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BFH Urteil X R 6/08 – Beschränkte Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen und von sonstigen Vorsorgeaufwendungen verfassungsgemäß


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c) Im Ãœbrigen ist die Problematik der steuerlichen Berücksichtigung der Aufwendungen für einen notwendigen Krankenversicherungsschutz durch die weitere Rechtsentwicklung überholt. Das BVerfG hat durch Beschluss in BVerfGE 120, 125 § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a i.V.m. Abs. 4 EStG für mit dem GG unvereinbar erklärt, soweit die Regelung den Sonderausgabenabzug von Beiträgen zu einer privaten Krankheitskosten- und zu einer privaten Pflegepflichtversicherung betrifft. Zugleich hat das BVerfG (unter E.III. der Beschlussgründe) dem Gesetzgeber aufgegeben, im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung die Anforderungen an eine folgerichtige steuerrechtliche Verschonung des Existenzminimums der gesetzlich kranken- und pflegeversicherten Steuerpflichtigen zu beachten.

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Da das BVerfG in seinem Beschluss (E.II.2 der Gründe) die Fortgeltung der vorstehend genannten Bestimmungen über den Sonderausgabenabzug bis zum 31. Dezember 2009 angeordnet hat, ist die unzureichende Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben bis zu diesem Zeitpunkt von allen Steuerpflichtigen und damit auch vom Kläger hinzunehmen.

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3. Die lediglich in beschränktem Umfang gegebene Abziehbarkeit von Aufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG verletzt nicht das Gebot der Steuerfreiheit des Existenzminimums. Nach diesem Gebot ist der Gesetzgeber gehalten, Beiträge zu solchen Versicherungen steuerlich freizustellen, die den Schutz des Lebensstandards des Steuerpflichtigen in Höhe des Existenzminimums gewährleisten (siehe dazu unter B.I.3.e. cc. aaa. und bbb.).

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a) Hinsichtlich der in § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG aufgeführten Kranken- und Pflegeversicherungen folgt aus dem Gebot der Steuerfreiheit des Existenzminimums lediglich die Verpflichtung zur steuerlichen Abziehbarkeit der Beiträge, die der Absicherung dieser Versicherungsrisiken auf Sozialhilfeniveau dienen. Allerdings ist –wie unter B.II.2.c dargelegt– die nicht ausreichende Abziehbarkeit der Beiträge zu diesen Versicherungen im Streitjahr hinzunehmen.

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b) Ein verfassungsrechtliches Gebot zur steuerlichen Freistellung der Beiträge zu den anderen in § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b EStG genannten Versicherungen besteht nicht.

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aa) Das BVerfG hat in seinem Beschluss in BVerfGE 120, 169 erkannt, dass eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, Beiträge für private Kapitallebensversicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EStG) zum steuerlichen Abzug zuzulassen, nicht ersichtlich sei. Gleiches gilt nach diesem Beschluss auch hinsichtlich der Abziehbarkeit von Beiträgen zu privaten Unfall- und Haftpflichtversicherungen. Für Beiträge zu Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen, kann nach Ansicht des erkennenden Senats nichts anderes gelten.

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bb) Verfassungsrechtlich ist es auch nicht geboten, Beiträge zu von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG erfassten Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen zum steuerlichen Abzug zuzulassen. Das BVerfG hat in seinem Beschluss in BVerfGE 120, 169 betont, dass diese Risiken bereits typischerweise von den klassischen Altersversorgungssystemen wie der gesetzlichen Rentenversicherung, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und der Beamtenversorgung abgedeckt seien. Zudem kann dieses Risiko im Rahmen einer Rentenversicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG mitabgesichert werden. Deshalb ist die in § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG getroffene Regelung über die Abziehbarkeit von Beiträgen zu solchen Versicherungen nur von ergänzender Natur.

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cc) Ebenfalls ist es verfassungsrechtlich nicht notwendig, Beiträge zu Arbeitslosenversicherungen steuerlich zum Abzug zuzulassen (zutreffend Myßen/Wolter, Neue Wirtschaftsbriefe 2009, 2313, 2326 f.). Maßgebend für den Umfang der steuerlichen Verschonung von Versicherungsbeiträgen zur Sicherung des Existenzminimums ist wie bereits dargelegt der Leistungskatalog der Sozialhilfe. Dieser erfasst zwar die Absicherung im Krankheits- und Pflegefall, nicht aber den Schutz gegen Lohnausfall. Das BVerfG hat in seinem Beschluss in BVerfGE 120, 125 ausdrücklich hervorgehoben, dass die sozialhilferechtlichen Bestimmungen die Gewährung von Krankengeld nicht vorsehen (unter D.IV.1.a der Gründe). Dementsprechend ist eine steuerliche Freistellung von Krankenversicherungsbeiträgen, soweit sie den Anspruch auf Krankengeld betreffen, zur Absicherung des Existenzminimums verfassungsrechtlich nicht geboten. Nichts anderes kann für Arbeitslosenversicherungsbeiträge gelten, da sich sowohl die Höhe des Krankengelds als auch der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach der Höhe des Arbeitsentgelts richtet (vgl. § 132 Abs. 1 des Dritten Buch Sozialgesetzbuch und § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Das Arbeitslosengeld dient ebenso wie das Krankengeld nicht der Absicherung des Existenzminimums, sondern der Erlangung einer Lohnersatzleistung.

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Das FG hat daher zutreffend erkannt, dass der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden ist. Das FA hat die Vorsorgeaufwendungen des Klägers im gesetzlichen Umfang berücksichtigt und zu Recht lediglich die sich nach der Günstigerprüfung (§ 10 Abs. 4a EStG) ergebenden höheren Beträge zum Abzug zugelassen.

Quelle: Bundesfinanzhof



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