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BFH Urteil X R 6/08 – Beschränkte Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen und von sonstigen Vorsorgeaufwendungen verfassungsgemäß


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Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das strikt zu beachtende Verbot der Doppelbesteuerung (siehe unter B.I.3.e bb) den anderen Steuerpflichtigen die Gewähr dafür bietet, dass es auch bei ihnen nur zu einer einmaligen Besteuerung kommen darf. Es stellte keine Belastungsgleichheit her, sondern wäre ein neuerlicher Systembruch, wenn der Gesetzgeber für eine Gruppe von Steuerpflichtigen, die bereits folgerichtig nach dem neuen System besteuert werden, für eine Ãœbergangszeit die nicht folgerichtige und nicht systemgerechte Besteuerung anderer Steuerpflichtiger einführte, die er auslaufen lassen will.

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Die nur begrenzte Entlastung des Klägers ist damit durch die besonders komplexe Ãœbergangssituation der Neuregelung der Altersvorsorge und -einkünfte noch gerechtfertigt. Es ist verfassungsrechtlich noch tragbar, nur schrittweise zu einer vollen Entlastung seiner Arbeitnehmerbeiträge zu gelangen. Die vom Kläger geleisteten Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sind nach alledem lediglich in beschränktem Umfang als Sonderausgaben gemäß Â§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 3 EStG abzuziehen.

II.
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Beiträge zu Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG (sog. sonstige Vorsorgeaufwendungen) sind lediglich mit den in § 10 Abs. 4 EStG geregelten Höchstbeträgen abziehbar.

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Hiergegen bestehen nach Ansicht des erkennenden Senats keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (ebenso FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2007 1 K 1665/06, EFG 2008, 1037; HHR/Kulosa, § 10 EStG, Rz 383; a.A. Hey, Protokoll des Finanzausschusses, Protokoll Nr. 15/47, 422; Dreher, a.a.O., S. 129; Neufang, Die Steuerberatung 2004, 551).

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1. Zu den Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG gehören Beiträge zu Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit, zu Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen, die nicht unter Nr. 2 Satz 1 Buchst. b fallen, zu Kranken-, Pflege-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen sowie zu Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen. Nach Buchst. b dieser Vorschrift rechnen hierzu auch Beiträge zu Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb bis dd EStG in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fassung, wenn die Laufzeit dieser Versicherungen vor dem 1. Januar 2005 begonnen hat und ein Versicherungsbeitrag bis zum 31. Dezember 2004 entrichtet wurde.

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Gemäß Â§ 10 Abs. 4 Satz 1 EStG können solche Vorsorgeaufwendungen je Kalenderjahr bis 2.400 € abgezogen werden. Nach Satz 2 der Vorschrift beträgt der Höchstbetrag 1.500 € bei Steuerpflichtigen, die ganz oder teilweise ohne eigene Aufwendungen einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Erstattung oder Ãœbernahme von Krankheitskosten haben oder für deren Krankenversicherung Leistungen i.S. des § 3 Nr. 14 oder 62 EStG erbracht werden. Gemäß Satz 3 bestimmt sich bei zusammenveranlagten Ehegatten der gemeinsame Höchstbetrag aus der Summe der jedem Ehegatten unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 zustehenden Höchstbeträge.

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2. § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG verletzt nicht dadurch den Gleichheitssatz, dass der dort genannte Personenkreis nur geringere Vorsorgeaufwendungen abziehen kann. Diese Einschränkung beruht auf einem sachlich einleuchtenden Grund und ist nicht willkürlich.

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a) Die unterschiedlichen Höchstbeträge in Satz 1 und Satz 2 des § 10 Abs. 4 EStG berücksichtigen, dass in bestimmten Fällen Steuerpflichtige Aufwendungen zu einer Krankenversicherung in vollem Umfang allein tragen müssen. In anderen Fällen leistet der Arbeitgeber Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung oder er gewährt, wie z.B. bei Beamten, einen Anspruch auf Beihilfe im Krankheitsfall (BTDrucks 15/2150, S. 35).

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Mit der steuerlichen Besserstellung des Personenkreises, der allein für seinen Krankenversicherungsschutz aufzukommen hat, knüpft der Gesetzgeber ersichtlich an die bis zum Jahr 2004 geltende Regelung über die Kürzung des Vorwegabzugs gemäß Â§ 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG a.F. an. Danach war der Vorwegabzug ungekürzt denjenigen Steuerpflichtigen zu gewähren, die für ihre Absicherung im Alter selber aufkommen mussten. Hingegen war er zu kürzen, wenn sich der Arbeitgeber an der Altersvorsorge des Arbeitnehmers durch Beitragszahlung oder durch Gewährung von Versorgungsanwartschaften beteiligte. Die Regelung über die Kürzung des Vorwegabzugs war verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG-Beschluss vom 28. Dezember 1984 1 BvR 1472/84, 1 BvR 1473/84, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1985, 337, und BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, unter C.V.1.b der Gründe; vgl. auch Senatsurteil vom 20. Dezember 2006 X R 38/05, BFHE 216, 297, BStBl II 2007, 823; die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde durch BVerfG-Beschluss vom 25. Februar 2008 2 BvR 805/07 nicht zur Entscheidung angenommen).

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Dieser die Kürzung des Vorwegabzugs rechtfertigende Gesichtspunkt der Beteiligung des Arbeitgebers an der Altersversorgung des Steuerpflichtigen gilt auch, wenn ein Dritter zum Krankenversicherungsschutz des Steuerpflichtigen beiträgt. Auch in diesem Fall ist bei typisierender Betrachtung davon auszugehen, dass einem Steuerpflichtigen, der allein für seinen Krankenversicherungsschutz aufzukommen hat, höhere Aufwendungen entstehen als einem anderen, bei dem sich ein Dritter an diesem Versicherungsschutz beteiligt. Zudem sind solche Leistungen Dritter regelmäßig steuerbefreit (vgl. § 3 Nr. 14 oder 62 EStG).

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b) Der Auffassung des Klägers, die unterschiedlichen Höchstbeträge seien nicht gerechtfertigt, weil die von einem Arbeitnehmer zwangsweise zu leistenden Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung höher seien als Beiträge eines Selbständigen für eine private Krankenversicherung, ist nicht zu folgen. Diese Aussage trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Die Beitragshöhe und der Leistungsumfang bestimmen sich in der gesetzlichen Krankenversicherung und bei privaten Krankenversicherungen nach unterschiedlichen Kriterien. Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sind abhängig von der Höhe des Arbeitsentgelts, Versicherungsschutz besteht in gesetzlichem Umfang ebenfalls für Familienangehörige (§ 10 des Fünften Buch Sozialgsetzbuch –SGB V–). Demgegenüber sind Beiträge in der privaten Krankenversicherung unabhängig vom Einkommen des Steuerpflichtigen; für zu versichernde Familienangehörige ist jeweils ein eigener Beitrag zu leisten. Dass die private Krankenversicherung zudem nicht stets einen „preiswerteren“ Versicherungsschutz gewährt, verdeutlicht anschaulich der Sachverhalt, der dem Vorlagebeschluss des erkennenden Senats an das BVerfG vom 14. Dezember 2005 X R 20/04 (BFHE 211, 350, BStBl II 2006, 312) zugrunde lag.



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