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BFH Urteil II R 11/08 Rückgängigmachung aufgrund eines befristet vereinbarten und von nachträglich eintretenden Umständen abhängigen Rücktrittsrechts


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3. Tatsächlich war aber das vorbehaltene Rücktrittsrecht ursprünglich lediglich bis zum 28. Februar 2000 befristet. Läge jedoch eine bis zur vollständigen Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs reichende lückenlose Kette von jeweils noch innerhalb der laufenden Frist vereinbarten Fristverlängerungen vor, bliebe § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG anwendbar, wenn der Klägerin jeweils ein Anspruch auf Fristverlängerung zugestanden hätte. Solche Ansprüche kommen unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht. Das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann nämlich nicht nur zur Entstehung eines gesetzlichen Rücktrittsrechts wegen „Nichterfüllens einer Vertragsbedingung“ i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG führen, sondern im Zuge einer vorrangigen Vertragsanpassung auch zur bloßen Verlängerung der vereinbarten Frist für die Ausübung eines vorbehaltenen (und damit bereits begründeten), aber noch von nicht beeinflussbaren Umständen abhängigen Rücktrittsrechts.

4. Bei lückenloser rechtzeitiger Fristverlängerung hätte der Klägerin zwar unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage jeweils ein Anspruch auf Anpassung des Kaufvertrages vom September 1999 durch (mehrfache) Verlängerung der Frist für die Ausübung des vereinbarten Rücktrittsrechts zustehen können; eine derartige lückenlose Kette rechtzeitiger Fristverlängerungen ist im Streitfall aber nicht vorhanden.

a) Der Kaufvertrag vom September 1999 unterfällt noch dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in der Fassung vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes. Daher gilt noch nicht § 313 BGB n.F., sondern ausschließlich § 242 BGB, wonach der Schuldner verpflichtet ist, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. In der Sache macht dies keinen Unterschied (vgl. dazu Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 67. Aufl. 2008, § 313 Rz 1). Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liegt u.a. –wie nunmehr in § 313 Abs. 2 BGB n.F. ausdrücklich geregelt– vor, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, sich als falsch herausstellen.

b) Die Vertragsparteien hatten nach den Feststellungen des FG im September 1999 die Vorstellung, bis Ende Februar 2000 werde geklärt sein, dass die erworbene Teilfläche erschlossen und bebaut werden könne. Die dahingehenden Feststellungen des FG sind nicht angegriffen worden; sie enthalten auch keine gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßende Schlussfolgerung (vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. 2006, § 118 Rz 54). Diese gemeinsame Erwartung, die für den Geschäftswillen der Vertragsparteien wesentlich war, hat sich nicht erfüllt. Der damit verbundene Wegfall der Geschäftsgrundlage führte jedoch nicht zur Auflösung des Kaufvertrages, sondern lediglich zu einem Anspruch der Klägerin auf Vertragsanpassung im Sinne eines an der Zumutbarkeit ausgerichteten optimalen Interessenausgleichs. Darin lag unter Wahrung der Interessen beider Seiten der geringstmögliche Eingriff in das Vertragsverhältnis. Dem Interesse der Verkäuferin, am Vertrag so lange festzuhalten, wie der Klägerin zumutbar, war damit ebenso Rechnung getragen wie dem Interesse der Klägerin, an dem Vertrag zunächst festhalten zu können, ihn aber bei Scheitern des Erschließungs- und Bauvorhabens nicht auf jeden Fall erfüllen zu müssen.

c) Von einer derartigen Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage lässt sich aber nur dann sprechen, wenn die Fristverlängerung rechtzeitig vor Ablauf der jeweils zu verlängernden Frist vorgenommen worden ist. Ist die ursprünglich vereinbarte Frist für die Ausübung des vorbehaltenen Rücktrittsrechts jedoch einmal verstrichen, ohne vorher einvernehmlich verlängert worden zu sein, hätte die Klägerin das Recht zum Rücktritt endgültig verloren gehabt und stellte die Wiedereinräumung eines Rücktrittsrechts ein Entgegenkommen der Verkäuferin dar, auf das diese sich auch unter dem Gesichtspunkt der Vertragsanpassung nicht hätte einzulassen brauchen.

d) Ein derartiges (neues) Rücktrittsrecht könnte nur dann Grundlage einer Rückgängigmachung i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG sein, wenn es noch innerhalb von zwei Jahren seit Entstehung der Steuer vereinbart und ausgeübt worden wäre. Denn ungeachtet dessen, dass es wiederum erst bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses ausgeübt werden dürfte, käme hierbei dem Umstand der rechtsgeschäftlichen Begründung des Rücktrittsrechts die entscheidende Bedeutung zu. Als vereinbartes Rücktrittsrecht wäre es dem § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und nicht etwa gemäß den Ausführungen oben zu II. 1. dem Abs. 1 Nr. 2 der Vorschrift zuzuordnen. Wenn nämlich die Aufhebung des steuerpflichtigen Grundstücksgeschäfts nur innerhalb von zwei Jahren seit Steuerentstehung beachtlich ist, dann muss für die nachträgliche Vereinbarung eines (neuen) Rücktrittsrechts, das im Falle seiner Ausübung letztlich ebenfalls zur Beendigung des Grundstücksgeschäfts führt, dieselbe Befristung gelten (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Mai 1976 IV ZR 63/75, BGHZ 66, 270, 272). Das Absehen von der Zwei-Jahres-Frist des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und die Zuordnung zum Tatbestand des Abs. 1 Nr. 2 der Vorschrift bei vereinbarten Rücktrittsrechten, die von Umständen abhängen, die der Berechtigte nicht selbst beeinflussen kann, ist somit beschränkt auf Rücktrittsrechte, die bei Abschluss des Grundstücksgeschäfts vorbehalten worden sind.



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