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BFH Urteil I R 114/08 – Schlussurteil Columbus Container Services – verstößt gegen Gemeinschaftsrecht – Gemeinschaftsrechtlicher Anwendungsvorrang


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Durch Urteil in Slg. 2007, I-10451 entschied der EuGH auf dieses Ersuchen:

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„Die Art. 43 EG und 56 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, wonach die Einkünfte einer im Inland ansässigen Person aus Kapitalanlagen in einer Niederlassung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ungeachtet eines Doppelbesteuerungsabkommens mit dem Mitgliedstaat des Sitzes dieser Niederlassung nicht von der inländischen Einkommensteuer freigestellt sind, sondern unter Anrechnung der im anderen Mitgliedstaat erhobenen Steuer der inländischen Besteuerung unterliegen.“

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Die daraufhin fortgeführte Klage wurde vom FG Münster als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 11. November 2008 15 K 1114/99 F,EW, EFG 2009, 309).

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Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.

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Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil sowie den Bescheid über die Einheitswertfeststellung auf den 1. Januar 1996 aufzuheben und den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für 1996 dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus der belgischen Betriebsstätte von … DM (… DM Einkünfte aus Gewerbebetrieb und … DM sonstige Einkünfte) lediglich dem Progressionsvorbehalt unterworfen werden, hilfsweise, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob § 20 AStG a.F. aufgrund der Verletzung von Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 25 GG verfassungswidrig ist.

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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zu anderweitigen Steuerfeststellungen. Das FG hat die Einkünfte und das Vermögen der Klägerin zu Unrecht im Inland als steuerpflichtig angesehen.

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1. Bei der Klägerin handelt es sich aus deutscher Sicht um eine Personengesellschaft mit Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG–). Die an ihr beteiligten, im Inland ansässigen und deswegen hier mit ihren (gesamten) Einkünften (sog. Welteinkommensprinzip) unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen (vgl. § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG) Gesellschafter, denen durch die Gesellschaft in Belgien jeweils eine Betriebsstätte vermittelt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteile vom 17. Oktober 2007 I R 5/06, BFHE 219, 518, BStBl II 2009, 356; vom 13. Februar 2008 I R 63/06, BFHE 220, 415, BStBl II 2009, 414, jeweils m.w.N.), erzielen mit ihren Gewinnanteilen infolgedessen Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Um doppelte Besteuerungen in Deutschland als Wohnsitzstaat und in Belgien als Betriebsstättenstaat zu vermeiden, haben sich beide Staaten jedoch abkommensrechtlich und völkerrechtlich verbindlich darauf verständigt, das Besteuerungsrecht für die in Belgien erwirtschafteten und den Anteilseignern zuzurechnenden Gewinne gemäß Art. 7 Abs. 1 DBA-Belgien Belgien zuzuweisen. In Deutschland sind diese Gewinne nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 DBA-Belgien von der Steuer befreit. Gleichermaßen verhält es sich nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 2 DBA-Belgien mit jenem beweglichen Vermögen, das Betriebsvermögen der in Belgien belegenen Betriebsstätten der unbeschränkt vermögensteuerpflichtigen Gesellschafter (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes) darstellt.

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2. Allerdings bestimmt § 20 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AStG a.F., dass abweichend von dieser Abkommenslage die Doppelbesteuerung von Einkünften mit Kapitalanlagecharakter i.S. des § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG a.F., die in der ausländischen Betriebsstätte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen anfallen, nicht durch Freistellung, sondern durch Anrechnung der auf diese Einkünfte erhobenen ausländischen Steuern zu vermeiden ist. Voraussetzung dafür ist, dass die betreffenden Einkünfte als Zwischeneinkünfte nach §§ 7 bis 18 AStG a.F. steuerpflichtig wären, falls die Betriebsstätte eine ausländische Gesellschaft wäre. Gleiches gilt für diese Fälle des § 20 Abs. 2 AStG a.F. im Hinblick auf das Vermögen, das Einkünften mit Kapitalanlagecharakter i.S. von § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG a.F. mit Ausnahme der Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S. des § 10 Abs. 6 Satz 3 AStG a.F. zugrunde liegt; auch insoweit ist die Doppelbesteuerung nicht durch Freistellung, sondern durch Anrechnung der auf dieses Vermögen erhobenen ausländischen Steuern zu vermeiden (§ 20 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AStG a.F.).

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3. Voraussetzung für den Wechsel der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Freistellung zur Anrechnung ist nach der beschriebenen Regelungslage also eine fiktive Steuerpflicht jener Einkünfte nach Maßgabe der §§ 7 ff. AStG a.F. Danach gilt Folgendes:

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a) Sind unbeschränkt Steuerpflichtige an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) beteiligt, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat und die nicht gemäß Â§ 3 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuer ausgenommen ist (ausländische Gesellschaft), i.S. von § 7 Abs. 2 AStG a.F. zu mehr als der Hälfte beteiligt, so sind die Einkünfte, für die diese Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, bei jedem von ihnen mit dem Teil steuerpflichtig, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft entfällt (§ 7 Abs. 1 AStG a.F.). Zu mehr als der Hälfte beteiligt sind unbeschränkt Steuerpflichtige i.S. von § 7 Abs. 1 AStG a.F. an einer ausländischen Gesellschaft, wenn ihnen allein am Ende des Wirtschaftsjahrs der Gesellschaft, in dem sie die Einkünfte nach § 7 Abs. 1 AStG a.F. bezogen hat (maßgebendes Wirtschaftsjahr), mehr als 50 v.H. der Anteile oder Stimmrechte an der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sind (§ 7 Abs. 2 Satz 1 AStG a.F.). Eine ausländische Gesellschaft ist i.S. von § 7 Abs. 1 AStG a.F. Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung (durch eine Ertragsteuerbelastung von weniger als 30 v.H., § 8 Abs. 3 Satz 1 AStG a.F.) unterliegen und nicht aus jenen Einkünften stammen, die in § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG a.F. aufgelistet sind (§ 8 Abs. 1 erster Halbsatz AStG a.F.). Die hiernach steuerpflichtigen Einkünfte sind bei dem unbeschränkt Steuerpflichtigen mit dem Betrag, der sich nach Abzug der Steuern ergibt, die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft von diesen Einkünften sowie von dem diesen Einkünften zugrunde liegenden Vermögen erhoben worden sind, anzusetzen (Hinzurechnungsbetrag, § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F.). Der Hinzurechnungsbetrag gehört zu den Einkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Ziff. 1 EStG und gilt unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahrs der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG a.F.). Auf den Hinzurechnungsbetrag sind die Bestimmungen der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht anzuwenden, soweit im Hinzurechnungsbetrag im Rahmen bestimmter Voraussetzungen und Höchstbeträge Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S. von § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG a.F. enthalten sind (§ 10 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 AStG a.F.).



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