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Besteuerung von Abfindungszahlungen


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dd) Ein anderes Ergebnis folgt weder aus dem vom BMF herangezogenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr vom 12. Juli 1994 2 BvE 3/92, 2 BvE 5/93, 2 BvE 7/93, 2 BvE 8/93 (BVerfGE 90, 286) noch aus dem Urteil des BVerfG vom 22. November 2001 2 BvE 6/99 (BVerfGE 104, 151, 209) zum NATO-Strategiekonzept. Zwar hebt das BVerfG insbesondere in dem Urteil in BVerfGE 90, 286 hervor, dass in der völkerrechtlichen Praxis „fließende Ãœbergänge zwischen Vertragsauslegung und Vertragsänderung“ bestehen (unter III.3.a dd der Entscheidungsgründe). Es liege auch in der Hand der Vertragspartner, durch eine Vertragsauslegung eine neue Praxis der Vertragsanwendung begründen zu wollen, selbst dann, wenn diese Praxis –entgegen der Auffassung der Vertragsparteien– über den Vertragsinhalt hinausgehe; eines Zustimmungsvorbehalts des Gesetzgebers (nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG) bedürfe es in derartigen Situationen nicht (ebenda).


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Das BVerfG stellt aber zugleich klar, dass der Vollzug solcher Vereinbarungen dann auf jene Tätigkeiten beschränkt ist, die nicht dem Gesetzesvorbehalt unterliegen. Ist das nicht der Fall –und der Senat nimmt dies unter den Gegebenheiten des Streitfalls für den steuerrechtlich belastenden Zugriff auf die in Rede stehende Abfindungszahlung aus den dargelegten Erwägungen an– „besteht ein Handlungsverbot, solange nicht entweder das nationale Zustimmungsgesetz den innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl erteilt oder das Parlament eine sonstige ausreichende Ermächtigungsgrundlage geschaffen hat“ (unter III.3.a ee der Entscheidungsgründe), woran es vorliegend jedoch fehlt.

ee) Aus demselben Grund scheidet schließlich die vom BMF eingeforderte verfassungskonforme Auslegung des Abkommens (nach Maßgabe des Leistungsfähigkeitsprinzips, Art. 3 Abs. 1 GG) aus, um der Gefahr einer doppelten Nichtbesteuerung des Klägers (und damit sog. weißer Einkünfte) entgegenzutreten (s. dazu erneut auch Senatsurteile in BFHE 222, 255, BStBl II 2008, 793, und in BFHE 222, 509, BStBl II 2009, 234).

3. Weitere Rechtsgrundlagen, welche ein deutsches Besteuerungsrecht an der gezahlten Abfindung zu begründen vermöchten, sind nicht ersichtlich. Eine solche ergibt sich namentlich nicht aus § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 (i.V.m. § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002) i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007, BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28 –JStG 2007–) –EStG 2002 n.F.–. Diese Vorschrift zielt zwar darauf ab, unter näher eingegrenzten Voraussetzungen das Besteuerungsrecht für bestimmte Einkünfte trotz deren abkommensrechtlicher Freistellung sicherzustellen, falls es in dem anderen Vertragsstaat nicht zu einer Besteuerung kommt und deswegen eine sog. Keinmal- oder doppelte Nichtbesteuerung droht. Diesen Zweck verwirklicht § 50d Abs. 9 EStG 2002 n.F. allerdings nicht umfassend, sondern nur für unbeschränkt Steuerpflichtige. § 50d Abs. 9 EStG 2002 n.F. baut also erkennbar auf der sog. Freistellungsmethode des Art. 23A des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development auf und bestimmt (nur) hierfür unbeschadet der bilateral verabredeten Freistellung im Wege eines sog. Treaty override einseitig den Rückfall des (deutschen) Besteuerungsrechts. Unter den im Streitfall in Rede stehenden Vorgaben der sog. fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG 2002 geht es jedoch gerade nicht um einen derartigen „Rückfall“ des Besteuerungsrechts nach Deutschland als den Wohnsitzstaat infolge abkommensrechtlich durch diesen gewährter Freistellung (vorliegend nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1 DBA-Belgien), sondern um dessen Besteuerungszugriff als Quellenstaat (nach dem Tätigkeitsortprinzip). Wohnsitzstaat des Klägers ist und bleibt hingegen Belgien (vgl. zum Verhältnis der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG 2002 einerseits und der abkommensrechtlichen Ansässigkeit und Abkommensberechtigung andererseits auch Senatsurteil vom 20. September 2006 I R 13/02, IStR 2007, 148). Nur diese Abkommenskonstellation eines sog. Outbound-Sachverhalts hat § 50d Abs. 9 EStG 2002 vor Augen; Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen werden erklärtermaßen nicht einbezogen. Das aber muss sich dann auch auf natürliche Personen auswirken, welche nicht tatsächlich (gemäß § 1 Abs. 1 EStG 2002), sondern lediglich fiktiv nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 EStG 2002 mit ihren inländischen Einkünften i.S. des § 49 EStG 2002 (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz EStG 2002) als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden.


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Der insoweit nicht unterscheidende und deshalb überschießende Regelungstatbestand („… unbeschränkt Steuerpflichtigen …“) in § 50d Abs. 9 EStG 2002 n.F. ist entsprechend eingeschränkt aufzufassen (im Ergebnis ebenso z.B. Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 50d Abs. 9 EStG Rz 52 f.; Wagner in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 50d EStG Rz 102; wohl auch Frotscher, EStG, § 50d Rz 131; Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009, S. 230; anders Hahn-Joecks in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 50d Rz J 7 und K 6; Nieland in Lademann, EStG, § 50d Rz 412), ohne dass noch zu prüfen wäre, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift im Ãœbrigen vorliegen. Ebenso wenig muss der Frage danach nachgegangen werden, ob die Vorschrift verfassungsrechtlichen Anforderungen standhält (s. dazu allgemein –im Hinblick auf das sog. Treaty overriding– z.B. Gosch, IStR 2008, 413; Frotscher in Spindler/Tipke/Rödder [Hrsg.], Steuerzentrierte Rechtsberatung, Festschrift für Schaumburg, 2009, S. 687 ff., sowie konkret –bezogen auf die in § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG 2002 n.F. angeordnete Rückwirkung auf noch nicht bestandskräftig abgeschlossene Verfahren– z.B. Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 50d Rz 7; Schönfeld in Flick/ Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 50d Abs. 9 EStG Rz 31 ff.; Hahn-Joecks in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 50d Rz K 5, jeweils m.w.N.).

4. Obwohl die Abfindung aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer herauszunehmen ist, unterliegt sie, soweit sie den Freibetrag von 7.200 € übersteigt (§ 3 Nr. 9 EStG 2002), dem Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002). Dabei sind die darin enthaltenen außerordentlichen Einkünfte mit einem Fünftel zu berücksichtigen (§ 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG 2002). Darüber besteht unter den Beteiligten kein Streit, so dass sich auch dazu weitere Ausführungen erübrigen.

Quelle; Bundesfinanzhof


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