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BFH Urteil X R 6/08 – Beschränkte Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen und von sonstigen Vorsorgeaufwendungen verfassungsgemäß


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ccc) Durch die Ãœbergangsregelung sind die Arbeitgeberbeiträge vollständig und die Arbeitnehmerbeiträge im Ergebnis zunächst nur mit 20 %, danach linear bis zum Jahr 2025 auf insgesamt 100 % ansteigend abziehbar. Ein Problem aus Sicht der gerade dargestellten Grundsätze könnte sich dann stellen, wenn die –insoweit teilweise nicht abziehbaren– Altersvorsorgeaufwendungen (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag zusammen) nur zu Alterseinkünften führten, deren Höhe lediglich ein existenzsicherndes Niveau erreicht, also bei niedrigen Arbeitnehmereinkünften. Bei diesen Einkünften ist jedoch zu beachten, dass nach dem alten Recht ein alleinstehender Arbeitnehmer bei einem Bruttolohn von knapp 12.000 € die Altersvorsorgeaufwendungen vollständig abziehen konnte (vgl. die Berechnungen der Sachverständigenkommission, Anlage 1 und BTDrucks 15/2150, S. 35, zu Nr. 3). Die für ihn ungünstigere Neuregelung wird durch die in § 10 Abs. 4a EStG von Amts wegen vorgesehene Günstigerprüfung ausgeglichen, die –mit hier nicht relevanten Modifikationen– die Anwendung des alten Rechts anordnet. Die Günstigerprüfung stellt damit sicher, dass in der aktiven Zeit der Aufbau einer Altersvorsorge in Höhe wenigstens des Existenzminimums vom Steuerzugriff verschont wird.

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dd) Der Mechanismus der Einbeziehung der Arbeitgeberanteile im Rahmen der Ãœbergangsregelung führt zu keiner verfassungswidrigen Ungleichbehandlung des Klägers im Vergleich zu einem nicht angestellten Steuerpflichtigen und einem Beamten.

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aaa) Den vom Steuerpflichtigen geleisteten Vorsorgeaufwendungen sind zunächst der nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreie Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und ein diesem gleichgestellter steuerfreier Zuschuss des Arbeitgebers hinzuzurechnen. Im Rahmen der Ãœbergangsregelung wirkt sich dieser Gesamtbetrag im Jahr 2005 nur zu 60 % steuermindernd aus (§ 10 Abs. 3 Satz 4 EStG). Gleichwohl ist der sich hierbei ergebende Betrag gemäß Â§ 10 Abs. 3 Satz 5 EStG um 100 % des Arbeitgeberanteils bzw. des gleichgestellten steuerfreien Arbeitgeberzuschusses zu kürzen, so dass nur die Differenz als Sonderausgabe abziehbar ist.

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bbb) Diese Regelung soll gewährleisten, dass zwei Steuerpflichtige, von denen nur einer einen steuerfreien Arbeitgeberanteil oder -zuschuss erhalten hat, hinsichtlich des Gesamtaufwands für die Altersversorgung im Ergebnis in gleichem Umfang steuerlich freigestellt werden (vgl. auch unter B.I.2.d aa). Der Steuerpflichtige, der selbst den Gesamtbeitrag zur Rentenversicherung und/oder andere Altersvorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG leistet, konnte im Jahr 2005 60 % der Aufwendungen, also 12.000 € als Sonderausgaben abziehen. Der andere Steuerpflichtige, dessen Vorsorgeaufwendungen sich sowohl aus eigenen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung, Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG als auch aus dem anzusetzenden Arbeitgeberanteil von beispielsweise 2.000 € zusammensetzen, erhält eine Steuerfreistellung über § 3 Nr. 62 EStG von 2.000 €. Umgekehrt kann er als Sonderausgaben 60 % von 20.000 € = 12.000 € abzüglich 2.000 € Arbeitgeberanteil geltend machen. Die steuerliche Freistellung beider Steuerpflichtiger ist daher im Ergebnis gleich (Senatsbeschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420, unter II.9.).

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ccc) Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ergibt sich auch nicht aus dem Vergleich der steuerlichen Situation des Klägers mit der eines Beamten. Letzterer ist aufgrund des geltenden Alimentationsprinzips nicht für seine Altersvorsorge beitragsbelastet, so dass sich seine Altersvorsorge im steuerunbelasteten Raum vollzieht. Andere Arbeitnehmer können aber ihre Altersvorsorgeaufwendungen nur im Rahmen der Ãœbergangsregelung beschränkt abziehen. Die Besteuerung der Alterseinkünfte ab dem Jahr 2040 ist in beiden Fällen demgegenüber gleich; die Einkünfte unterliegen uneingeschränkt der Besteuerung.

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(1) Der Gesetzgeber hat den im BVerfG-Beschluss vom 24. Juni 1992 1 BvR 459/87, 1 BvR 467/87 (BVerfGE 86, 369) erteilten und im Rentenurteil in BVerfGE 105, 73 konkretisierten Gesetzgebungsauftrag zutreffend so verstanden, dass eine gleichheitsgerechte Besteuerung der Altersbezüge nur möglich ist, wenn bei der Neuregelung die Besteuerung aller bestehenden Altersversorgungssysteme aufeinander abgestimmt wird (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 169).

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(2) Aufgabe der Ãœbergangsregelung ist es, die bestehenden unterschiedlichen Altersvorsorge- und Alterseinkünftesysteme in ein System der nachgelagerten Besteuerung zu integrieren. Es liegt in ihrem Wesen, einen vorgefundenen Rechtszustand gleitend in eine neue gesetzgeberische Konzeption zu überführen (Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.b cc). Insoweit ist es entscheidend, dass Altersvorsorgeaufwendungen nach Ablauf der Ãœbergangsregelung im Jahr 2025 grundsätzlich in vollem Umfang als Sonderausgaben abziehbar sind und damit die mit künftigen Renteneinnahmen im Zusammenhang stehenden Rentenbeiträge –von Sonderfällen abgesehen– aus unversteuertem Einkommen stammen.

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(3) Da die steuerliche Situation der Arbeitnehmer, Selbständigen und Beamten im Bereich der Altersvorsorge und der Alterseinkünfte bis zur Neuregelung im Jahr 2005 vollkommen unterschiedlich war, ist es zwangsläufig, dass unterschiedliche Zwischenschritte notwendig sind, um zu der angestrebten Neuregelung zu gelangen, in der die Besteuerung aller bestehenden Altersversorgungssysteme aufeinander abgestimmt ist.

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Bei der Ãœberprüfung dieser Zwischenschritte ist zu beachten, dass die Besteuerung der Alterseinkünfte der Rentner, die vormals Arbeitnehmer waren, insbesondere im Vergleich zur Besteuerung der Alterseinkünfte der Beamten als mit dem Gleichheitssatz unvereinbar privilegiert angesehen wurde. Daraus folgt, dass diese Gruppe von Steuerpflichtigen auf dem Weg in die endgültige verfassungsgemäße Regelung, in der alle Altersvorsorgeaufwendungen und die daraus resultierenden Alterseinkünfte gleich behandelt werden, wegen ihrer früheren Bevorzugung in einem geringeren Umfang entlastet werden kann, ohne dass die unterschiedliche Entlastung zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes führt.

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(4) Die Besteuerung der Beamtenpensionen beruht bereits auf dem angestrebten Konzept der nachgelagerten Besteuerung, so dass dessen Ziel, das Lebenseinkommen eines Steuerpflichtigen nur einmal, aber auch mindestens einmal zu besteuern (Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710), nach dem Abschmelzen des Versorgungsfreibetrags gemäß Â§ 19 Abs. 2 EStG im Jahr 2040 erreicht ist. Es ist daher nicht sachwidrig, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, Beamte entsprechend dem für gesetzlich Rentenversicherungspflichtige bis 2004 geltenden System durch die steuerliche Erfassung eines fiktiven Beitrags zu ihrer Pension in der Erwerbsphase zu besteuern, wobei es dahinstehen kann, ob eine Besteuerung des fiktiven Beitrags eines Beamten zu seiner Pension überhaupt möglich und umsetzbar wäre (a.A. Wesselbaum-Neugebauer, FR 2007, 683).



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