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BFH IX R 93/07 Keine Übermaßbesteuerung


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cc) Die vom FA angewandte Berechnungsmethode führt auch nicht zu einer verfassungswidrigen Ãœbermaßbesteuerung.

Ziel der Fünftelregelung ist es, die zusammengeballt in einem Jahr anfallenden außerordentlichen Einkünfte in typisierender Weise so zu besteuern, als wenn sie nicht in einem, sondern in fünf Jahren angefallen wären (vgl. Horn in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 34 EStG Rz 3; Eggesiecker/Ellerbeck, DStR 2007, 1281 f.). Dabei hat sich der Gesetzgeber nicht für eine Verteilung der außerordentlichen Einkünfte auf fünf Veranlagungszeiträume entschieden. Vielmehr mindert er ihre Progressionswirkung in der Weise, dass er sie auf das untere Fünftel der Gesamtprogressionswirkung beschränkt, die die außerordentlichen Einkünfte im Jahr des Zuflusses entfalten würden. Die Beschränkung wirkt nicht etwa linear, sondern in Abhängigkeit von der Steigerung der Steuersatzkurve im jeweiligen Bereich. Erreicht das verbleibende zu versteuernde Einkommen den Spitzensteuersatz, ist die Progressionswirkung der außerordentlichen Einkünfte und damit die Entlastungswirkung der Fünftelregelung gleich Null.

Die nach § 34 Abs. 1 EStG zu saldierenden Steuerbeträge sind in der Weise zu ermitteln, dass auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen bzw. auf das erhöhte verbleibende zu versteuernde Einkommen jeweils die allgemeinen Tarifvorschriften des § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG Anwendung finden. Die Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts beim verbleibenden zu versteuernden Einkommen und beim verbleibenden zu versteuernden Einkommen zuzüglich 1/5 der außerordentlichen Einkünfte führt dazu, dass genau die Progressionswirkung der außerordentlichen Einkünfte im dargelegten Sinne auf 1/5 beschränkt wird. So wird eine zielgenaue Umsetzung der ratio des Progressionsvorbehalts erreicht.

Auch bei einer vollen Berücksichtigung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden steuerfreien Einkünfte werden diese nicht besteuert. Der Progressionsvorbehalt führt lediglich zu einer Erhöhung der ansonsten begünstigten Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte nach § 34 Abs. 1 EStG, dies jedoch entsprechend der gesteigerten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit infolge des Bezugs auch steuerfreier Einkünfte.

Soweit eine verfassungswidrige Ãœbermaßbesteuerung aus dem Zusammenspiel von Fünftelregelung und Progressionsvorbehalt bei vollständiger Berücksichtigung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte daraus abgeleitet wird, dass Grenzsteuersätze bis zum Fünffachen des Einkommensteuerspitzensatzes auftreten könnten (Siegel/Diller, DStR 2008, 178; Hennig/ Hundsdoerfer/Schult, DStR 1999, 131), verkennt dies, dass die Mehrsteuer aus der Steuersatzerhöhung durch den Progressionsvorbehalt in einer Relation zu den außerordentlichen Einkünften zu sehen ist, weil sie zu einer Reduzierung der Begünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG führt. Es werden nicht die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte besteuert, vielmehr erhöhen diese den Maßstab für die zu besteuernde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (Steuersatz) und verringern das Bedürfnis nach einer Begünstigung der außerordentlichen Einkünfte. Die Verfassungsmäßigkeit der Einkommensteuerbelastung ist für das vom einzelnen Steuerpflichtigen erwirtschaftete zu versteuernde Einkommen zu beurteilen, nicht aber für Einzelaspekte bei der Bestimmung des Durchschnittssteuersatzes. Liegen das aus laufenden Einkünften bestehende verbleibende zu versteuernde Einkommen unter dem Existenzminimum und die außerordentlichen Einkünfte in der proportional zu besteuernden Zone, so kann der Grenzsteuersatz bezogen auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen zwar ggf. über 200 % betragen (vgl. Jahndorf/Lorscheider, FR 2000, 433; Wendt, FR 1999, 333, 337). Dies bedeutet jedoch noch nicht zwangsläufig eine konfiskatorische Einkommensteuer auf die steuerliche Bemessungsgrundlage insgesamt, wie der im Streitfall vom FA angewandte Steuersatz zeigt. Maßgeblicher Prüfungsgegenstand für die Einordnung einer Steuerbelastung als unverhältnismäßig ist stets der staatliche Steuerzugriff, d.h. die Höhe der Belastung einer steuerbaren Tätigkeit, nicht aber Teilaspekte der Steuersatzberechnung.

Der Progressionsvorbehalt wirkt sich im Rahmen der typisierenden Berechnung des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG aus wie zusätzliche nicht begünstigte Einkünfte. Dies entspricht auch seiner Zwecksetzung, den Steuerpflichtigen hinsichtlich seines Steuersatzes so zu behandeln, als wären die dem Progressionsvorbehalt unterfallenden Einkünfte nicht steuerfrei. Diese Zusatzbelastung stellt eine systemgerechte Beschränkung der Entlastung nach § 34 Abs. 1 EStG dar. Mit der geringen Entlastungswirkung bei höheren Einkünften bewegt sich der Gesetzgeber aber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit.

2. Nach diesen Grundsätzen hat das FA zutreffend ausgehend vom zu versteuernden Einkommen von 65.048 € ein verbleibendes zu versteuerndes Einkommen von 8.522 € errechnet und hierzu die Aufstockungsbeträge für die Berechnung des Steuersatzes nach § 32b Abs. 2 EStG addiert. Die Steuer auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen war 0 €. Die Addition von 1/5 der Einkünfte i.S. von § 34 EStG zum verbleibenden zu versteuernden Einkommen zuzüglich der Aufstockungsbeträge nach § 32b Abs. 2 EStG führte zu einem maßgebend zu versteuernden Einkommen von 23.778 € und damit zu einem durchschnittlichen Steuersatz von 8,9762 %. Die Anwendung dieses Steuersatzes auf das zu versteuernde Einkommen plus 1/5 der außerordentlichen Einkünfte unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts führte zu einem Unterschiedsbetrag von 1.780 €, der mit dem Faktor 5 zu multiplizieren war. Dies führt zu einer tariflichen Einkommensteuer von 8.900 €.

Die Sache ist spruchreif. Angesichts der zutreffenden Steuerberechnung des FA ist die Klage abzuweisen.



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