einer wirksamen Anfechtung– erloschen, § 47 AO, § 267 BGB (vgl. Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 47 Rz 4, m.w.N.). Die Zahlung ist als Rechtshandlung der Organgesellschaft gegenüber dem FA zu qualifizieren, auch soweit die Leistung auf die Steuerschuld, bereicherungsrechtlich also gegenüber dem Organträger, erbracht worden ist. Wie der BGH zu dem § 131 InsO insoweit entsprechenden § 30 Nr. 2 der Konkursordnung erkannt hat, ist der Begriff der Rechtshandlung im Sinne des Anfechtungsrechts nicht identisch mit dem bereicherungsrechtlichen Begriff der Leistung. Der anfechtungsrechtliche Begriff der Rechtshandlung ist im weitesten Sinne zu verstehen. Er meint jedes Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann. Dazu zählen neben Willenserklärungen auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen wie etwa die vorliegende Zahlung (vgl. BGH-Urteil in ZInsO 2004, 499, m.w.N.).

bb) Das FA ist aber nicht Insolvenzgläubiger i.S. des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Die Zahlung der Organgesellschaft ist Tilgung einer fremden Verbindlichkeit (s.o. unter 1.). Eine solche ist aus insolvenzrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht im Wege der Anfechtung der Zahlung der Organgesellschaft an das FA rückgängig zu machen, weil zur Masse ein Befreiungs- oder Rückgriffsanspruch gegen den Schuldner gehört, dessen Schuld der Insolvenzschuldner erfüllt hat, und weil deshalb die Insolvenzgläubiger nicht benachteiligt sind (BGH-Urteil in ZInsO 2004, 499).

Der Senat teilt nicht die in der obergerichtlichen Zivilrechtsprechung vertretene Auffassung, dass bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen der Insolvenzschuldnerin als Organgesellschaft und einem Organträger im Fall der Zahlung der Umsatzsteuer durch die Organgesellschaft das FA stets Insolvenzgläubiger i.S. des § 131 InsO ist (vgl. Oberlandesgericht –OLG– Köln, Beschluss vom 14. Dezember 2005 2 U 89/05, ZInsO 2006, 1329; bezugnehmend darauf OLG Nürnberg, Beschluss vom 9. März 2009 4 U 2506/08, juris).

Zwar mag eine Insolvenzanfechtung ausnahmsweise in Betracht kommen, auch wenn der Insolvenzschuldner auf eine fremde Schuld gezahlt hat (vgl. Henckel in Jaeger, Insolvenzordnung, § 130 Rz 19). Das soll nach zivilrechtlicher Betrachtung dann der Fall sein, wenn ein Befreiungs- oder Rückgriffsanspruch des Insolvenzschuldners, der Organgesellschaft, gegen den Organträger nicht besteht und der Zahlungsempfänger einen Anspruch gegen die Organgesellschaft auf die Sicherung oder Befriedigung hatte.



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