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BFH VI R 63/08 Studiengebühren sind keine außergewöhnlichen Belastungen


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d) Gleichwohl können Eltern Aufwendungen für die Berufsausbildung ihrer Kinder nicht nach § 33 EStG in Abzug bringen. Ausbildungsunterhalt i.S. von § 1610 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) –zu dem wie im Streitfall auch Studiengebühren gehören können (vgl. Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 23. Dezember 2008 11 UF 519/08, Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2009, 1153)– ist kein atypischer Unterhaltsaufwand. Von § 33 EStG werden jedoch nur solche Unterhaltskosten erfasst, die einem über den üblichen Lebensunterhalt hinausgehenden besonderen und damit außergewöhnlichen Bedarf, beispielsweise einem krankheitsbedingten Ausbildungsmehrbedarf (Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 22. Dezember 2004 III B 169/03, BFH/NV 2005, 699), dienen (Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33a Rz B 1; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33a EStG Rz 189). Typische (übliche) Unterhaltsaufwendungen sind lediglich nach § 33a Abs. 1 EStG –dessen Voraussetzungen hier unstreitig nicht vorliegen– abziehbar (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 57/05, BFHE 222, 338, BStBl II 2009, 365).


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2. Hat der Steuerpflichtige ausbildungsbedingte Mehraufwendungen, die keine Krankheitskosten sind, wird er in erster Linie durch den Kinderfreibetrag bzw. das Kindergeld sowie seit dem Veranlagungszeitraum 2002 den Sonderbedarfsfreibetrag (bis Veranlagungszeitraum 2001 durch den Ausbildungsfreibetrag) steuerlich entlastet. Die typisierenden und pauschalierenden besonderen Regelungen im Rahmen des Familienleistungsausgleichs und des § 33a Abs. 2 EStG gelten alle durch den Unterhalt und die Ausbildung verursachten Belastungen ab und schließen damit eine Berücksichtigung von zusätzlichen Kosten für den Unterhalt und die Ausbildung eines Kindes gemäß Â§ 33 EStG grundsätzlich aus (vgl. Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 33a Rz C 1; Blümich/Heger, § 33 EStG Rz 142; Görke in Frotscher, a.a.O., § 33 Rz 48; Schmidt/ Loschelder, EStG, 28. Aufl., § 33 Rz 3). Dies gilt selbst dann, wenn die Aufwendungen im Einzelfall außergewöhnlich hoch sind und zwangsläufig entstehen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 699).

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3. Entgegen der Auffassung der Kläger begegnet dieser Umstand keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und das daraus folgende Gebot horizontaler Steuergerechtigkeit vor.

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a) Mit dem Zweiten Gesetz zur Familienförderung hat der Gesetzgeber den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 (BVerfGE 99, 216) umgesetzt und den Familienleistungsausgleich zum 1. Januar 2002 neu gestaltet. Seither wird der Erziehungsbedarf des Kindes unabhängig vom Familienstand bei allen Eltern, die einen Kinderfreibetrag oder ein Kindergeld erhalten, berücksichtigt. Hierzu hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 6 EStG neben dem Kinderfreibetrag in Höhe von 3.648 € einen zusätzlichen (einheitlichen) Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung in Höhe von 2.160 € geschaffen (§ 32 Abs. 6 Satz 1 2. Halbsatz EStG). Damit hat er dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die Bedarfsansprüche eines Kindes im Laufe dessen Berücksichtigungszeitraums verändern und der zunächst überwiegende Betreuungsbedarf im Laufe der Zeit durch den Erziehungsbedarf und für ältere Kinder durch den Ausbildungsbedarf überlagert bzw. abgelöst wird.

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b) Bei Kindern in Ausbildung dient der Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung der Abdeckung des allgemeinen Ausbildungsbedarfs (Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 32 Rz A 91), zu dem der erkennende Senat auch den Ausbildungsunterhalt i.S. von § 1610 BGB und damit gegebenenfalls auch Studiengebühren zählt. Da sich der Gesetzgeber bei der Quantifizierung dieses einheitlichen Freibetrags an der Höhe des bisherigen höchstmöglichen Ausbildungsfreibetrags (§ 33a Abs. 2 EStG a.F.) orientiert hat (BTDrucks 14/6160, 13), ist dadurch die bei den Eltern entstehende Minderung der finanziellen Leistungsfähigkeit durch ein Kind in Ausbildung in genügender Höhe berücksichtigt (Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 Rz A 91). Eine weitergehende steuerliche Berücksichtigung des allgemeinen Ausbildungsbedarfs außerhalb des Familienleistungsausgleichs ist damit –jedenfalls im Streitjahr– nicht erforderlich (vgl. Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 Rz A 91; Kanzler, Finanz-Rundschau 2001, 921 <938>).

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c) Schließlich entscheidet der Gesetzgeber über die Verschonung der privaten Einkommensverwendung für Ausbildungskosten in erweiterter Gestaltungsfreiheit (Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 33a Rz A 102, m.w.N). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Unterhaltsleistungen, die einem Kind eine berufliche Ausbildung mit einer auswärtigen Unterbringung ermöglichen sollen, nicht zum (Familien-)Existenzminimum gehören, weil sie nicht der Existenzsicherung im engeren Sinn, d.h. der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins, dienen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 12. Januar 2006 2 BvR 660/05, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2006, 506, m.w.N.).


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