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Abzinsung von Gesellschafterdarlehen und Rückstellungen (BFH I R 35/09)


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Mit den dazu von der Revision angestellten Erwägungen hat sich der Senat schon in seiner genannten Entscheidung auseinandergesetzt. So trifft es zwar zu, dass im Gesetzgebungsverfahren die Abzinsung u.a. mit der Ãœberlegung begründet wurde, bei einem Erwerb des gesamten Betriebs werde ein langfristig gewährtes Darlehen nur mit seinem abgezinsten Erfüllungsbetrag in die Bemessung des Kaufpreises eingehen (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN, BTDrucks 14/23, S. 171; Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 14/265, S. 172). Doch kann daraus nicht abgeleitet werden, dass sich die Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997 nur an dieser Vorstellung ausrichten muss. Denn im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ist das zunächst nur für Rückstellungen vorgesehene Abzinsungsgebot nicht nur auf Verbindlichkeiten erweitert, sondern zugleich mit einer Objektivierung der Gewinnermittlung und einer „realitätsnahen Bewertung“ begründet worden (Bericht des Finanzausschusses –7. Ausschuss–, BTDrucks 14/443, S. 17). Diesen Zielen dient es aber, wenn im Hinblick auf die Frage der Kurzfristigkeit nicht nur auf eine rechtlich bestehende Kündigungsmöglichkeit, sondern auch auf die wahrscheinliche tatsächliche Entwicklung abgestellt wird; das macht gerade der Fall des unbefristet gewährten Gesellschafterdarlehens deutlich. Zudem dient es der Einheit der Rechtsordnung, wenn die ertragsteuerrechtliche und die bewertungsrechtliche Behandlung eines Vorgangs denselben Maßstäben folgen. Daher begründet ein mit gesetzlicher Frist kündbares Darlehen jedenfalls dann, wenn nach den Erfahrungen der Vergangenheit keine alsbaldige Kündigung droht, aus ertragsteuerrechtlicher ebenso wie aus bewertungsrechtlicher Sicht (vgl. dazu die Nachweise im Senatsbeschluss in BFHE 226, 347) keine Verbindlichkeit mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten.


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Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass die in Rede stehenden Gesellschafterdarlehen zins- und tilgungsfrei gewährt worden waren, am Bilanzstichtag des Streitjahres schon mehrere Jahre lang bestanden und auch in den Folgejahren nicht zurückgeführt worden sind. Es hat ferner festgestellt, dass die Darlehensverträge nur nach vorheriger Abstimmung unter den Darlehensgebern gekündigt werden konnten. Diese bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen rechtfertigen die vom FG vorgenommene Würdigung dahin, dass die Klägerin am maßgeblichen Bilanzstichtag nicht damit rechnen musste, kurzfristig auf eine Tilgung der betreffenden Verbindlichkeiten in Anspruch genommen zu werden. Die Klägerin beurteilt diese Frage zwar abweichend und verweist dazu vor allem auf die im Jahr 1988 vorgenommene Änderung der Darlehensverträge; sie zeigt aber nicht auf, dass das FG gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen habe, und kann daher dessen tatrichterliche Würdigung nicht erschüttern.

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d) Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen die vom Gesetzgeber getroffene Regelung teilt der Senat nicht; insoweit wird erneut auf den Beschluss in BFHE 226, 347 verwiesen. Die vom FG angestellte Berechnung zur Höhe des Abzinsungsbetrags greift die Revision nicht an; der Senat erkennt insoweit auch keine zum Nachteil der Klägerin wirkenden Rechtsfehler, die von Amts wegen korrigiert werden müssten. Im Ergebnis ist das angefochtene Urteil daher, soweit es die Behandlung der Gesellschafterdarlehen betrifft, nicht zu beanstanden.

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3. Dasselbe gilt im Hinblick auf die von der Klägerin gebildeten Rückstellungen für Schallschutzmaßnahmen. Insbesondere hat das FG zutreffend entschieden, dass diese Rückstellungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 abzuzinsen sind.

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a) Nach der genannten Vorschrift sind Rückstellungen für Verpflichtungen mit 5,5 v.H. abzuzinsen, wobei § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997 entsprechend anzuwenden ist. Das bedeutet, dass eine Abzinsung unterbleibt, wenn die Rückstellung aus der Sicht des Bilanzstichtags voraussichtlich für weniger als zwölf Monate Bestand haben wird. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat das FG indessen ohne Rechtsfehler verneint.

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aa) Nach den Feststellungen des FG betrafen die streitigen Rückstellungen künftigen Aufwand für Schallschutzmaßnahmen, deren Finanzierung die Klägerin den Anwohnern eines bestimmten Gebiets angeboten hatte. Der Ablauf der Finanzierungsmaßnahme vollzog sich in der Weise, dass zunächst ein Antrag des Anwohners vorliegen musste und die Klägerin nach Prüfung dieses Antrags die notwendigen Maßnahmen ermittelte. Sodann durfte der betreffende Anwohner zwei Angebote von Fachfirmen einholen, woraufhin die Klägerin mit ihm einen Vertrag über die Durchführung der Maßnahme und die Höhe des Erstattungsbetrags schloss; an diesen Vertrag war sie anschließend für zwölf Monate gebunden. Weiter ist dem angefochtenen Urteil zu entnehmen, dass die vom FA vorgenommene Abzinsung sich ausschließlich auf Maßnahmen bezieht, für die einerseits am Bilanzstichtag des Streitjahres eine Rückstellung gebildet worden war und die andererseits bis zum Ende des Folgejahres nicht abgewickelt worden waren. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an; sie sind deshalb revisionsrechtlich bindend.


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bb) Das FG hat allerdings nicht ausdrücklich festgestellt, ob die in Rede stehenden Rückstellungen erst im Gefolge der Antragstellung durch einen Anwohner oder –im Vorgriff darauf– allein auf der Grundlage der Erwartung derartiger Anträge gebildet worden sind. Es ist deshalb denkbar, dass am Bilanzstichtag Unklarheit darüber bestand, ob die in den Rückstellungen berücksichtigten Maßnahmen tatsächlich von den Anwohnern in Anspruch genommen werden würden. Ebenso war möglicherweise am Bilanzstichtag nicht absehbar, inwieweit bereits beantragte oder noch zu beantragende Maßnahmen im Folgejahr abgeschlossen werden konnten oder nicht. Beides schließt jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin die Abzinsung der Rückstellungen nicht aus.

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Denn bei Rückstellungen gilt ebenso wie im Bereich der Verbindlichkeiten, dass es für die Notwendigkeit einer Abzinsung auf denjenigen Erfüllungszeitpunkt ankommt, mit dem aus der Sicht des Bilanzstichtags nach den tatsächlichen Verhältnissen und den in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen gerechnet werden muss. Dazu hat das FG indessen festgestellt, dass die Klägerin die Rückstellungen für Schallschutzmaßnahmen jeweils lange vor dem Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung mit dem berechtigten Anwohner gebildet hat. Das rechtfertigt seine Annahme, dass die Rückstellungen jedenfalls nicht in vollem Umfang Risiken abbildeten, die aus der Sicht des Bilanzstichtags innerhalb der nächsten zwölf Monate beseitigt werden konnten.



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