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BFH Urteil VII R 51/08 – Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist nach Steuerfestsetzung


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Zwar dürfte die Rücknahme einer rechtswidrigen Anrechnungsverfügung grundsätzlich geboten sein, wenn sie von dem Begünstigten selbst, seinem Vertreter oder Bevollmächtigten in der in § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO bezeichneten Weise oder sogar durch falsche Angaben des Begünstigten gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO erwirkt worden ist, weil diese Vorschriften dahin auszulegen sein dürften, dass das Gesetz unbeschadet des der Finanzbehörde eingeräumten Ermessens intendiert, dass in diesen Fällen Rechtsrichtigkeit hergestellt und die Anrechnung rückgängig gemacht wird (intendiertes Ermessen; vgl. Urteil des Senats in BFHE 218, 10, BStBl II 2007, 742, zu § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO). In dem hier (angeblich) vorliegenden Fall jedoch, dass ein im Verhältnis zu dem Begünstigten fremder Dritter die Anrechnung um seines eigenen Vorteils willen erwirkt hat und der Begünstigte nicht einmal Anlass hatte, Zweifel an deren Rechtmäßigkeit zu hegen, gilt dies indes nicht. Vielmehr sind in einem solchen Fall die für den Begünstigten und den Schutz seines Vertrauens sprechenden Gesichtspunkte gegen das Interesse an der Korrektur von Rechtsfehlern abzuwägen. Ähnliches würde gelten, wenn im Streitfall § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO anwendbar wäre; denn auch diese Vorschrift „intendiert“ die Rücknahme des durch falsche Angaben erwirkten Verwaltungsakts allenfalls dann, wenn der Begünstigte von der Unrichtigkeit seiner Angaben wusste oder zumindest hätte wissen können und müssen, woran es im Streitfall fehlen würde.

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Der angefochtene Bescheid, der die danach gebotene Abwägung der für und gegen eine Änderung der ursprünglichen Anrechnungsverfügung sprechenden Gesichtspunkte vermissen lässt, verletzt deshalb § 5 AO und ist daher aufzuheben, wie es das FG getan hat. Er kann nicht trotz des völligen Ermessensausfalls gemäß Â§ 127 AO aufrechterhalten bleiben, weil eine andere Entscheidung in der Sache ohnehin nicht in Betracht käme.

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3. Der Änderung der Anrechnungsverfügung stand überdies Zahlungsverjährung (§ 228 AO) entgegen.

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Der streitige Rückforderungsanspruch des FA dürfte allerdings entsprechend § 220 Abs. 2 Satz 2 AO erst dadurch fällig geworden sein, dass das FA die ursprünglich gegen die Klägerin ergangene Anrechnungsverfügung geändert hat; die Zahlungsverjährungsfrist hätte, wenn man darauf –ähnlich wie bei der Änderung einer Steuerfestsetzung (dazu § 229 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AO)– abstellen müsste, gemäß § 229 Abs. 1 AO also überhaupt erst mit dem Erlass des betreffenden Änderungsbescheids zu laufen begonnen und könnte folglich so gesehen bei Erlass des angefochtenen Bescheids nicht abgelaufen gewesen sein.

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Nach dem Urteil des Senats vom 12. Februar 2008 VII R 33/06 (BFHE 220, 225, BStBl II 2008, 504) soll freilich das Institut der Zahlungsverjährung dafür sorgen, dass nach Ablauf einer angemessenen Frist endgültig Rechtssicherheit darüber einkehrt, was der Steuerpflichtige aufgrund der Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung anzurechnender Vorauszahlungen und Abzugssteuern noch zu zahlen hat bzw. was ihm zu erstatten ist, so dass nicht nur fällig gewordene steuerliche Ansprüche nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist nicht mehr geltend gemacht werden können, sondern auch auf fällig gewordene Steuern nichts mehr angerechnet und dadurch ein Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 AO nicht mehr ausgelöst werden kann. Die Änderung einer Anrechnungsverfügung nach Ablauf der durch die Bekanntgabe der Steuerfestsetzung gemäß §§ 220 Abs. 2 Satz 2, 229 Abs. 2 AO in Lauf gesetzten Frist des § 228 AO ist danach ungeachtet dessen auszuschließen, ob es –wie in jenem eben genannten Urteilsfall– um die nachträgliche Anrechnung durch Steuerabzug entrichteter Beträge und eine daraus folgende Verringerung der Abschlusszahlung (§ 36 Abs. 4 EStG) oder gleichsam umgekehrt um die Korrektur einer solchen Anrechnung zu Lasten des Steuerpflichtigen geht, sei es, dass diese Korrektur zu einer Erhöhung der Abschlusszahlung, sei es, dass sie –wie hier– zu einer Erstattungsforderung des FA führt. Aus der Ãœberlegung des FA, dass dann die Verjährungsfrist unter Umständen laufe, ohne dass das FA überhaupt von seinem Anspruch Kenntnis hat, lässt sich dagegen nichts herleiten; § 228 AO normiert –ähnlich wie § 199 Abs. 2 bis 5 BGB– eine absolute Verjährungsfrist, also eine solche, deren Lauf davon unabhängig ist, ob der Berechtigte von den seinen Anspruch begründenden Tatsachen Kenntnis hatte, Kenntnis haben musste oder auch nur Kenntnis haben konnte.

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Dass bei Ausweis einer zu geringen Abschlusszahlung die festgesetzte Einkommensteuer nicht fällig wird und damit nicht zahlungsverjähren kann, wie der Senat in dem Urteil vom 18. Juli 2000 VII R 32, 33/99 (BFHE 192, 405, BStBl II 2001, 133) aus dem Wortlaut des § 36 Abs. 4 EStG gefolgert hat, lässt sich dann freilich nicht aufrechterhalten, zumal dies, wie der Senat bereits in dem Urteil in BFHE 220, 225, BStBl II 2008, 504 angemerkt hat, die fragwürdige Folge hätte, dass der Ausweis einer zu geringen Abschlusszahlung, nicht jedoch der einer zu hohen, ohne Bindung an die Frist des § 228 AO korrigiert werden könnte. Deshalb hält der Senat nach nochmaliger Prüfung an jener Auffassung nicht fest. Er versteht § 36 Abs. 4 Satz 1 Alternative 2 EStG, was sein insofern freilich deutungsbedürftiger Wortlaut zulässt, dahin, dass bei Ausweis einer die festgesetzten Vorauszahlungen übersteigenden Abschlusszahlung dem Steuerpflichtigen eine einmonatige Zahlungsfrist gewährt werden soll, die indes für die Dauer der Zahlungsverjährungsfrist hinsichtlich der festgesetzten Steuer ohne Bedeutung ist.

Quelle: Bundesfinanzhof



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