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Besteuerung von Abfindungszahlungen


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II.
Die Revision ist unbegründet.

1. Das FA hat dem Antrag des Klägers, der im Streitjahr im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in Belgien auch keine Einkünfte erzielte, die nicht der deutschen Besteuerung unterlagen, zu Recht entsprochen und ihn nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 EStG 2002 mit den inländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 (i.V.m. § 19) EStG 2002 (i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften –Steueränderungsgesetz 2003 [StÄndG 2003]– vom 15. Dezember 2003, BGBl I 2003, 2645, BStBl I 2003, 710) als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt.


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a) Zu diesen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört gemäß Â§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG 2002 i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2003 auch die in Rede stehende Abfindung. Denn diese wurde nach den bindenden tatrichterlichen Feststellungen als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 EStG 2002 für die Auflösung eines Dienstverhältnisses gezahlt und die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte haben der inländischen Besteuerung unterlegen. Die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG 2002 i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2003 sind damit erfüllt. Das ist unter den Beteiligten auch nicht streitig.

b) Eine Veranlagung des Klägers und seiner Ehefrau gemäß Â§ 1 Abs. 3 EStG 2002 setzt voraus, dass deren Einkünfte im Streitjahr mindestens zu 90 v.H. der deutschen Einkommensteuer unterlagen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 12.272 € im Kalenderjahr betrugen (§ 1 Abs. 3 Satz 2, § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002). Jedenfalls die alternative Höchstbetragsgrenze von 12.272 € wurde im Streitfall nicht überschritten. Zwar belief sich die gezahlte Abfindung auf 19.110 €. Da diese in Höhe von 7.200 € nach § 3 Nr. 9 EStG 2002 steuerfrei war, lagen die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte (s. dazu nachfolgend unter 2.) in Höhe der verbleibenden 11.910 € unter dem schädlichen Betrag von 12.272 € (s. dazu BMF-Schreiben vom 6. Dezember 1995, BStBl I 1995, 803; Gosch in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 1 Rz 34, m.w.N.).

2. Das Deutschland nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht für die Abfindung wurde durch das DBA-Belgien beschränkt; das Besteuerungsrecht steht nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Belgien Belgien als dem Wohnsitzstaat des Klägers zu.

a) Art. 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DBA-Belgien, der die Behandlung von Einkünften aus einer unselbständigen Arbeit regelt, bestimmt, dass Löhne, Gehälter und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden können, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.


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Wie der Senat wiederholt entschieden hat (z.B. Urteile vom 24. Februar 1988 I R 143/84, BFHE 152, 500, BStBl II 1988, 819; vom 27. August 2008 I R 81/07, BFHE 222, 560, BStBl II 2009, 632; vom 10. Juli 1996 I R 83/95, BFHE 181, 155, BStBl II 1997, 341; Beschluss vom 12. September 2006 I B 27/06, BFH/NV 2007, 13, jeweils m.w.N.), folgt daraus, dass Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht im Tätigkeitsstaat, sondern im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind. Denn bei Abfindungen handelt es sich unbeschadet dessen, dass sie nach dem insoweit maßgebenden innerstaatlichen Recht (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Belgien) Arbeitslohn (§ 19 EStG 2002) sind, nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit i.S. des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Belgien. Sie werden nicht für eine konkrete im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern gerade für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit genügt nach dem Abkommenswortlaut („dafür“) indes nicht. Die Finanzverwaltung hat sich dem prinzipiell angeschlossen (BMF-Schreiben vom 14. September 2006, BStBl I 2006, 532, dort Tz. 6.3).

b) An dieser Rechtsauffassung, an welcher der Senat festhält, hat sich infolge der zwischenzeitlichen Verständigungsvereinbarung der deutschen und belgischen Finanzbehörden zur Besteuerung von Abfindungen vom 15. Dezember 2006 –und damit nach Ablauf des Streitjahres– nichts geändert.

aa) Das BMF und das Finanzministerium des Königreichs Belgien haben sich in jener Vereinbarung (wiedergegeben im BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 261) auf der Basis von Konsultationsverhandlungen nach Maßgabe des Art. 25 Abs. 3 DBA-Belgien darauf verständigt, das Besteuerungsrecht der beiden Vertragsstaaten danach zuzuteilen, ob der Abfindung Versorgungscharakter beizumessen ist oder ob es sich um eine Nachzahlung von Löhnen, Gehältern oder anderen Vergütungen handelt. In dem ersten Fall kann die Abfindung danach gemäß Art. 18 DBA-Belgien nur im Wohnsitzstaat des Empfängers besteuert werden, im zweiten Fall soll gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Belgien das sog. Tätigkeitsortsprinzip gelten. Hintergrund dieser Vereinbarung ist der Umstand, dass aufgrund der unterschiedlichen Spruchpraxis der Steuergerichte in Deutschland und in Belgien über die Besteuerungszuordnung die Gefahr sog. weißer Einkünfte, also der doppelten Nichtbesteuerung, bestand. Die Vereinbarung tritt nach ihrem Abs. 5 Satz 1 am Tag nach der Unterzeichnung in Kraft. Sie ist nach Abs. 5 Satz 3 auch auf alle Fälle anzuwenden, die –wie der Streitfall– zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung noch nicht abgeschlossen oder die Gegenstand eines Verständigungsverfahrens sind. Für die Beurteilung des Steitfalls ergeben sich daraus jedoch keine Konsequenzen.

bb) Die Vereinbarung betrifft die Auslegung des zwischenstaatlichen vereinbarten Abkommenstextes. Sie wird als solche nach Art. 25 Abs. 3 DBA-Belgien ermöglicht und soll eine weitgehende Widerspruchsfreiheit bei der Abkommensanwendung sicherstellen. Die Frage nach der Bindungswirkung einer derartigen Vereinbarung ist indes umstritten.


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