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BFH Urteil II R 11/08 Rückgängigmachung aufgrund eines befristet vereinbarten und von nachträglich eintretenden Umständen abhängigen Rücktrittsrechts


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Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte einen Aufhebungsanspruch sowohl nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) als auch nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sei nicht einschlägig, weil die darin vorgeschriebene Zwei-Jahres-Frist nicht eingehalten sei. § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG sei nicht anwendbar, da es an einem zivilrechtlichen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gefehlt habe. Ein solcher Anspruch hätte sich im Streitfall nur aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage ergeben können. Die Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts lägen jedoch nicht vor. Das von den Vertragsparteien gesehene Risiko, die Bebaubarkeit des Grundstücks nicht zu erreichen, sei bereits durch das Rücktrittsrecht und die erste Verlängerung der für dessen Ausübung gesetzten Frist vom 28. Februar 2000 sachgerecht geregelt gewesen. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO greife nicht ein, weil der Kaufvertrag nicht nachträglich –etwa durch Anfechtung– unwirksam geworden sei. Die Verweigerung der beantragten Billigkeitsmaßnahme nach § 163 und § 227 AO sei nicht zu beanstanden. Ermessensfehler lägen insoweit nicht vor. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 877 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG sowie der §§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 163 und 227 AO. Maßgeblich für die Erhebung von Grunderwerbsteuer als einer Verkehrsteuer sei ein Rechtsträgerwechsel und zu solch einem Wechsel sei es im Streitfall nicht gekommen. Wenn dem nicht mithilfe der §§ 16 GrEStG und 175 AO Rechnung getragen werden könne, müsste auf der Grundlage der §§ 163 und 227 AO für Abhilfe gesorgt werden.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Ablehnungsverfügung vom 30. März 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 das FA zu verpflichten, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 7. Januar 2000 aufzuheben, hilfsweise, die Ablehnungsverfügungen vom 22. und 30. Juni 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Grunderwerbsteuer zu erlassen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.
Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat im Ergebnis zu Recht eine Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs sowohl gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als auch gemäß Abs. 1 Nr. 2 der Vorschrift verneint. Es hat auch zutreffend eine Aufhebung des Steuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 AO sowie den Hilfsantrag bezüglich der Billigkeitsmaßnahmen abgelehnt.

1. Im Gegensatz zu § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, der eine Rückgängigmachung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer erfordert, sieht die Nr. 2 der Vorschrift keine zeitliche Begrenzung für die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs vor. Dieser Unterschied beider Tatbestände ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH– (Urteil vom 8. Juni 1988 II R 90/86, BFH/NV 1989, 728, 729) –soweit die Rückgängigmachung auf der Ausübung eines Rücktrittsrechts beruht– darin begründet, dass sich die Nr. 1 auf Fälle bezieht, in denen das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft aufgrund eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts aufgehoben wird, während die Nr. 2 einen Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung derart verlangt, dass dieser einseitig und gegen den Willen des anderen am Grundstücksgeschäft Beteiligten durchsetzbar ist und die Rückgängigmachung auf der Ausübung dieses Rechts beruht.

Allerdings erfolgt auch bei Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts im Sinne der Nr. 1 die Rückgängigmachung als solche einseitig und unter Umständen gegen den Willen des Vertragspartners. Daher wird in der Literatur (Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl. 2007, § 16 Rz 36) zu Recht der eigentliche Unterschied darin gesehen, dass bei § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG an eine Rückgängigmachung gedacht ist, die jederzeit durch Ausübung eines vorbehaltenen und an keine weiteren Voraussetzungen gebundenen Rücktrittsrechts herbeigeführt werden kann, während bei der Nr. 2 der Vorschrift die Möglichkeit zum Rücktritt erst aufgrund nachträglich eingetretener Umstände entsteht.

Jedoch lässt sich ein vom nachträglichen Eintritt bestimmter Ereignisse abhängiges Rücktrittsrecht auch vertraglich vereinbaren. Geschieht dies, unterfällt die Ausübung des Rücktrittsrechts bei vollständiger Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs dem § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, obwohl die Umstände, von deren Eintreten das Recht zum Rücktritt abhing, vertraglich ausbedungen waren (vgl. Sack in Boruttau, a.a.O.; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2005, § 16 Rz 13). Als derartige Umstände kommt all das in Betracht, was in § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG unter dem Begriff der Vertragsbedingungen zusammengefasst ist.

2. Hätten die Vertragsparteien im Streitfall die Befristung des der Klägerin in § 12 des Kaufvertrages eingeräumten Rücktrittsrechts unterlassen oder von Anfang an etwa auf fünf Jahre erstreckt, handelte es sich um ein vorbehaltenes Recht mit der oben beschriebenen Besonderheit, vom nachträglichen Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Ereignisse –nämlich der Ablehnung einer Erschließung oder Bebauung des Grundstücks durch die Kommune und damit vom Nichteintritt der Bebaubarkeit– abhängig zu sein, und stünde der Klägerin ein Aufhebungsanspruch aus § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zu. Die vertraglich vorgesehenen Umstände für einen Rücktritt wären nachträglich eingetreten. Wäre der Kaufvertrag vom September 1999 aus diesem Grunde einvernehmlich aufgelöst worden, hinderte dies die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG nicht (BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 728).



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